Ideen für ein Haus der Erinnerungen

Das Aktionskomitee hat in einer Ideenskizze erste Gedanken zu dem von ihm vorgeschlagenen „Haus der Erinnerungen“ öffentlich gemacht. Dieses Haus der Erinnerungen könnte idealerweise in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen in Esterwegen realisiert werden.

Bei diesem Konzept geht es darum, einen angemessenen Umgang mit der vorhandenen Fülle der seit 1933 entstandenen Selbst- und Lebenszeugnisse zu den Häftlingen und Gefangenen der Emslandlager zu finden.

Bisher dient dieses Material vor allem dazu, einen Platz als Exponat in der Dauerausstellung zu finden. Es könnte aber noch erweitert werden und auf andere Weisen erschlossen werden.

Gedenkbuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Schniers‘ Eintrag im „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ im Gedenkraum der KZ-Gedenkstätte Dachau

Man stelle sich als Wippinger den Umgang mit dem Nachlass des in Dachau verstorbenen Heinrich Schniers vor. In Dachau erfährt man im ausgestellten „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ im Gedenkraum der KZ-Gedenkstätte Dachau die Lebensdaten des dort ermordeten Pfarrers. Aber warum die Nazis ihn dort internierten, wie er dies verkraftet hat bzw. wie es ihn zerbrochen hat oder wie sein Tod auf seine Gemeindemitglieder in Leer und auf die Menschen und Verwandten in seinem Herkunftsort Wippingen gewirkt hat, erfährt man nicht. Schniers wurde als Pfarrer nach dem Krieg sofort als Opfer der Nazis anerkannt. Aber viele überlebende KZ-Insassen wurden nach der Befreiung von der Naziherrschaft noch als Kriminelle stigmatisiert oder wurden wie im Fall der kommunistischen Gefangenen oder im Fall der homosexuellen Naziopfer weiterhin vom jetzt demokratischen Staat verfolgt.

Den Lebensweg von Schniers haben seine beiden Kirchengemeinden in Leer und Lingen schriftlich festgehalten und gelegentlich in Veranstaltungen, Flyern und Ausstellungen den Menschen nahe gebracht. Schniers ist insofern eine Ausnahme.

Für die vielen Opfer der Emslandlager könnte das Haus der Erinnerungen Ähnliches leisten und eigene Vermittlungsformen wie Wechsel- und Wanderausstellungen, Veranstaltungen, Publikationen, Bildungsmaterialien und digitale Anwendungen entwickeln.

Das Aktionskomitee stellt sich das Haus als einen lebendigen, kommunikativen Raum des entdeckenden, vertiefenden Lernens, der Begegnung und des Austauschs vor, der die Begegnung mit Überlebenden und den Angehörigen der Verfolgten ermöglicht.

Die in der Sammlung befindlichen Quellen und Objekte dokumentieren dabei auch, wie von den Verfolgten ihr Schicksal bereits von 1933 an erinnert worden ist – im Lager, im Geheimen oder im Exil (wie Wolfgang Langhoffs „Die Moorsoldaten“), gegen das Beschweigen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik (etwa mit dem ersten „Moorsoldatentreffen“ 1956) oder als Bestandteil der Arbeit des DIZ durch den intensiven Austausch mit ehemaligen Häftlingen und Gefangenen und bei zahlreichen persönlichen Begegnungen. Mit der Sammlung Volker Schröder gehört nach Angaben des Aktionskomitees neuerdings ein umfassendes Medienarchiv zahlreicher Gespräche und Besuche von Überlebenden und Angehörigen seit den 1990er Jahren zur Sammlung des DIZ. Viele künstlerische und andere Zeugnisse der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Emslandlager, die nicht von Verfolgten stammen, ergänzen die Bestände des DIZ.

Die Gedenkstätte Esterwegen ermöglicht derzeit mit der Dauerausstellung und dem Angebot an Veranstaltungen eher einen musealen Zugang zum Thema und weniger zu den Opfern selbst.

Im Konzept heißt es: Angesichts des Verlustes der Stimmen der Zeitzeugen bietet ein „Haus der Erinnerungen“, das sich die Begegnung mit den bereits seit 1933 entstandenen Selbstzeugnissen der Verfolgten zu seiner Kernaufgabe macht, eine herausragende Chance, die Erinnerung an die Verfolgten in herausgehobener und einzigartiger Weise wach zu halten und sichtbar zu machen sowie die Kontakte zu ihren Angehörigen und deren Erinnerungen zu pflegen. In einer solchen Institution würde nicht nur ihr Gedächtnis dauerhaft bewahrt, sondern Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Erinnerung in ihren politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen vermittelt, diskutiert und reflektiert werden. Das „Haus der Erinnerungen“ soll ein Ort gelebter Demokratie werden, der bewusst macht, woher sie kommt, was sie trägt und wodurch sie gefährdet wird. [jdm]

Pfarrer Heinrich Schniers wurde vor 80 Jahren verhaftet

Mitteilung der Gestapo an das Bischöfliche Generalvikariat über die Verhaftung von Heinrich Schniers

Vor genau 80 Jahren am 17.12.1941 wurde der aus Wippingen stammende Pastor Heinrich Schniers von der NS-Justiz verhaftet. Er wurde zunächst nach Wilhelmshaven gebracht und dann in das Gerichtsgefängnis Nordenham überstellt. Als Haftgrund wurden "defätistische Äußerungen" angegeben.

Heinrich Schniers, 1907 zum Priester geweiht, hatte 12 Jahre von 1921 bis 1933 als Kaplan in Lingen gearbeitet und war am 1. Mai 1933 Pfarrer an St. Michael in Leer geworden. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geriet Heinrich Schniers rasch in einen offenen Konflikt mit dem herrschenden NS-Regime. Ende 1939 erging ein Strafbefehl an ihn wegen angeblicher falscher Beflaggung nach dem Sieg über Polen. Es kam im Februar 1940 zu einem Freispruch, aber seitdem stand er unter Beobachtung der Gestapo bis es zu der erneuten Verhaftung kam.

Mit Unterstützung von Bischof Berning, der St. Michaelsgemeinde und auch der Stadt Leer wurde er zu Weihnachten 1941 kurz freigelassen, aber am 27. Dezember erneut inhaftiert. Am 19. März 1942 wurde der Geistliche in Sträflingskleidung durch die Straßen Leers geführt. Nach dieser öffentlichen Demütigung verschwand Schniers auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes im April 1942 im Konzentrationslager Dachau bei München, wo der 62jährige schon am 30. August 1942 an Hunger und Erschöpfung starb. Auf der Sterbeurkunde stand "Darmkatarrh". Eine ordentliche Gerichtsverhandlung fand nie statt.

In einem Info-Flyer informiert die Kirchengemeinde St. Michael Leer über die Lebensstationen von Pfarrer Schniers und dem in Leer geborenen Kaplan Hermann Lange, der ebenfalls von dem NS-Regime ermordet wurde. Darin heißt es:

Mitteilung der Gestapo an das Bischöfliche Generalvikariat über den Tod von Heinrich Schniers
Flyer der Kirchengemeinde St. Michael Leer

'Heinrich Schniers Körper war von Hunger, Misshandlungen und körperlicher Anstrengung gezeichnet. Ein Mitbruder berichtet: „So wurden Pastor Schniers die anstrengende Arbeit in der Heilkräuterplantage und das Leben im Block zu einer steten Qual, da er, dessen Sehkraft stark beeinträchtigt war, ständig zerbrochene Augengläser tragen musste, die nicht zu ersetzen waren. Eines Tages war es auch mit seiner Lebenskraft vorbei. Ich sehe ihn noch, wie man ihn auf einen Ackerkarren am Ende eines 1200-Mann-starken Arbeitskommandos niedersetzte: Zusammengeknickt der Leib wie auf einem Ecce-homo-Bild.“ ... In der Chronik der Kirchengemeinde heißt es (über das Seelenamt im September 1942): „Anwesend waren u. a. 80 kath. Geistliche der Diözese, Superintendent Oberdieck und Pastor Knoche aus der luth. Gemeinde Leer, Pastor Hamer aus der ref. Gemeinde Leer und eine recht beträchtliche Anzahl von Gläubigen aus Lingen, wo der Verstorbene 12 Jahre als Kaplan tätig war. In Leer war Pastor Schniers allseitig hochgeschätzt, wie dies auch besonders aus einem Beileidsschreiben von evangelischer Seite hervorgeht, in dem es heißt: Auch wir verlieren in ihm einen tapferen und klugen Mitkämpfer für die gemeinsamen geistlichen Interessen unserer Zeit und sind durch seinen tragischen Lebensausgang tief erschüttert."

Die Sterbeurkunde und ein beschönigender Aktenvermerk über den Tod von Heinrich Schniers finden sich in den Arolsen Archives. [jdm]

Josef Schmunkamp hat Aufgabe als Totengräber übernommen – Seit 1. Juli neue Friedhofssatzung

Josef Schmunkam 2019
Josef Schmunkamp

Am 1. Juli 2019 hat sich auf dem Friedhof in Wippingen einiges geändert. An diesem Tag trat eine neue Friedhofssatzung in Kraft, die deutlich höhere Kosten für ein Grab und allem, was damit zusammenhängt, bringt. Auch personell hat sich etwas getan. Nachdem Theo Schmitz die Tätigkeit als Totengräber aufgegeben hatte, fand sich lange niemand. Jetzt hat Josef Schmunkamp diese Aufgabe übernommen. (mehr …)

Arolsen Archives

Das Archiv für NS Opfer Bad Arolsen hat einen großen Teil der Dokumente online gestellt. Hier finden sich auch 4 Dokumente (jeweils Vorder- und Rückseite) über den Wippinger Pfarrer Schniers aus dem KZ Dachau.

Wie die Frankfurter Allgemeine berichtete haben die Arolsen Archives in Partnerschaft mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen großen Teil ihrer Bestände online gestellt (https://collections.arolsen-archives.org). Die Datenbank enthalte unter anderem Dokumente aus Konzentrationslagern, darunter Häftlingskarten und Todesmeldungen. Jetzt seien mehr als dreizehn Millionen Dokumente mit Informationen zu mehr als 2,2 Millionen Menschen auch aus der Ferne zu lesen, zum Beispiel von Menschen in Lublin oder London. Weitere Bestände sollten folgen. [Stephan Bicker]