Lauterbach: Militarisierte Krankenhauslandschaft und Aushungern des platten Lands

Im Interview mit der NOZ am letzten Samstag sprach der Gesundheitsminister Karl Lauterbach darüber, dass das Gesundheitswesen jetzt auch kriegstüchtig werden soll. Wörtlich sagte er: "Die Pandemie hat gezeigt: Unser Gesundheitswesen ist nicht ausreichend für Szenarien gewappnet, die wir lange für undenkbar gehalten haben. Deswegen haben wir uns bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Strukturen für große Krisen besser zu rüsten."

Während der Pandemie wurden die Bürger inständig gebeten, die Krankenhäuser nicht unnötig zu belasten, weil nicht genug Betten vorhanden waren. Operationen wurden in einem Maß verschoben, dass die Ärzteschaft schon vor den Folgen von nicht behandelten Erkrankungen warnten.

Da passt es überhaupt nicht, wenn der Minister behauptet "Viele Häuser machen Verluste, auch weil sie bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen, mit denen sie in der Vergangenheit Geld verdient haben, um ihr Budget zu erreichen. Dafür fehlt es heute an Personal, und es gibt auch nicht mehr den medizinischen Bedarf. Es gibt zu viele Betten, zu viele Krankenhäuser..."

Wie Lauterbach das Gesundheitswesen militarisieren will, sagt er noch nicht. Aber bekannt ist, dass das jetzt auch von den Bundesländern durchgewinkte Transparenzregister eigens dafür geschaffen wird, um kleine Krankenhäuser auszuhungern. Auf einer digitalen Plattform sollen die Bürger darüber informiert werden, welche Krankenhäuser - gemessen an den Kriterien des Ministeriums - gut sind. Solche Bewertungsportale gibt es bereits. Aber sie sollen noch einmal mit staatlichen Geldern neu erfunden werden. Und die Kliniken werden per Gesetz zu neuer Bürokratie verpflichtet, um das Portal mit Daten zu füllen.

Alle Krankenhäuser, die wenige Operationen machen, werden im ihrem Segment dann als nicht geeignet diffamiert. Das führt natürlich dazu, dass sie von den Patienten - erschreckt von den dann hochoffiziellen Aussagen -. gemieden werden. Und damit wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der die großen Kliniken noch größer macht und die kleinen Pleite gehen läßt. Das ist im Sinne der Großkliniken in den großen Zentren und im Sinne der Klinikkonzerne, die sich auf teure OPs spezialisiert haben.

Die wohnortnahen Krankenhäuser auf dem platten Land und ihre Patienten werden das Nachsehen haben - die Aktionäre der Krankenkauskonzerne reiben sich die Hände. Lauterbach behauptet, "Aber beim Übergang zum neuen System werden wir alle Kliniken, die auf Dauer gebraucht werden, am Leben erhalten. Ihre wirtschaftliche Lage wird sich klar verbessern. Das gilt insbesondere für die Kliniken im ländlichen Raum, die sonst keine Chance hätten, aber die Versorgung vor Ort sichern." Das ist eine Behauptung ohne Beleg und reine Propaganda. Das Fallpauschalensystem wird nämlich nicht abgeschafft. Und wenn den kleinen Krankenhäusern alle "Fälle" davonschwimmen, die gut bezahlt werden und nur die schlecht bezahlte Grundversorgung leisten müssen, werden sie finanziell ausgehungert. Da wird keine Versorgung vor Ort gesichert. [jdm]

Mehr Profit durch Postreformgesetz

Der Entwurf des Postmodernisierungsgesetzes zielt darauf ab, die Deutsche Post von ihrer Verpflichtung, jeden Bürger mit an ihn gesendete Paket- und Briefsendungen zu beliefern, zu befreien.

Zwar werden im Gesetz genaue Anforderungen an einen Universaldienstleister, den die Post heute ja darstellt, formuliert. So wird festgelegt, dass am vierten Tag 95 % der Briefe zugestellt sein müssen (§ 16). Es wird auch festgelegt, wie viel Postagenturen, Zustellautomaten und Briefkästen pro Quadratkilometer vorhanden sein müssen. Erfüllt ein Universaldienstleister die Aufgaben nicht, kann ihm sogar ein Zwangsgeld auferlegt werden. Also alles in Butter?

Nein, denn ein Logistikkonzern wie die DHL kann seine Sparte, die den Universaldienst leistet, auch einfach auflösen und den Betrieb ohne die Universaldienstleistungen mit einer Neugründung weiterführen. Dann hat der Staat keine Handhabe.

Wenn der Postkonzern es in einem dünn besiedelten Gebiet als unprofitabel empfindet, jedem Einzelhof die Post zuzustellen oder eine Postagentur zu betreiben, kann er einfach damit aufhören – möglicherweise durch eine Neugründung des örtlichen Subunternehmens. Das Gesetz sieht vor, dass dort, wo ein Universaldienstleister fehlt, ein dort tätiger Postdienstleister nach einer nicht erfolgreichen Ausschreibung verpflichtet werden kann. In der Ausschreibung werden dabei den Unternehmen für kostenträchtige Bereiche Ausgleichszahlungen des Staates (§28) angeboten. Wenn dem Unternehmen die Zustellung „wirtschaftlich nicht zumutbar“ ist, muss die Post nicht mehr zugestellt werden. Dann ist das Dorf ohne eine Postzustellung.

Die Strategie der deutschen Post wird dadurch geradezu vorgezeichnet. Es wird zu einer Unmenge von Ausgründungen der Deutschen Post kommen, um überall dort, wo etwas nicht so profitabel ist, eine Firma mit neuen Staatszuschüssen an den Start zu bringen. Wenn diese Subunternehmen der Post dann von allen tarifvertraglichen Zwängen befreit sind und ihre Postzusteller dann auf Mindestlohnniveau arbeiten, ist für die Post das Ziel erreicht.

Das heute flächendeckende Zustellgebiet der Post wird zerstückelt in hunderte Einzelgebiete, die dann verpflichtet werden – sofern sie mit staatlichen Zuschüssen den Universaldienst anbieten – zusammenzuarbeiten. Weil jedermann leicht den Überblick verlieren kann – (Wer verkauft hier eigentlich die Briefmarken? Wer betreibt hier die Postagenturen) führt die Bundesnetzagentur ein Anbieterverzeichnis aller Postdienstleister, die aber nicht unbedingt Universaldienstleister sein müssen.

Das Postmodernisierungsgesetz hat nichts mit „Modernisierung“ zu tun, sondern dient ausschließlich dazu, den DHL-Konzern von allen bisherigen Verpflichtungen als für das ganze Bundesgebiet zuständigen Universaldienstleister zu befreien. Die Post kann dann auswählen, beliebige Bereiche der Republik nicht mehr zu bedienen, sich von allen Tarifverträgen befreien und kann – wenn es ihr beliebt – sich dann um staatliche Zuschüsse zum Betrieb als Universaldienstleister bewerben.

Damit wäre dann die Post, wie wir sie kennen, endgültig zerschlagen und durch eine undurchsichtige Struktur ersetzt, die die Briefe zwar später mit höheren Portozahlungen bringt, aber den Aktionären der DHL höhere Profite garantiert.

Kann irgendjemand erklären, warum Abgeordnete im Bundestag, die sich als Volksvertreter verstehen, einer solchen Verschlechterung für jeden Bürger zustimmen? MdB Gitta Connemann (CDU) hat sich in der Bild-Zeitung vom 11.08.2023 empört über die Ankündigung der langsameren Zustellung, die ja nur eine Folge der neuerlichen Postreform wäre,  geäußert: „Eine Schnecken-Post schadet unserer Wirtschaft! Rechnungen werden verzögert zugestellt. Dokumente fürs Finanzamt reißen die Frist – mit Ansage.“ Von Anja Troff-Schaffarzyk (SPD) sind zur Post keine Äußerungen zu finden.

Wir sollten beobachten, wie sich die MdBs in der Diskussion und in der Abstimmung über eine Postreform verhalten. [jdm]

Vor 157 Jahren Postzustellung am nächsten Tag – heute ist die Zustellung am vierten Tag quasi sicher

Horst Heinrich Bechtluft schrieb im EL-Kurier vom 17 Dezember über einen im Deutsch-Deutschen Krieg von 1866 beförderten Brief: „Robbens Schreiben wurde am 28. Juni 1866 in Meppen aufgegeben. Der Brief traf über Hannover in Göttingen am nächsten Tag ein und wurde durch Kuriere weitergeleitet. Der preußische Oberbefehlshaber war seiner Armee hinterher gezogen. Die (noch) hannoversche Post und Eisenbahn funktionierten trotz des Krieges, denn Preußen ließ alle Verwaltungen des Königreichs Hannover weiterarbeiten.“

Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen teilte am 17. Mai 1988 mit: „Technik und Marktbedingungen haben sich in den letzten Jahren so stark geändert, dass wir mit den gewachsenen traditionellen Strukturen nicht mehr in der Lage sind, den vielfältigen Bedürfnissen unserer Kunden alleine nachzukommen. Durch die Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens werden Hemmnisse und Bürokratien abgebaut, Innovationen gefördert und Wachstumschancen in einem für die gesamte Volkswirtschaft wichtigen Bereich verbessert.“ Das war der Beginn der Zerschlagung der Post mit der Postbank als Billig-Pannenbank der Deutschen Bank, der Telekom als Teil einer Kommunikationsinfrastruktur, die es schafft mehrere parallel laufende Kabel verschiedener Telefongesellschaften in einer Straße zu haben, die ihre Kunden auf verschiedene Weise abzocken, aber ohne flächendeckende Internetabdeckung, und der guten alten Gelben Post, die ihre Filialen überall abgebaut und manchmal durch Agenturen ersetzt hat und einen Markt geschaffen hat, in dem die Beschäftigten der Paketdienste häufig mit sklavenähnlichen unterbezahlten Arbeitsplätzen ausgebeutet werden.

Die Produktivität müsste durch eine seit 1988 deutlich ausgebaute Infrastruktur eigentlich die alte Post in den Schatten stellen. Dennoch heißt es in der Beschreibung zur Postnovelle vom 20. Dezember 2023: „Aktuell müssen Briefe in der Grundversorgung (Universaldienst) mit einer (durchschnittlichen Jahres-)Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent am folgenden Werktag beim Empfänger ankommen (E+1 80%) und zu 95 Prozent am zweiten Werktag (E+2 95%). Künftig müssen Standardbriefsendungen zu 95 Prozent am dritten Werktag (E+3 95%) und zu 99 Prozent am vierten Werktag (E+4 99%) den Empfänger erreichen. Die 95prozentige Zustellung verschiebt sich also um einen Tag, dafür ist am vierten Tag die Zustellung quasi sicher.“

157 Jahre nachdem ein Brief trotz Krieg in Deutschland am nächsten Tag den Empfänger erreichte, feiert es die Bundesregierung, dass „dafür am vierten Tag die Zustellung quasi sicher“ ist.

In dem vom Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegten Entwurf eines Postrechtsmodernisierungsgesetzes steht: „Ziel des Postgesetzes ist es weiterhin, flächendeckend angemessene und ausreichende Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen sicherzustellen und den fairen Wettbewerb zu fördern. Daneben zielt das Gesetz zukünftig aber auch auf angemessene Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Beförderung von Briefen und Paketen.“

Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Andrea Kocsis, kritisiert, die im Kabinettsbeschluss zum Postgesetz vorgesehene Verlängerung der Laufzeiten von Briefsendungen auf drei bzw. vier Tage verschlechtere nicht nur das Dienstleistungsangebot für die Kundinnen und Kunden der Post deutlich, sondern führe künftig auch zu einer Gefährdung von tarifierten Arbeitsplätzen bei der Deutschen Post AG.

Die Ausweitung der Lizenzpflicht auf die Paketbranche und Subunternehmen werde die derzeit vielfach geübte Praxis bei Subunternehmen, das Arbeits- und Sozialrecht zu ignorieren, nicht ändern. Anders als noch im ersten Gesetzesentwurf vorgesehen, könnten die Auftraggeber jetzt nicht mehr für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei den Subunternehmen haftbar gemacht werden. „Ein Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche wäre der einzig richtige Weg, die von der Regierung erkannten und in der Gesetzesbegründung selbst lang und ausführlich beschriebenen Missstände in der Branche anzugehen“, so Kocsis weiter. [jdm]

Riester 2.0 – Bundesregierung will Konzerne im großen Stil mit Rentenzahlungen der Arbeiter zocken lassen

Im Frühjahr 2023 setzte die Bundesregierung eine "Fokusgruppe private Altersvorsorge" ein, die Mitte Juli einen Abschlussbericht vorlegte. Ziel der Fokusgruppe war es, Vorschläge zu erarbeiten, wie die private Altersvorsorge reformiert werden kann. Die Ergebnisse wurden von den meisten Zeitungen, der SPD-Bundestagsfraktion und natürlich von den Arbeitgebern begrüßt. Um mit den letzten anzufangen: Denen reicht es, dass die Arbeitgeber im Rahmen der privaten Altersvorsorge außen vor gelassen werden und die Kosten allein bei den Arbeitnehmern liegen.

Die SPD hat ihre früheren Positionen zu dem deutschen System der Umlagerente einfach vergessen, so wie sie auch ihre friedenspolitischen Positionen einfach vergessen hat. Die Vergesslichkeit von Bundeskanzler Scholz ist legendär.

Das Ergebnis der Fokusgruppe ist eine Riester-Rente 2.0. Weil Riester 1.0 eine Pleite war, wiederholt man die Sache in einem großen Stil, was eine noch größere Pleite bzw. noch niedrigere Renten für die Arbeiterklasse bedeutet. Dass die Umlagerentensysteme in Österreich und der Schweiz höhere und sichere Renten bedeuten, wird von deutschen lobbyhörigen Renten-"Experten" ignoriert.

Vorbild für den vorgeschlagenen staatlichen Aktienfonds, aus dem irgendwann Renten gezahlt werden sollen, ist der „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (KENFO). KENFO soll das Geld der Energiekonzerne, das diese für den Freikauf von der Entsorgung des Atommülls einzahlen mussten, verwalten, vermehren und damit die Endlagerung bezahlen. 2022 machte KENFO einen Verlust von 3,1 Milliarden Euro. Kein gutes Vorbild.

Auch das zweite Vorbild, der norwegische Staatsfonds, meldete 2022 einen Verlust von 152 Milliarden Euro. In diesem Jahr sollen es 130 Mrd. €uro Plus werden. Wenn sich Gewinne und Verluste ungefähr die Waage halten: Wovon sollen dann in Zukunft die Renten gezahlt werden?

Bei den Riester-Verträgen gibt es ebenfalls Verluste bis 30%. Und die Pensionsfonds in den USA, die ebenso als Vorbilder herhalten müssen, verzocken regelmäßig die Gelder der Renteneinzahler. Zuletzt waren Lehrer in Arkansas und Transportarbeiter in New York betroffen. Und das große Vorbild des schwedischen Pensionsfonds Alecta investierte in die pleite gegangene Silicon Valley Bank und in zwei weitere und verlor 1,7 Milliarden Euro.

Da Aktien gekauft und verkauft werden, weil es jeweils unterschiedliche Ansichten über den Wert der Aktien gibt, kann es naturgemäß keine dauerhaft steigenden Aktienfonds geben. Firmen können nun mal aus ganz verschiedenen Gründen pleite gehen. Und dann sind die Aktien eben nichts mehr wert. Reiner Heyse verweist in einem Artikel auf Telepolis auf das Auf und Ab des MSCI World Index, der auf der Grundlage von 1600 Aktien aus 23 Industrienationen gebildet wird.

Solche Verlustphasen kann sich ein Arbeiter in Rente aber nicht leisten. Er braucht immer seine Rente. Wenn der Großaktionär in einem Jahr mal ein paar Millionen weniger Dividenden bekommt, muss er seinen Lebensstandard nicht senken. Ein Arbeiterrentner verliert ohne Rente alles. Er kann nicht mit der Rentenzahlung spielen; das Kasino ist der Spielplatz nur für Reiche. Die Bundesregierung möchte den Finanzhaien von Allianz oder Blackrock das Geld der Arbeiter zum Spielen und Verdienen übergeben.

Der Wirtschaftswissenschaftler, Soziologe und Bevölkerungswissenschaftler Gerhard Mackenroth hat 1952 schon geschrieben: „Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem laufenden Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein „Sparen“ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand.“

Ob die Rente also als Zins oder als Obulus aus der Umlagerente kommt; sie kommt in beiden Fällen nur aus dem laufenden Volkseinkommen. Die Umlagerente sichert die bessere und berechenbare Verteilung des zur Verfügung stehenden Geldes, Die Aktienrente bietet nur vollkommen unsichere Optionen auf eine Rente. [jdm]

Post: keine vorgezogene Portoerhöhung, dafür Schleifung von Pflichten gegenüber den Bürgern

Die Bundesnetzagentur hat der von der Post beantragten vorzeitigen Erhöhung der Briefgebühren im Jahr 2024 nicht zu gestimmt. Diese kommt also ein Jahr später. Bisher hat die Bundesnetzagentur den Wünschen der Post immer entsprochen. In einem Bericht von Business Insider vom 11.08.2023 heißt es: "Wollten sie (die Post, jdm) von der Politik etwas, wie beispielsweise grünes Licht für eine Portoerhöhung, bekamen sie es in der Regel auch. Ein Anruf oder ein Treffen im Kanzleramt genügte mitunter."

Warum jetzt also eine Ablehnung? Erfüllt die Bundesnetzagentur etwa plötzlich ihre Aufsichtsfunkton? Für Business Insider sieht es eher nach einem Plan aus: "Doch was nach einer Klatsche für die Post aussieht, dürfte hinter den Kulissen wohlkalkuliert gewesen sein." Die Bundesnetzagentur spielt hier nur den strengen Kontrolleur, um die geplante Verschlechterung des Postdienstes hinter dem Gedöns zu verstecken. Das Bundeswirtschaftsministerium wolle nach der parlamentarischen Sommerpause einen Vorschlag für eine Neuregelung des Postgesetzes machen. Mit der Neuregelung sollen Briefe künftig mindestens drei Tage nach der Aufgabe erst ankommen dürfen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich dazu nicht geäußert und verwies lediglich auf sein Eckpunktepapier. Darin soll die Post von den Pflichten eines Universaldienstleisters entlastet werden, um sich als weltweiter Logistikkonzern nicht mehr um die popeligen Bürger und Postkunden in Deutschland kümmern zu müssen - beziehungsweise nur dann, wenn die gewünschten Traumrenditen erwirtschaftet werden können (wir berichteten hier und hier). Der Postkasten in unmittelbarer Nähe wird dann ein vergangenes Traumbild werden. [jdm]

Zeitung zur Krankenhausreform

Das Bündnis Klinikrettung hat unter dem Titel „Krankenhausreform. Verordneter Kahlschlag“ eine neue Ausgabe der Zeitung zu der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Krankenhausreform veröffentlicht. Im Titelbeitrag der Redaktion werden die aktuellen Reformvorschläge analysiert und die Rolle der Landespolitiker kritisch beleuchtet.

Die Zeitung steht online als PDF-Datei zur Verfügung. [jdm]

Privatisierung: Untaugliche Medizin für die Deutsche Bahn wird immer wieder verschrieben

Kurzstudie von Bahn  für Alle zu Trennung des Netzbetriebes 2022

Ein Mensch hat Fieber und der Arzt verschreibt Paracetamol zum Fiebersenken. Weil das nicht hilft, verordnet der Arzt die doppelte Menge Paracetamol. Das hilft auch nicht, also verordnet der Arzt die dreifache Menge Paracetamol. Der Patient stirbt dann an einer verschleppten Infektion. Das würde vermutlich keinem Arzt in der Realität passieren.

Bei der Deutschen Bahn gab es am Anfang Schulden. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag verordneten 1994 erste Schritte zur Privatisierung der DB durch die Umwandlung des Staatsbetriebes in eine Aktiengesellschaft, damit der „Markt“ die Deutsche Bahn besser mache.

Die Bahn sollte dann 2006 an die Börse gehen, aber der „Markt“, sprich die Finanzkrise 2007, verhinderte einen Verkauf der Aktien. Die Bahn machte höhere Schulden als früher und bekam mehr Geld vom Staat als früher.

Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag verordneten weitere Schritte zur Privatisierung der Deutschen Bahn durch die Aufspaltung der DB in die DB Netz, RegioNetz, Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße, DB Fahrwegdienste, DB Netze Personenbahnhöfe, DB Netze Energie.

Seitdem verkommen die Bahnhöfe, der Regionalverkehr wird von den Ländern finanziert, die Züge werden unpünktlicher, die Infrastruktur der Schienen und der Fahrzeuge verkommt, das Personal fehlt. Die Bahn verwendet das flüssige Geld um international in Logistikunternehmen einzusteigen und hat mehr Schulden als je zuvor aufgehäuft.

Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag wollen als Medizin gegen diese Probleme den nächsten Schritt zur weiteren Privatisierung verordnen: Die Abspaltung des Schienennetzes in einer eigenen Gesellschaft.

Die Krise der Deutschen Bahn wurde also durch den neoliberalen Privatisierungswahn erzeugt und soll permanent durch noch mehr Privatisierung bekämpft werden. Der Arzt im obigen Beispiel würde seine Zulassung aufs Spiel setzen. Die Bahnmanager und Verkehrspolitiker kennen aber nur ein einziges Rezept für die Bahn, das sich schon mehrfach als falsch herausgestellt hat. Sie lassen sich für ihr Versagen mit Ansage Boni auszahlen.

In Großbritannien wurde der Betrieb von defizitären, aber für das Land notwendigen, privatisierten Bahnen vom Staat übernommen. Die Schulden der Bahn werden dort also übernommen, während die Gewinne von den Aktionären abgeschöpft werden.

Heute hat die deutsche "Monopolkommission" wieder die Abspaltung des Schienennetzes der Bahn gefordert. Verkehrsminister Wissing konnte auf den Koalitionsvertrag verweisen, in dem genau das geplant ist. Die Abspaltung hat auch schon einen Namen „InfraGo AG“. Das Schienennetz wird der Deutschen Bahn weggenommen, wobei das Zuckerl lautet, die Infrago sei gemeinwohlorientiert. Das hört sich gut an, bedeutet aber nur, dass der Staat die Infrastrukur für die privaten Betreiber des Bahnbetriebs bereitstellen soll, damit diese damit Profite machen können. Da die gleichzeitige Aussage fehlt, der Bahnbetrieb solle gemeinnützig sein, kann man davon ausgehen, dass in einem zweiten Schritt dieser privatisiert werden soll. Das Ganze dient also nicht der Verbesserung des Bahnangebotes, sondern nur der Trennung der Deutschen Bahn in privatisierte profitable Bereiche und vom Staat finanzierte unrentable Bereiche.

Nur nebenbei: Die Monopolkommission ist kein neutraler Berater der Bundesregierung, wie ihr offizieller Auftrag lautet, sondern ist eine vom Staat eingesetzte und bezahlte neoliberale Lobbygruppe, die nur aus Vertretern der Industrie bzw. ihnen verbundenen „Wissenschaftlern“ besteht. Ihre Ratschläge zu allen Wirtschaftsthemen lassen sich in dem einzigen Befehl zusammenfassen; „Privatisieren!“.

Für Carl Waßmuth, Sprecher von „Bahn für Alle“ und Vorstand der Trägerorganisation „Gemeingut in BürgerInnenhand“ geht mit dem Übergang des Schienennetzes zur „InfraGo“ die Entwicklung in die falsche Richtung: „Dass es riesige Probleme mit der Bahn gibt, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Aber auch was schlecht ist, kann noch schlechter werden. Mit der InfraGo drohen uns britische Verhältnisse. Die Einheit von Rad und Schiene würde zerstört, der Fernverkehr der Privatisierung preisgegeben. Statt die Bahn zu spalten, muss die ganze Bahn gemeinnützig werden.“

Jorinde Schulz, „Bahn für Alle“ und Sprecherin des Berliner Bündnisses „Eine S-Bahn für Alle“ ergänzt: „Nach einem Vierteljahrhundert Großversuch auf dem Rücken von Fahrgästen und Beschäftigten sehen wir: Der so genannte Wettbewerb auf Europas Schienennetzen ist gescheitert. Er hat das System Bahn nicht vorangebracht, sondern zurückgeworfen.“

In einer Kurzstudie von „Bahn für alle“ vom 9.06.2022 heißt es: „Wenn Staaten, Länder oder Kommunen den Betrieb ihrer Bahnen selbst übernehmen oder an ein öffentliches Unternehmen beziehungsweise einen öffentlichen Verkehrsverbund vergeben möchten, muss dies ohne Auflagen möglich sein. Ein Zwang zur Ausschreibung im Schienenverkehr und ÖPNV befördert schädliche Privatisierungen und ist abzulehnen. Öffentliche Infrastrukturen sollten öffentlich finanziert und gesteuert werden, die Pflicht der Europäischen Union zur Trennung von Netz und Verkehr im Schienenverkehr ist diesbezüglich kontraproduktiv. Entsprechend wäre auch Deutschland gut beraten, statt einer vertieften vertikalen Trennung der Bahn eine bessere politische Steuerung der Bahn vorzunehmen.“ [jdm]

Augen zu machen hilft nicht: Auch unsere Krankenhäuser sind gefährdet

Die Lokalpolitiker von SPD und CDU üben sich in Lokalpatriotismus und beschwören die Qualität der hiesigen Krankenhäuser. Die emsländische SPD ließ sich erzählen, dass das Krankenhaus Sögel weiterhin für die Grundversorgung zuständig bleibe. Am Emsland geht also die Misere der Krankenhäuser vorbei?

Gleichzeitig spricht aber die Deutsche Krankenhausgesellschaft von einer „Alarmstufe Rot“ und fordert ein Vorschaltgesetz zur Krankenhausreform. Konkret wird gefordert, die Sach- und Energiekostensteigerungen in den Jahren 2022 und 2023 müssten ausgeglichen werden. Es müsse ein Inflationsausgleich erfolgen, z. B. durch einen Rechnungszuschlag im Jahr 2023, Erhöhung der Budgets in der Psychiatrie/Psychosomatik und für besondere Einrichtungen und die zeitnahe und unbürokratische Auszahlung der Energiepreishilfen.

Die unzureichende Refinanzierung der Personalkosten und der Sachkosten muss beendet werden. Und die unzureichende Investitionskostenfinanzierung muss beendet werden. Auch das Land Niedersachsen verspricht viel, aber lässt die Substanz des Krankenhauswesens verkommen.

Der Krankenhaus Rating Report 2023, eine Datensammlung vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB), stellt in einer Projektion fest, dass der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich im Jahr 2023 auf 18 Prozent und bis 2030 auf 44 Prozent steigen könnte. Der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust würde 2023 auf 47 und bis 2030 auf 58 Prozent wachsen. Daraus würde ein enormer Anpassungsdruck entstehen.

Es ist nicht so, dass festgestellt wurde, die Krankenhäuser würden nicht gut arbeiten, sondern es wird festgestellt, dass die Arbeit der Krankenhäuser falsch bezahlt wird, was bei Krankenhäusern der Grundversorgung zur Pleite führt. Das ist schon seit Jahren durch das Fallpauschalensystem ein Grundfehler der Finanzierung; durch die Pandemie und die Inflation sind die Probleme der Krankenhäuser aber gleichzeitig und schlagartig ins Bewusstsein gerückt.

Ein Gesundheitsminister, der seine „Krankenhausreform“ einerseits als „Entökonomisierung“ des Krankenhauswesens bezeichnet, aber selbst gleichzeitig vor der Pleite von sehr vielen Krankenhäusern warnt, ist offensichtlich fehl am Platze. Seine Aufgabe wäre es, diese Pleiten abzuwenden.

Aber der Finanzminister Lindner und die gesamte Bundesregierung haben die Aufrüstung der Bundeswehr, der Nato und riesige Waffenlieferungen zur Fortsetzung des Kriegs in der Ukraine zur Priorität erklärt. Die Krankenhäuser werden somit direkt einer Kriegspolitik zum Fraß vorgeworfen.

Die Gesundbeterei hiesiger Politiker ist also vollkommen realitätsfern und spiegelt nur die Unterwürfigkeit von Parteisoldaten wider. Wer das Krankenhaus Sögel als Krankenhaus für die Grundversorgung erhalten will, muss sich jetzt gegen die Unterfinanzierung der Krankenhäuser und gegen  die Lauterbachschen Krankenhausschließungspläne wehren.

Das Bündnis Klinikrettung sammelt noch immer Unterschriften gegen Lauterbachs katastrophale Reformpläne. [jdm]

Genug ist nicht genug – Bundesnetzagentur hat Verständnis dafür, wenn die Post montags keinen Bock hat

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat eine respektable Karriere als Umweltminister und als Verbraucherschützer hinter sich. Leider ist er auch Mitglied der Grünen und als Präsident einer Behörde, die zum Verantwortungsbereich des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck gehört, muss er jetzt auch die neoliberale konzernhörige Wirtschaftspolitik seines Herrn gut heißen.

Die Bundesnetzagentur hat bisher immer die Forderungen der Deutschen Post nach Portoerhöhungen unterstützt. Und diese Tradition möchte Müller nur scheinbar nicht fortsetzen. Er sprach sich gegen eine Portoerhöhung aus, weil sich die Beschwerden der Kunden gegen die Post erhöht hätten. „Ob man in dieser Situation das Porto erhöht, muss man sorgfältig prüfen“, sagte Müller laut Ems-Zeitung.

Dass er hier irgendwann einknicken wird, ist angesichts der Haustradition sowieso ausgemacht. Aber viel wichtiger ist, dass er jetzt schon der Forderung des Chefs der Deutschen Post nach Einschränkung der Pflicht, den Universaldienst zu gewährleisten, nachgeben möchte. Im Postgesetz ist verankert, dass die Deutsche Post verpflichtet ist, die Postzustellung zu gewährleisten. Das wurde im Postgesetz verankert, als die Deutsche Post privatisiert wurde. Pflichten gefallen den Aktionären aber nicht. Müller spricht sich deshalb dafür aus, die Postzustellung am Montag könne entfallen. Das dient zwar nicht den "Verbrauchern", aber den Postaktionären. Und diesen fühlt sich der ehemalige grüne Verbraucherschützer offensichtlich heute mehr verbunden. Und seinem Chef Habeck vermutlich auch, der die Schleifung der Universaldienstleistungen, die die Post nach dem Gesetz und dem Grundgesetz leisten muss, in seinem Ministerium gerade vorbereitet.

Der Erhöhung des Portos wird Müller vermutlich demnächst sowieso zustimmen - wie es die Bundesnetzagentur bisher immer getan hat. Denn 8 Milliarden € Gewinn wie in diesem Jahr sind einfach nicht genug. [jdm]

Bund-Länder-Gesundheitsminister beschließen massenhafte Krankenhausschließungen

Video von Bündnis Klinikrettung

Die Bund-Länder-Beratung der Gesundheitsminister vom 23. Mai ergab keine substantiellen Veränderungen an Lauterbachs Reformvorschlägen. Die Level bleiben, nur wird die Zuordnung zu ihnen leicht gelockert. 689 von insgesamt 1.719 somatischen Krankenhäusern, also ganze 40 Prozent, werden entweder zu bloßen ambulanten Einrichtungen degradiert (Level 1i) oder es sind Fachkliniken (Level F), die nicht zur klinischen Allgemeinversorgung beitragen. Um diesen besorgniserregenden Auswirkungen der Reform entgegenzutreten, hat das Bündnis Klinikrettung eine Petition an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses im Bundestag und die MinisterpräsidentInnen der Länder gestartet.

Laura Valentukeviciute, Geschäftsführerin von Gemeingut in BürgerInnenhand: „Nach wie vor bedeutet die Krankenhausreform massenweise Krankenhausschließungen. Zudem bleibt unklar, wie viel die Länder bei der Krankenhausplanung mitentscheiden werden. Lauterbachs scheinbares Entgegenkommen bei den Leveln ist ein Täuschungsmanöver und die Länder machen es bereitwillig mit. Denn sowohl Laumann, Holetschek als auch ihren KollegInnen kommt es sehr gelegen, durch Schließungen Investitionsfördermittel für Krankenhäuser zu sparen. Nur will niemand dafür verantwortlich sein. Deswegen gibt es einerseits den Scheinwiderstand der Länder gegen die Reform und andererseits das Scheinentgegenkommen von Lauterbach. Am Ende wollen sie alle das gleiche – Krankenhausschließungen.“ Auch das Land Niedersachsen investiert im Jahr statt benötigter zwei Milliarden Euro in Wirklichkeit nur 150 Millionen Euro, kritisierte der Verwaltungsdirektor des Ludmillenstiftes Meppen, Jan-Henning Stoffers, wie die Ems-Zeitung berichtete.

Laut der Reform wird die zukünftige Krankenhausplanung von der Ausgestaltung der Leistungsgruppen und der Zuordnung von Kliniken zu Leveln abhängen. Mit dieser Aufgabe hat Lauterbach die Unternehmsberatungen Oberender AG und BinDoc beauftragt, die außerdem für das Bundesgesundheitsministerium eine Auswirkungsanalyse der Krankenhausreform erstellen sollen. Ein Vorstandsmitglied und eine Beirätin der Oberender AG sind bzw. waren beruflich mit der Rhön-Klinikum AG verbunden. Auch Lauterbach selbst war dort Aufsichtsratsmitglied. Für die Stiftung des Rhön-Kliniken-Gründers Eugen Münch fertigte die Oberender AG inmitten der Pandemie zusammen mit Prof. Dr. Boris Augurzky eine Studie an, die Klinikschließungen empfahl. Derselbe Boris Augurzky sitzt nicht nur im Vorstand der Münch-Stiftung, sondern auch als Experte in Lauterbachs Regierungskommission zur Krankenhausreform.

Dazu Jorinde Schulz, Sprecherin Bündnis Klinikrettung:  „Die Entscheidung über Krankenhauslevel und Leistungsgruppen ist Bestandteil der Krankenhausplanung und damit eine ureigene Aufgabe der öffentlichen Hand. Sie sollte Gegenstand breiter, öffentlicher Debatte sein. Stattdessen beauftragt Herr Lauterbach zwei Beraterfirmen mit Verbindungen zu einem der größten Krankenhauskonzerne Deutschlands und Kunden aus der Pharmaindustrie. Dass er gleichzeitig davon spricht, eine „Entökonomisierung“ im Krankenhauswesen anzustreben, ist blanker Hohn.“

Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R., Mitbegründer der "Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern" kritisiert, dass Kliniken sind nicht isoliert zu betrachten seien, sondern als Teil eines Netzes der Gesundheitsversorgung. Die aktuelle Reform sei von GesundheitsökonomInnen vorbereitet worden, die Kliniken als Einzelunternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachteten. Sie hätten keine Ahnung, wie die Gesamtstrukturen auf dem Land funktionieren. Deswegen werde in dieser Reform bundeseinheitlich diktiert, basierend auf Statistiken, ohne Rücksicht auf die Spezifika vor Ort.

Klaus Emmerich weiter: „Sowohl Lauterbach als auch seine MinisterkollegInnen gehen die Ursachen der Misere nicht an. Viele Probleme wären gelöst, wenn wir die Fallpauschalenfinanzierung abschaffen und mit der Selbstkostendeckung ersetzen, sowie die Renditen in Krankenhäusern begrenzen würden. Es ist ein Skandal, dass es verschwiegen wird: Für die Abrechnung komplexer DRG-Fallpauschalen sitzen jährlich 145 Tausend klinische MitarbeiterInnen am Computer, statt sich um die Behandlung der PatientInnen zu kümmern. In Zeiten akuten Personalmangels ist dies schlicht und einfach inakzeptabel.“ [PM/jdm]

Winfried Wolf verstorben – Gegen Bahnprivatisierung und für Frieden

Der Autor und Politiker Winfried Wolf ist tot. Er erlag am Montag in einem Berliner Krankenhaus 74jährig einer schweren Krankheit. Er engagierte sich über Jahrzehnte für die Überwindung der »Autogesellschaft« sowie gegen die Privatisierung und Profitorientierung der Bahn. Sein Buch "Eisenbahn und Autowahn" erschien schon 1986.

Die Stellungnahmen gegen die Zerstörung der Deutschen Bahn durch Privatisierung und Vernachlässigung, die von ihm mitverfasst und über die Initiativen »Bahn für alle« und »Bürgerbahn statt Börsenbahn«. veröffentlicht wurden, wurden auch auf Hallo-Wippingen.de häufig zitiert und verlinkt.

Mit der Zeitung gegen den Krieg war er auch aktiv im Kampf für Frieden. [jdm]

Portoerhöhungen und der Angriff auf die Dienstleistungen für die Bürger

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 87f, (1) heißt es: "Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen."

Daraus folgt, dass der Bund den Postuniversaldienst gewährleisten muss. Inhalt und Umfang der Grundversorgung (Universaldienst) mit postalischen Leistungen regelt die Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV). Die Deutsche Post AG hat sich verpflichtet, die gesetzlich geforderte Grundversorgung sicherzustellen.

Das war der Deal, als die Deutsche Post in den 1990er Jahren privatisiert wurde und somit Aktionären die Möglichkeit gegeben wurde, mit den Grundbedürfnissen der Bürger Geld zu verdienen. Der oben genannte Grundgesetzartikel war somit als Minimum gedacht, nachdem sich der Staat im Interesse privater Profite von seiner Verantwortung gelöst hatte.

Heute berichteten die Medien, dass die Deutsche Post AG, die gerade auf ihrer Hauptversammlung am 4. Mai von 8 Mrd. € Überschüssen berichtet hatte, bei der Bundesnetzagentur die Erhöhung der Portogebühren beantragt hat.

Statt auf ein Missverhältnis zwischen Gewinnen und dem Verlangen nach noch mehr Gewinnen hinzuweisen, verlangte der Kommentator in der heutigen Ems-Zeitung (NOZ) gleich, das Grundgesetz zu vergessen und die Universaldienstleistungen gleich ganz abzuschaffen. Jeder könne doch E-Mails schreiben; was solle also dieser Briefverkehr. Das koste dann ja gar nichts. Und jeden Tag die Post zu bringen, sei auch überflüssig. In Dänemark werde die Post nur noch einmal pro Woche zugestellt; die Briefsendungen seien drastisch gesunken. Kein Wunder!

Yannik Jessen gibt damit Eins zu Eins die feuchten Träume der Postaktionäre wieder. Ob das unbedingt die Träume der Verbraucher und Bürger sind, interessiert ihn nicht weiter. Der Postvorstand hatte auf der Hauptversammlung zum Angriff auf die Universaldienstleistungen geblasen: Habecks Bundeswirtschaftsministerium hat bereits ein Eckpunktepapier erstellt, wie den Aktionären ihre Wünsche erfüllt werden können und der Bevölkerung das als Modernisierung verkauft werden kann (wir berichteten).

EZ-Kommentator Jessens Privatisierungsmodell lässt sich noch weiter entwickeln: Wenn in öffentlichen Krankenhäusern nur noch an einem Tag in der Woche ein Arzt zu erreichen ist, prophezeie ich einen drastischen Rückgang der Patienten. Das würde enorm Geld sparen, sogar, wenn die Arzthonorare und Medikamente verteuert werden. Wenn die Wasserwerke nur noch eine Stunde pro Tag Wasser in die Leitungen lassen, prophezeie ich ein sehr großes Einsparpotential bei den kommunalen Wasserwerken und man würde die Erhöhung der Wassergebühren praktisch nicht mehr spüren. [jdm]

Deutsche Post: Rekordgewinne, aber Ankündigung von Erhöhung der Postgebühren

Screenshot Hauptversammlung Deutsche Post 2023

Die Ems-Zeitung berichtete heute ganz klein, die Deutsche Post erwäge wegen deutlich gestiegener Kosten, ein Verfahren zur vorzeitigen Erhöhung des Briefportos anzustoßen. Man prüfe, ob gewisse Parameter erfüllt seien, und werde dann entscheiden, sagte Post-Vorstand Tobias Meyer gestern.

In den Börsenberichten auf der anderen Wirtschaftsseite schreibt die Ems-Zeitung lapidar: "Besser als erwartet fielen die Geschäftszahlen der Deutschen Post aus, die Aktien stiegen um 1,1 %".

Die Hauptversammlung der Deutscchen Post hat heute beschlossen, für das Geschäftsjahr 2022 eine Dividende von 1,85 € je Aktie (Vorjahr: 1,80 €) auszuschütten. Im Geschäftsbericht heißt es: "So haben wir auch 2022 hervorragende Ergebnisse erzielt: Dank unseres starken Auslandsgeschäfts verbesserte sich der Umsatz auf 94,4 Milliarden Euro, und das Konzern-EBIT erreichte mit 8,4 Milliarden Euro eine neue Bestmarke. Entsprechend gut ist es um unsere Finanzlage bestellt. Sie ermöglicht es uns unter anderem, unser Aktienrückkaufprogramm um bis zu 1 Milliarden Euro aufzustocken. Das Gesamtvolumen steigt entsprechend auf bis zu 3 Milliarden Euro bis Ende 2024."

Die Deutsche Post hat also satte Gewinne eingefahren und der Aktienrückkauf hat den Wert der Aktien steigen lassen. Der neue Chef der Deutschen Post Meyer schlug die außerplanmäßige Erhöhung des deutschen Briefportos vor, da »eine viel zu niedrige Inflation angenommen« worden sei. Unter diesen Umständen sollte man als Bürger eine Portoerhöhung vielleicht nicht einfach so hinnehmen, sondern als das betrachten, was sie ist: Ein Abzocken der Verbraucher.

Die Deutsche Post AG ist ein Konzern mit etwa 600.000 Beschäftigten in über 220 Ländern. Die Anteilsbesitzliste der Post ist 23 Seiten lang. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit werden die Beschäftigten in den Paketdiensten ausgebeutet und verheizt. In Kentucky/USA hat sich die DHl mit allen Mitteln, wie wir sie hier vor allem von US-Firmen kennen, gegen die Etablierung von Gewerkschaften gewehrt (Union Busting).

"Nun hoffen wir auf ein zukunftsfähiges neues Postgesetz, mit dem wir auch in Deutschland dauerhaft wirtschaftlich operieren können." Mit diesem Satz seiner Rede vor der Hauptversammlung gibt der bisherige Postchef Frank Appel dem Wirtschaftsminister Habeck den Befehl, die vom Grundgesetz garantierten Post-Universaldienstleistungen zu schleifen und das Postgesetz für die reine Gewinnmaximierung umzuschreiben (wir berichteten am 1.02.2023). Und Habeck ist ja auch schon - wie das Eckpunktepapier des Ministeriums zeigt - dabei, den Post-Aktionären ihre Wünsche zu erfüllen. {jdm]

Postreform: „Weniger Leistung zum selben Preis“

Unabhängig von den derzeitigen Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Post, bei der die Postler etwas von den milliardenschweren Gewinnen des Unternehmens erstreiken wollen, plant das Bundeswirtschaftsministerium derzeit eine Postreform.

Wir erinnern uns: Bei der Postreform 1989 wurde die Deutsche Bundespost im ersten Schritt in drei getrennte Unternehmen gespalten, dem Postdienst, der Telekom und der Postbank. 1994 wurden dann die drei Unternehmen privatisiert. Und 1996 wurde folgerichtig das Bundespostministerium abgeschafft und eine Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur, geschaffen. Diese Behörde sollte die Lizenzen vergeben, den Universaldienst sicher stellen und die begrenzten Ressourcen bewirtschaften, sprich verpachten oder verkaufen.

Die Begründung für diese Reform war angeblich der technische Fortschritt, aber tatsächlich war die neoliberale Idee dahinter, den Staat in allen Belangen zurück zu drängen. Bei der Post ging es um eine Form der öffentlichen Daseinsvorsorge, die auch mit öffentlichen  Ressourcen (Frequenzen, Straßen und Wege, Monopolstrukturen) arbeitete, die aber in private Hände gegeben werden sollten und nach dem reinen Profitgedanken funktionieren sollte.

Seitdem hat sich der Postdienst aus der Fläche gezogen und ihre abgespeckten Dienstleistungen werden von Agenturen in Supermärkten und Kiosken übernommen. Die offiziellen Postfilialen sind personell meist so schlecht ausgestattet, dass sie nicht wegen ihrer Leistungen, sondern eher wegen der überbordenden Schließungszeiten auffallen.

Die Telekom hat ein ähnliches Konzept; eine echte Beratung mit Lösung von praktischen Problemen ist vor Ort nicht verfügbar; die offiziellen Beratungsangebote sind weit entfernt und überlaufen. Die Telekom-Agenturen sind reine Verkaufsbuden, deren Kompetenzen kaum über denen eines Online-Kunden liegen.

Die Postbank als heutige Unterabteilung der Deutschen Bank für Arme hat mit der früheren Postbank nur den Namen gemeinsam.

Die jetzige Postreform will jetzt die letzten Reste einer Post für die Bürger ausmerzen. Die Bürger wollen ihre Post möglichst schnell transportiert haben, also das, was sie schicken, soll auch am nächsten oder übernächsten Tag beim Absender ankommen. Umgekehrt möchte man die Post auch schnell bekommen, wenn man eine erwartet. Aber so etwas wollen die Aktionäre der Post nicht, denn das kostet nur Geld. Es sei denn, der Bürger zahlt extra: Wer seine Post im heute noch üblichen Tempo haben will, soll halt eine Extragebühr bezahlen – wie das heute bei Amazon Prime der Fall ist. Das nennt sich das „Premiumprodukt für einen schnelleren Versand“.

Das Gesetzesvorhaben sieht deshalb vor, die aktuellen Laufzeitvorgaben, dass 80% der Briefsendungen im Jahresdurchschnitt am nächsten Werktag und 95% am übernächsten Werktag zugestellt werden müssen, zu verringern. Diese Vorgaben seien kaum hilfreich. Wörtlich heißt es im Eckpunktepapier des Ministeriums; „Denn der Absendende weiß nicht, ob sein Brief zu den 80% gehört oder nicht. Stattdessen könnten Vorgaben mit längeren Laufzeiten und höherer Verbindlichkeit den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer in höherem Maße entsprechen und gleichzeitig eine nachhaltigere Erbringung des Universaldienstes ermöglichen. Eine effektive Sendungsverfolgung kann die Transparenz für die Nutzerinnen und Nutzer erhöhen und die Bundesnetzagentur bei der Überwachung von Laufzeitvorgaben unterstützen.“

Diese Begründung ist absoluter Nonsens: Ein Patient kann auch nicht beurteilen, ob der Arzt das Richtige im Bauch wegschneidet. Also kann man nach der Logik des Ministeriums den Arzt machen lassen was er will. Er sollte aber wegen der Transparenz alles auf Video dokumentieren, was er falsch macht.

Überhaupt: Transparenz, Sendungsverfolgung und Nachhaltigkeit sind wiederkehrende Stichworte. Denn die offizielle Begründung für die Postreform ist wieder der technische Fortschritt, sprich die Digitalisierung. Wer will, kann heute schon z. B. bei GMX die Briefankündigung aktivieren. Dann weiß er, dass die Krankenversicherung einen Brief abgeschickt hat und ärgert sich dann 10 Tage, weil die Post immer noch nicht gekommen ist. Und?

Letztlich geht es darum, alle Ansprüche der Bürger an die Post zu tilgen, und die Postdienste einem unregulierten Markt zu überlassen. Wer etwas abseits wohnt, kann der die Post nicht selbst irgendwo abholen? Und überhaupt: Soll er doch digitale Briefe schreiben, dann braucht es überhaupt keinen Postboten mehr! Nachsendeanträge? Schon heute ist es schwierig, zu verhindern, dass die Post nach einem Umzug im Müll landet, weil viele Absender eben nicht die Deutsche Post nutzen, sondern deren Konkurrenz.

Die vielen einzelnen Themen des Eckpunktepapiers beschäftigen sich nicht damit, wie die Dienstleistungen für den Bürger gesichert werden können, sondern der „faire“ Marktzugang steht im Zentrum der Postreform. Es geht nur um die Regelung der Konkurrenz zwischen den verschiedenen Post- und Paketdiensten und anderen Logistikunternehmen.

Dazu gehört, dass die Universaldienstleistungen – also die Post für den Bürger – wie bei der Bahn der Regionalverkehr – in den einzelnen Regionen ausgeschrieben werden. Für die Stadtgebiete finden sich dann schnell die großen Bewerber; für die Landgebiete bekommen dann vielleicht andere Bewerber, deren Geschäftsmodell auf erhöhter Ausbeutung der Beschäftigten beruht, den Zuschlag. Die Post wird bestimmt nicht schneller, wenn ein Flickenteppich von regionalen Postdiensten die Post von München nach Wippingen transportiert. Die Schneckenpost bleibt dann kein Kinderbuchbild, sondern wird Realität.

Natürlich wird der Universaldienst dann vom Staat bezahlt. Anders als heute, wo es für kleine unrentable Bereiche eine Quersubventionierung aus den profitablen Bereichen gibt, wird der gesamte unprofitable Bereich vom Staat übernommen und bezahlt. Allein das ist schon einen Dujardin wert, wird sich der Aktionär sagen. Oder besser die großen  Schattenbanken, wie Blackrock, die auch hier den „Aktien-Streubesitz“ besitzen und höhere Renditen verlangen.

Bei der Bahn hat die Privatisierung und die Aufspaltung der Bahn in Regionalgesellschaften nichts verbessert. Die Infrastruktur wurde nicht ausgebaut oder instand gehalten, sondern es wurde auf Verschleiß gefahren. Die dadurch erhöhten Kosten bei Verschlechterung der Leistungen muss der Staat tragen. Genau so wird auch die Postreform wirken.

Dass es sich bei der Postreform um ein Projekt des von einem Grünen geleiteten Wirtschaftsministeriums handelt, erkennt man an dem inflationären Gebrauch der Wörter „Transparenz“ und „Nachhaltigkeit“ in dem Eckpunktepapier. Dass die Logistikkonzerne das Papier geschrieben haben, ist an den Wörtern „Marktzugang“ und „Digitalisierung“ zu erkennen.

Noch wird diese Postreform nicht von allen Bundestagsabgeordneten gutgeheißen. Die Linke spricht sich dagegen aus, aber auch Abgeordnete der SPD und der CSU sprechen davon, dass die Postreform „weniger Leistung zum selben Preis“ bedeute.

Einige Sprachregelungen für die Verschlechterungen gibt es schon. Dass die Briefe länger unterwegs sind, heißt dann „Die Post bekommt mehr Zeit für die Briefzustellung“ oder „Wenn sich Kunden auf längere Laufzeiten einlassen, könnte die Post ihnen eventuell beim Porto entgegen kommen“, also nur die Post, die so schnell wie heute ist, wird verteuert. Oder „das Klima würde profitieren, weil Nachtflüge unnötig würden und die Briefe auch mit der Bahn durch Deutschland reisen könnten“. Lesen Sie zur Vorbereitung noch einmal George Orwells dystopischen Roman „“1984“, wo der Neusprech beschrieben wird, mit dessen Sprachplanung sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt und die Freiheit des Denkens aufgehoben werden.

Unsere hiesigen Abgeordneten, die sich gerne als Kümmerer darstellen und sich schnell beschweren, wenn es mal wieder einen Postkasten oder eine Poststelle weniger gibt und deren Protest normalerweise mit dem Halbsatz „Es kann doch nicht sein, dass …“ beginnt, sollten erkennen, dass es doch sein kann, wenn man zuvor öffentliche Strukturen erbarmungslos zerschlägt. [jdm]

Lauterbachs „Revolution“ lässt Krankenhäuser weiter sterben

Heute wurde Gesundheitsminister Lauterbach in der Tagesschau wieder die Möglichkeit gegeben, sich in Szene zu setzen. Er habe die Abzockerei bei den PCR-Tests gestoppt.

In den letzten Wochen wurden seine Pläne zur Rettung der Krankenhäuser von der Presse ähnlich wohlwollend referiert. Neun gesundheitspolitische Initiativen kritisieren dagegen gemeinsam Lauterbachs vermeintliche Revolution. Die bisher beschlossenen Maßnahmen wie auch die Vorschläge der Regierungskommission seien weder bedarfsgerecht noch ausreichend.

Denn die "Reform"-Vorschläge halten am System der Fallpauschalen fest und wollen dieses lediglich durch Pauschalen ergänzen. Die ökonomischen Anreize, Profite mit Gesundheit zu machen, bleiben bestehen. Die angekündigte „Überwindung des Fallpauschalensystems“ und eine “dramatische Entökonomisierung der Krankenhausversorgung” sind nach wie vor nicht in Sicht. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Initiativen eine tatsächliche Reform statt Etikettenschwindel:

  • Orientierung an Bedarfsgerechtigkeit
  • Gemeinwohlorientierung und Gewinnverbot
  • Stopp der Privatisierung
  • Abschaffung des DRG-Fallpauschalensystems
  • Kostendeckung in der Krankenhausfinanzierung
  • Verbindliche Personalschlüssel für alle Bereiche im Krankenhaus
  • Demokratisierung von Krankenhausplanung und Steuerung

Den Wortlaut der Erklärung und der Forderungen finden Sie hier.

Die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) hat 123 von 167 Kliniken im Land befragt. Die Ergebnisse für das zurückliegende Jahr 2022 zeigen, dass vier von fünf Kliniken (81,5 %) in Niedersachsen in ihrer Existenz bedroht sind.

Selbst Kliniken, die seit Jahrzehnten stets wirtschaftlich gesund waren, geraten aktuell in eine dramatische finanzielle Schieflage. Die wirtschaftliche Existenz und damit der Fortbestand nahezu aller Krankenhäuser ist substanziell gefährdet. Dies geht mit erheblichen Risiken für die Sicherstellung der flächendeckenden stationären Versorgung einher. Die angekündigten Hilfen in Höhe von bundesweit 6 Milliarden Euro werden die Lage in den Krankenhäusern nicht entscheidend verbessern. 4,5 Milliarden Euro sind zum Ausgleich für die steigenden Energiepreise und 1,5 Milliarden Euro für inflationsbedingte Kostensteigerungen vorgesehen. Der Bedarf in den Krankenhäusern ist mit Blick auf die Größenordnungen jedoch genau umgekehrt.

Auf die Umsetzung der angekündigten Krankenhausstrukturreform zu warten, ist dem NKG-Vorsitzenden zufolge keine Option. Bis dahin werden viele Kliniken längst in die Insolvenz gegangen sein. Denn im Gegensatz zu anderen Branchen können und dürfen Krankenhäuser die aktuell massiven Kostensteigerungen für Energie, medizinische Produkte, Medikamente sowie Lebensmittel und viele weitere Dienstleistungen nicht über höhere Preise ausgleichen. Das sehe das starre System der Krankenhausfinanzierung nicht vor.

Bevor der Strukturwandel planvoll und systematisch umgesetzt werden könne, müsse zunächst die völlig marode Finanzierungsbasis korrigiert werden. „Die aktuell geplante Umverteilung des Mangels wird zu keiner Verbesserung führen, sondern die Lage nur verschlimmern, sagte Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG, in einer Pressemitteilung.

Das Papenburger Marienhospital befindert sich derzeit in einem Schutzschirmverfahren, also einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Das Krankenhaus gehört neben dem Sögeler Hümmlinghospital, dem Bonifatius Hospital Lingen und dem Borromäus Hospital Leer zur kirchlichen St. Bonifatius Hospitalgesellschaft. Vom Träger bzw. der Geschäftsleitung des Krankenhauses in Papenburg gab es bisher noch keine öffentliche Äußerung, wie und ob das Krankenhaus seine Krise in der allgemeinen Krankenhauskrise bewältigen will und kann. [PM Gemeingut in BürgerInnenhand/PM NKG/jdm]

Die Krankenhausfinanzierung ist krank

Heute stand es in allen Zeitungen: die Kinderkliniken sind überlastet. Angeblich ist ein Virus schuld: das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach klagt laut NOZ von heute: Die Nachrichten seien „sehr besorgniserregend“. „Wir werden mit einer Situation konfrontiert, wo in Deutschland weniger als 100 Intensivbetten für Kinder zur Verfügung stehen.“

Vergessen hat er mitzuteilen, dass diese Situation ein vorhergesagtes Ergebnis des geltenden Krankenhausfinanzierungssystems ist, das gerade Lauterbach maßgeblich mit erzeugt hat. Im August 2022 hatte die von Lauterbach eingesetzte Regierungskommission sich in ihren Empfehlungen nicht für die Abschaffung der Fallpauschalen ausgesprochen, sondern nur für kurzfristige zusätzliche Gelder, die unabhängig davon gezahlt werden sollen. Ein Vorschlag sieht vor, dass das Geld nach Regionalbudgets verteilt werden soll, bei denen entscheidend ist, wie groß die zu versorgende Bevölkerung ist. Damit will die Bundesregierung im Interesse der großen Krankenhauskonzerne das Gesundheitssystem weiter dem freien Markt überlassen.

Die Fallpauschalen bedeuten für die Krankenhäuser eine dauerhafte Unterfinanzierung. Sie bekommen nämlich nicht ihre Ausgaben für die Behandlungen ersetzt, sondern pro „Fall“ eine Pauschale, so wie in der Autowerkstatt ein Ölwechsel einen festen Preis hat. Gestaltet sich der „Fall“ etwas komplizierter, hat das Krankenhaus Pech gehabt. Oder das Krankenhaus spezialisiert sich von vornherein auf gut planbare und sehr teure Eingriffe. Dann lässt sich viel Geld verdienen, wie die privaten Krankenhauskonzerne zeigen.

Aber genau das können die Allgemeinkrankenhäuser natürlich nicht, weil sie für alle Krankheitsfälle in ihrem Versorgungsgebiet verantwortlich sind. Sie müssen Notfälle annehmen und dafür auch die Betten freihalten – die als freie Betten natürlich kein Geld einbringen.

Das gilt besonders in der Kinderheilkunde und bei der Geburtshilfe, wo die „Fälle“ sehr individuell gestaltet sind und ein großer Gesprächs- und Betreuungsbedarf bei den Kindern, Eltern und werdenden Müttern besteht. Meist handelt es sich um Notfälle. Es müssen also die Behandlungskapazität und die Betten vorgehalten werden, obwohl es auch zeitweise zu Leerstand kommen kann. Wirtschaftlich ist das mit dem Fallpauschalensystem nicht machbar.

Das RSV-Virus hat also die durch die Profitlogik erzeugte Knappheit von Betten in Kinderkliniken nur zu einem Notstand verschärft. Aber Kinder wurden bisher schon auf der Suche nach einem freien Bett in weit entfernte Kliniken verfrachtet.

Der Deutsche Hebammenverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und weitere sieben Fachverbände hatten deshalb im August schon die Empfehlungen der Regierungskommission in einem Offenen Brief kritisiert.

Auch die Probleme des Marien Hospitals Papenburg Aschendorf, das sich einem Schutzschirmverfahren (Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung) unterworfen hat, sind dieser dauerhaften Unterfinanzierung geschuldet. In Veröffentlichungen wird auf frühere Schulden des Krankenhauses verwiesen, die jetzt noch drückten. Das mag sein, aber bei einer „Marktbereinigung“ trifft es immer zuerst das Unternehmen mit einem besonderen Problem, bevor das nächste Unternehmen dran glauben muss.

Das Problem besteht darin, dass Krankenhäuser Profit abwerfen müssen, statt als Einrichtung der Daseinsvorsorge einfach die Kosten ersetzt zu bekommen. Bisher ist niemand auf die Idee gekommen, dass Schulen und die Polizei Profite erwirtschaften müssen, obwohl private Sicherheitskonzerne und Bildungskonzerne schon lange dafür Werbung machen. In der Gesundheitsversorgung muss dieser Zwang zum Profit wieder abgeschafft werden. Lauterbach, der sich in seiner Karriere stets für Privatisierungen aller Art in der Sozialpolitik eingesetzt hat, und den Plan verfolgt, hunderte Krankenhäuser zu schließen, ist der Bock als Gärtner, und er wird die Krankenhausmisere sicher nicht bekämpfen können. [jdm]

So ändern sich die Zeiten: Grüne jetzt auch für CETA – Am Donnerstag soll Bundestag beschließen

In zwei Tagen will die Ampelkoalition CETA, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, ratifizieren. Die meisten Grünen waren – als sie noch in der Opposition waren – gegen CETA. Nun regieren sie gemeinsam mit FDP und SPD und handeln Kompromisse aus. Parlamentarisch ist CETA in Deutschland somit nicht mehr aufzuhalten.

Bislang wird CETA nur vorläufig angewandt, also ohne die Paralleljustiz durch private Schiedsgerichte und die undemokratischen CETA-Ausschüsse. Erst wenn alle Mitgliedsstaaten den Vertrag unterschrieben haben, treten diese in Kraft. Derzeit fehlen außer Deutschland noch elf weitere Länder, sowie die EU und Canada.

Vor zwei Wochen hat der irische Oberste Gerichtshof entschieden, dass die Ratifizierung von CETA verfassungswidrig ist. Laut dem Gericht verletzen die Investorengerichte die Souveränität, die Unabhängigkeit und die Funktion der eigenen irischen Gerichte. Das Gericht hielt aber auch fest: Wenn das Parlament das irische Gesetz zu Schiedsgerichten in einer bestimmten Weise ändert, darf CETA doch verabschiedet werden.

Die EU Kommission verhandelt – auf Initiative der Bundesregierung – derzeit mit Kanada eine Interpretationserklärung in Bezug auf die Schiedsgerichte in CETA. Ein Ziel dieser Erklärung ist, die möglichen Klagegründe für Konzerne einzuschränken. Vor allem der „Schutz“ der Investoren vor indirekter Enteignung (Annex 8-A CETA) und ihre gerechte und billige Behandlung (Artikel 8.10.2 CETA), wurden bislang oft von Schiedsgerichten benutzt, um Konzernen Milliardenzahlungen als Schadenersatz zuzusprechen.

Die finale Formulierung liegt noch nicht vor, aber in der letzten veröffentlichten Version werden die Klagegründe zwar nicht abgeschafft, aber deutlich eingeschränkt. Die Erklärung soll vom gemeinsamen CETA-Ausschuss verabschiedet werden. Prof. Markus Krajewski schätzt die Rechtsverbindlichkeit dieses Vorgehens so ein: „Beschlüsse des Gemischten Ausschusses sind gleichwohl völkerrechtlich verbindlich und daher von den CETA-Gerichten nicht nur als bloße unverbindliche Auslegungshilfen zu berücksichtigen, sondern als verbindlich zu beachten. Es handelt sich der Form nach somit um eine verbindliche Vertragsauslegung.“

Fazit: Schiedsgerichte werden nicht abgeschafft, dazu wären Neuverhandlungen von CETA notwendig, aber es gibt weniger Mißbrauchsmöglichkeiten. ­

Die Ratifizierung im Bundestag soll in zwei Tagen stattfinden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bis heute keine verbindlichen Entwürfe vorliegen. Entweder werden sie mit heißer Nadel gestrickt oder zurückgehalten. Der völlig unnötige Termindruck verhindert demokratische Kontrolle.­

Wenn die Unterlagen vorliegen, will der Verein Mehr Demokratie e.V. laut einer Pressemitteilung von heute "unter Hochdruck entscheiden, ob wir eine erneute CETA Verfassungsbeschwerde einreichen oder nicht." [Mehr Demokratie e.V./jdm]

Gastbeitrag im Spiegel: CETA hebelt Demokratie aus

Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck haben in Kanada versprochen, dass das Freihandelsabkommen CETA möglichst bald ratifiziert werden solle. Über die Aushebelung der Demokratie durch dieses Abkommen hat Hallo-Wippingen schon seit Jahren berichtet, zuletzt am 16. März 2022.

In der Opposition hatten sich die Grünen noch (zum Teil) gegen CETA ausgesprochen. Der Spiegel brachte jetzt einen Gastbeitrag des grünen Agrarpolitikers und MdBs Karl Bär, den er zusammen mit der ehemaligen Vorsitzenden der kanadischen Grünen, Elizabeth May, verfasste, in dem er den von 2009 bis 2014 verhandelten Vertrag als völlig aus der Zeit gefallen bezeichnet, weil vor allem kein Bezug zum Pariser Klimaabkommen gegeben ist.

Die AutorInnen kritisisieren besonders, dass im Rahmen des Abkommens vereinbarte Ausschüsse und Kooperationsforen neue Gesetze einer Handelsverträglichkeitsprüfung unterziehen, noch bevor Parlamente und Presse sie diskutieren können. Ceta stelle den internationalen Handel über die Interessen der Menschen, den Schutz der Umwelt und demokratische Prozesse. [jdm]

Ukraine-Krieg oder schon 3. Weltkrieg? – 3/5 Eine Kette von Kriegen seit 1992

In einem fünfteiligen Essay versuchen wir darzustellen, worum es im Ukraine-Krieg derzeit geht und dass wir uns vielleicht schon im 3. Weltkrieg befinden. Im ersten Teil hatten wir beschrieben, dass die Situation nicht mit 1914 vergleichbar ist, weil die multinationalen Konzerne nicht mehr im Rahmen der Nationalstaaten miteinender konkurrieren. Im zweiten Teil beschrieben wir, wie die Übernahme der ehemaligen Ostblock-Staaten und der Umbau der Wirtschaftspolitik in den westlichen Staaten den Kapitalismus stabilisierten.

Die wirtschaftliche Einverleibung der ehemals sozialistischen Staaten und die neoliberale Ausrichtung der westlichen Staaten an einem unbeschränkten Markt mit Sozialabbau und Privatisierungen hatten den Westen vor einer Wirtschaftskrise gerettet. Hier waren jetzt Grenzen erreicht, doch das ständige Wachstum war weiter erforderlich. Die Globalisierung dieses freien Marktes mit Exportüberschüssen gegenüber abhängigen Staaten sollte das ewige Wachstum garantieren.

Umso empfindlicher reagierte der Westen auf jeden Versuch, sich der Ausbeutung zu entziehen. In Jugoslawien mit seinem Selbstverwaltungssozialismus war die Wirtschaftskrise auch angekommen und sie führte zu Auseinandersetzungen zwischen den Teilrepubliken. Die Nato nutzte diese Situation in den 1990er Jahren, um in Jugoslawien einen Testballon starten zu lassen, ob es dem Westen möglich ist, einfach einen Staat nach seinen Wünschen zu gestalten. Deutschland erkannte die Unabhängigkeit Kroatiens sofort an (was genauso rechtswidrig war, wie die Anerkennung der Unabhängigkeit des Donbass in der Ukraine durch Russland) und leitete damit die Zerschlagung Jugoslawiens ein. Die Nato und auch Deutschland scheuten nicht vor dem ersten kriegerischen Überfall in Europa nach 1945 zurück.

Seit 2001 wurden im Nahen Osten alle Länder, die sich aus der Abhängigkeit des Westens erheben wollten, unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung mit Krieg oder mit Regime-Changes überzogen. Um den widerständigen Iran zu schädigen, wurde der Irak unter Saddam Hussein von den USA für einen Krieg gegen den Iran aufgerüstet. Im zweiten Schritt wurde der Irak selbst zerstört.

Bei den so genannten Farbrevolutionen in Libyen, Ägypten, Syrien und Tunesien, wo sich demokratische Bewegungen für Veränderungen im Land einsetzten, wurden diese von den USA und wechselnden Koalitionen von Nato-Staaten mit geheimdienstlichen Mitteln durch gewalttätige Gruppen instrumentalisiert, um Vorwände für militärische Interventionen zu schaffen. Diese brachten für die Bevölkerungen nur Enttäuschungen, noch reaktionärere Regime und Kriege. Unter dem Vorwand Demokratie und Wohlstand zu bringen, zerbombte die westliche „Gemeinschaft“ ein Land nach dem anderen, um deren Wirtschaft und Bodenschätze übernehmen zu können.

Die Unabhängigkeit, nach der diese Länder gestrebt hatten, war nicht immer eine, die den Menschen ein besseres Leben gebracht hätte, sondern meist hätte sie nur der einheimischen Bourgeoisie geholfen. Aber dieses Streben stand dem Expansionsdrang des Westens im Weg, deshalb musste es bekämpft werden. Demokratische Bewegungen in der Welt haben keine Chancen mehr, weil die westlichen Staaten jede dieser Bewegungen sofort für ihre Interessen instrumentalisieren.

Die Kriegsführung der Nato hat sich analog zur Wirtschaftsentwicklung verändert. Alle Kriege des Westens waren multinational, auch im Jemen herrscht derzeit kein Bürgerkrieg, sondern neben Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Iran, sind Ägypten und die Nato-Staaten, auch Deutschland, zumindest mit Waffenlieferungen beteiligt. Die Kriege wurden mit Hilfe von Technik industrialisiert und zum Teil ferngesteuert. Eine Arbeitsteilung zwischen Aufklärern, Drohnenführern am Joystick, und von der IT gesteuerten Soldaten vor Ort war selbstverständlich. Zum Teil waren die Soldaten Söldner von Privatarmeen. Im Irak ganz aktiv war die US-Söldnertruppe Academi, die damals noch Blackwater USA hieß. Aktuell gibt es beim Minusma-Einsatz der Deutschen in Mali Auseinandersetzungen mit der dortigen Regierung, weil privat angeheuerte Sicherheitskräfte aus der Elfenbeinküste den Minusma-Soldaten zuarbeiteten und nicht offiziell als Soldaten angemeldet wurden.

Der Krieg selbst ist ein Riesengeschäft. Das, was früher als „militärisch-industrieller Komplex“ bezeichnet wurde, ist mittlerweile in den USA deutlich erkennbar als der Teil des Staates, der den Reststaat in der Hand hat, nicht umgekehrt.

Die Hoffnung, Libyen, Syrien und Afghanistan als Rohstofflieferanten vereinnahmen zu können, hat sich den Nato-Staaten nicht erfüllt. Man hat nur erreicht, dass diese Länder als „Failed States“ vollständig ruiniert sind, was den Westen aber nicht weiter stört. Im Gegenteil: Afghanistan wird durch fortgesetzte Sanktionen der USA an einer Erholung vom 30jährigen Krieg gehindert. In Libyen werden die Clans weiter aufeinander gehetzt. Syrien wird von allen Seiten weiter als Kriegsschauplatz benutzt. Die US-Armee ist trotz Beschlüssen des irakischen Parlamentes, das Land zu verlassen, immer noch dort.

Der Westen hat sein Ziel, die Wirtschaft entsprechend der technologischen Möglichkeiten weiter zu expandieren, nicht aufgegeben. Als größtes Hindernis für das unendliche Wachstum, haben die Nato und die USA China als „strategischen Rivalen“ erkannt. Das Ziel der USA ist es, China als Konkurrenten auszuschalten und eine unipolare (monopolare) Weltordnung zu schaffen. Und die EU-Staaten in der Nato haben sich dieses Ziel auf ihrem letzten Gipfel in Spanien auch zu Eigen gemacht.

China wurde als der alternative Pol der Nato ausgemacht, dem man mit aller Macht diese Position streitig machen muss. Eine friedliche Koexistenz ist dem Westen nicht möglich, weil  der westliche Kapitalismus zum Überleben die permanente Ausdehnung, das unendliche Wachstum, braucht.

China ist hier in einer anderen Position und bietet die Kooperation an, was es mit der Road and Belt-Initiative (Neue Seidenstraßen-Initiative) auch praktiziert. China ist zwar Teil des kapitalistischen Weltmarktes und unterliegt auch den Zwängen des Kapitalismus. Aber im Inneren hat es sich auch viele Prinzipien des Sozialismus bewahrt. Dazu gehören die weiter geltende Vergesellschaftung des Bodens und der Bodenschätze. Der Staat hat das Primat über die Wirtschaft behalten und kann gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum auch nach gesellschaftlich erwünschten Vorgaben oder schlicht den Vorgaben der Regierung in bestimmte Bereiche lenken, wie z. B. in das Programm zur Bekämpfung der Armut, in die Entwicklung von benachteiligten Regionen des Landes oder in die Infrastruktur. Im Westen scheitern solche Projekte immer wieder an dem Primat des Profites, dem Shareholder-Value.

Chinas Angebote zur Kooperation werden von vielen Staaten angenommen, um sich selbst dadurch Handlungsspielraum gegenüber den USA und dem industrialisierten Norden zu erarbeiten. Die Zusammenarbeit solcher unterschiedlicher Staaten, wie Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS-Staaten) ist nur möglich, weil das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten gilt und den Staaten freier Handlungsspielraum geschaffen werden soll.

Die Road and Belt-Initiative ist keine caritative Einrichtung Chinas, sondern eine langfristige wirtschaftliche Kooperation mit all seinen Schwierigkeiten. Der Grundsatz der Nichteinmischung führte bei verschiedenen Projekten z. B. in Myanmar, aber auch in Brasilien dazu, dass die Infrastrukturprojekte von der dort unterdrückten Bevölkerung als Kumpanei mit den Machthabern betrachtet wurde, oder in anderen Einzelfällen zur Teilhabe an der örtlichen Korruption. Das führte dort zu einem schlechten Ansehen Chinas. In Afrika ist Chinas Ansehen dagegen sehr gestiegen, gerade weil die Projekte nicht mit ausbeuterischen Auflagen wie beim IWF üblich, versehen sind. Grundsätzlich problematisch ist, dass die Kooperation Chinas auch auf Wachstum setzt. Angesichts einer endlichen Erde und angesichts von Klimakatastrophe, der Krise der Gesundheitssysteme und der Übernutzung von begrenzten Ressourcen ist dies auf Dauer keine Lösung. Aber die Staaten des globalen Südens verweisen in diesem Zusammenhang auf ihren generellen Nachholbedarf. Positiv wiederum ist, dass China bei den Projekten auf die neueste Technik setzt, um negativ wirkende Technikschritte zu überspringen.

China, für das diese Kooperationen angesichts der Drohungen der Nato überlebenswichtig sind, ist aus Sicht des Westens doppelt gefährlich: China wird als Konkurrent betrachtet und es hilft anderen Ländern etwas Unabhängigkeit gegenüber den USA und Westeuropa zu bekommen bzw. zu bewahren.

Dass sich die Staaten des Südens die Formen ihrer Ausbeutung nicht mehr von den US-dominierten Organisationen Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) vorschreiben lassen müssen, gefällt den Weltkonzernen und somit den USA und der EU nicht. [jdm] Zur Folge 4 "Russland ausschalten, um China zu treffen

Ukraine-Krieg oder schon 3. Weltkrieg? – 2/5 Zusammenbruch des Sozialismus im Ostblock und Privatisierungen im Inneren als Rettungsanker

Photo courtesy of National Nuclear Security Administration / Nevada Field Office
Atombombentest 1954.

In einem fünfteiligen Essay versuchen wir darzustellen, worum es im Ukraine-Krieg derzeit geht und dass wir uns vielleicht schon im 3. Weltkrieg befinden. Im Ersten Teil hatten wir beschrieben, dass die Situation nicht mit 1914 vergleichbar ist, weil die multinationalen Konzerne nicht mehr im Rahmen der Nationalstaaten miteinender konkurrieren, sondern aufgrund der technischen Entwicklung in der Lage wären, die Welt zu beherrschen und das auch brauchen. Der Kapitalismus braucht das permanente Wachstum, das an Grenzen gestoßen ist.

Beginnend mit der Ölkrise der 1970er Jahre zeichnete sich in den 1980er Jahren eine weltweite Wirtschaftskrise ab, die ausgelöst wurde, weil der kapitalistische Markt stagnierte. Typische Zeichen waren ein Preisverfall, Firmenpleiten und Rückgang des Exports.

Der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten bot dem Westen dann aber unverhofft die Möglichkeit, aus dieser Krise heraus zu kommen. Ein riesiger Markt eröffnete sich im ehemaligen Ostblock. Alles was diese Länder an Produktionsmitteln hatten, wurde eingestampft und durch eigene Technik ersetzt. Ein riesiges Heer an billigen Arbeitskräften und die Rohstoffreserven standen zur Ausbeutung bereit.

Diese Zeit ist aber vorbei und das Wachstum gen Osten beendet. Die westlichen ehemaligen Ostblockstaaten sind mittlerweile eingemeindet. Russland hat sich wirtschaftlich stabilisiert und stand nicht mehr ohne weiteres für die grenzenlose Ausbeutung bereit. Vielmehr hatte sich hier – zunächst mit Hilfe des Westens – eine eigene Oligarchie entwickelt, die die Ressourcenausbeutung des Landes selbst betrieb, ohne das Land wirklich wirtschaftlich zu entwickeln. Jetzt gibt es für die westlichen Oligarchen einen Widerspruch zwischen den Möglichkeiten, die der technische Fortschritt böte, und den tatsächlichen Expansionsmöglichkeiten.

Eine zweite Möglichkeit, der Krise zu entkommen, eröffneten sich die Konzerne, indem sie zunächst in ihrem eigenen Herrschaftsgebiet expandierten. Dazu diente die neoliberale Doktrin, die den Markt als die Instanz betrachtet, die quasi alles automatisch richtig lenkt. Der Staat sollte sich aus allem heraushalten. In Deutschland wurde mit den Hartz IV-Gesetzen die Arbeiterschaft entmachtet, indem ein riesiger Billiglohnsektor geschaffen wurde und die Macht der Gewerkschaften zu Lohnverhandlungen deutlich verringert wurde. Die öffentliche Daseinsvorsorge wurde dem Zugriff der Konzerne durch Privatisierungen freigegeben. Sogar in den USA, wo schon immer Privateigentum vor Staatseigentum ging, fand man mit der Privatisierung des Strafvollzugs und militärischen Teilfunktionen noch Bereiche, die von den Konzernen übernommen worden sind.

In Deutschland war die Deutsche Post eines der ersten Opfer dieser Politik. Die Privatisierung der Bundesbahn blieb auf halber Strecke stehen, weil die Bahnchefs den Bahnbetrieb schon für die Vorbereitung des Verkaufs an der Börse auf profitable Bereiche reduzierten, was aber angesichts der gesellschaftlichen Funktion der Bahn zuviel Unruhe im Wahlvolk brachte. Aber aufgegeben haben die Privatisierer nicht: die FDP betreibt mit Unterstützung der Grünen in der jetzigen Bundesregierung die Trennung von Netz- und Bahnbetrieb; in Berlin betreiben die Grünen im Senat die Privatisierung der S-Bahn.

Die kommunalen Wohnungen wurden in den letzten 30 Jahren – zu zum Teil nur durch Korruption erklärbaren, unterirdisch niedrigen Preisen –an die neuen Immobilienkonzerne verscherbelt. Der größte „deutsche“ Immobilienkonzern Vonovia gehört dabei folgenden Anteilseignern (in der Reihenfolge der Anteile): Norges Bank Investment Management,10,8%; APG Asset Management NV, 3,90%; The Vanguard Group, Inc., 3,04%; Fidelity Management & Research Co. LLC, 2,42%; BlackRock Advisors (UK) Ltd., 2,14%; BlackRock Fund Advisors, 1,70%; FIL Investment Advisors (UK) Ltd., ,36%; MFS International (UK) Ltd., 1,29%; DWS Investments (UK) Ltd., 1,23%, Deka Investment GmbH, 1,20%.

Aktuell ist auch das Gesundheitswesen im Blickfeld der Privatisierer: Nach der Übernahme des US-Gesundheitskonzerns One Medical durch Amazon warnen Kinder- und Jugendärzte vor einem Einstieg von Beteiligungsfirmen in die deutsche Gesundheitsversorgung. „Wir haben die Sorge, dass das zu uns rüberschwappt, dass sich Investoren etwa über Medizinische Versorgungszentren (MVZ) breitmachen wollen und die ärztliche Versorgung an sich reißen“, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), laut einer Meldung der Ems-Zeitung vom 29.07.2022. Alle Bundesländer, auch Niedersachsen, haben Zentralisierungspläne für ihre Krankenhauslandschaften. Dabei werden im zweiten Schritt einerseits zentralisierte Krankenhäuser direkt verkauft, wie das Uni-Klinikum Gießen/Marburg. Andererseits kaufen sich die Konzerne die stillgelegten Krankenhäuser für billiges Geld, um dort nur die hochpreisigen Bereiche der Medizin ohne die Grundversorgung zu betreiben.

Die Versuche, die Rente durch eine private kapitalgedeckte Rentenversicherung zu ersetzen, sind in Deutschland mit den Stichworten Riester- und Rürup-Rente umrühmlich verbunden. Der vor allem von der FDP betriebene Versuch der Privatisierung der Pflegeversicherung mit einem ebenso unrühmlichen Namen: Pflege-Bahr. In dieses Kapitel gehören auch die Abschaffung von Leistungen der Krankenversicherung bei der Zahnversorgung, Augenversorgung und durch Eigenbeteiligungen, womit sich neue Geschäftsfelder für die Versicherungskonzerne eröffneten.

Die Welle der Privatisierungen von Wasserwerken ist abgeebbt, weil die Städte schon sehr schnell gemerkt haben, dass sie praktisch ihre Seele verkauft haben bzw. hätten. Die Stadt Papenburg hat ihre beiden Schwimmbäder verkauft und will sie jetzt – nachdem sie zuletzt mehr geschlossen, als geöffnet waren – zurück kaufen. Über den Rückkaufpreis wird die Öffentlichkeit natürlich nicht informiert.

Schweden merkt zurzeit, dass die Privatisierung des Schulsystems mit sehr vielen Problemen behaftet ist; das Schulsystem wird nicht billiger, aber die Spaltung der Gesellschaft wird gewaltig angeschoben.

Diese Liste von Privatisierungsvorhaben ließe sich beliebig lange fortsetzen. Aber für den Expansionsdrang der Konzerne sind diese „internen“ Expansionsmöglichkeiten nicht ausreichend. Die Konzerne brauchen die unbeschränkte weitere Ausdehnung auf dem Weltmarkt.

Die verschiedenen Freihandelsverträge dienten ebenso diesem Ziel der Expansion. Aber manche Staaten verweigern sich diesen Verträgen. Oder schließen untereinander solche Verträge, was den westlichen internationalen globalisierten Konzernen nicht gefällt, weil sich hier Konkurrenz bilden kann. Um hier das Heft in der Hand zu behalten, wurden die USA, die Nato und einzelne westliche Länder, vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien, nach außen immer aggressiver. Obwohl mit der Auflösung des Warschauer Paktes die Nato ihren Gegner verloren hatte, rüstete sie seit Ende der 1990er Jahre stetig und kräftig auf. Der Weg in den 3. Weltkrieg wurde bereitet. [jdm/ Photo courtesy of National Nuclear Security Administration / Nevada Field Office]. Zum dritten Teil: Eine Kette von Kriegen seit 1992

Ukraine-Krieg oder schon 3. Weltkrieg? – 1/5 Nicht mit 1914 vergleichbar

Atombombentest Bikini Atoll am 26 März 1954.

Der griechische Philosoph Dimitrios Patelis spricht davon, dass wir uns schon im 3. Weltkrieg befinden. Die Regierungen der Nato erklären, es gehe nur um den Kampf gegen das Böse in Person von Putin und die Verteidigung des Opfers, der Ukraine. Andere Zusammenhänge gebe es nicht. Manche wiederum vergleichen die Situation mit der von 1914, als die imperialistischen Mächte sich gegenseitig im 1. Weltkrieg an die Kehle gingen. In einem fünfteiligen Essay versuchen wir darzustellen, worum es im Ukraine-Krieg derzeit geht.

Die von den Regierungen der USA, der EU- und Nato-Staaten und deren Medien kampagnenhaft verbreitete Deutung des Krieges lautet, die Ukraine, ein unschuldiger Staat, der auf gutem Weg zu seiner Unabhängigkeit und seiner Souveränität war und dafür seine eigenen Bündnisse suchte und seine Verteidigungsfähigkeiten aufbauen wollte, wurde plötzlich von einem brutalen Aggressor überfallen. Seitdem herrsche Blutvergießen.

Eine andere Deutung einer Minderheit ist, es gebe einen Krieg zwischen imperialistischen Mächten wie 1914. Man verurteilt diesen Krieg, weil man als Pazifist gegen Krieg ist. Vor 100 Jahren war die Arbeiterbewegung gegen die Kriege zwischen Deutschland und den anderen Mächten, weil die Arbeiterklasse mit dem Konkurrenzkampf der Konzerne des Kapitals nicht zu tun habe.

Diese heutige Minderheitsmeinung trennt sich wiederum in zwei Gruppen. Die erste lehnt einfach den Krieg Ukraine-Russland ab und befasst sich nicht weiter mit den Ursachen. Sie lehnt aber Waffenlieferungen ab, weil diese den Krieg weiter entfachen.

Die Dicke Bertha 1914 vor Lüttich - Der Mörser war auf dem Kruppschen Schießplatz im Emsland getestet worden

Und die zweite Minderheitsmeinung stellt sich auf die Seite des Angegriffenen, also die Ukraine, und will der Ukraine mit allen Mittel helfen, auch mit Waffen. Aus dieser Richtung stammen die neuen Waffenexperten wie Anton Hofreiter von den Grünen, die sich jetzt als astreine Kriegstreiber etabliert haben. Schon 1914 ließen sich große Teile der Sozialdemokraten und der Gewerkschaftsbewegung in ihren jeweiligen Ländern für die Kriegsziele einspannen, indem sie ihr Land jeweils als Opfer des anderen Aggressors sahen.

Der Vergleich mit der Situation von 1914 ist aber nicht ausreichend. Wir haben es heute nicht mit verschiedenen gleich starken Mächten zu tun, die sich um einen größeren Anteil an den Reichtümern der Erde balgen. Damals waren die nationalen Märkte an ihre Grenzen gekommen und konnten sich nicht mehr entwickeln. Es ging den Mächten darum, ihre nationalen Märkte zu erweitern und das ging nur um den Preis, die Konkurrenten militärisch zu schlagen, um deren Geschäftsgebiete zu übernehmen und eigene Waren zu exportieren und Produktionsstätten zu installieren. Dass allein durch die Zerstörungen des Krieges neue Nachfrage erzeugt wurde, war ein erwünschter Nebeneffekt.

Heute haben wir wegen der technologischen Entwicklung eine andere Situation. Die Industriemonopole sind universal angelegt. Mit Hilfe der Kommunikationstechnologie, Weltraumtechnik, Bio- und Nano-Technologie wären diese Konzerne in der Lage, sich unendlich auszudehnen und sämtliche wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Produktionsprozesse unter ihrer Leitung zu übernehmen. Die Konzerne gehören zwar schwerpunktmäßig Anteilseignern aus den USA und der EU, aber es sind ebenso institutionelle Besitzer aus allen Ländern der Erde, auch aus Russland, China, Südamerika und dem Nahen Osten vertreten.

Schlagzeile The Guardian: Enthüllt: Die "schwindelerregenden" Gewinne des Ölsektors von 3 Milliarden Dollar pro Tag in den letzten 50 Jahren

Die USA und die Nato-Staaten haben sich die Interessen der oligarchischen Unternehmen zu Eigen gemacht; man könnte auch sagen, die Oligarchen bestimmen die Politik dieser Länder. „The Guardian“ berichtete am 21.07.2022, dass eine Analyse auf Daten der Weltbank basierend festgestellt hat, dass die Ölindustrie in den letzten 50 Jahren täglich (!) 2,8 Milliarden Dollar an Reingewinn erbracht hat. "Es geht um eine riesige Menge Geld", sagte einer der Autoren. "Mit all diesem Geld kann man jeden Politiker und jedes System kaufen, und ich glaube, das ist auch geschehen. Es schützt [die Produzenten] vor politischer Einmischung, die ihre Aktivitäten einschränken könnte".

Stellvertretend für die multinationalen Konzerne, die die Herrschaft über die Welt antreten wollen, sehen sich die westlichen Staaten unter Führung der USA als den einzigen Pol in der Welt, der für dessen Leitung bestimmt ist. Diese Führung ist ihnen in Teilgebieten der Erde auch jeweils schon gut gelungen. Ideologisch abgesichert wird dieser Herrschaftsanspruch durch die neoliberale Doktrin, dass der Markt allein alles regeln könne. Hinzu kommen ein amerikanisches Sendungsbewusstsein als von Gott erwählte Nation und die Instrumentalisierung der westlichen einseitigen Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten. Demokratie und Menschenrechte erschöpfen sich in formaler Einhaltung von Wahlen und formaler Gleichbehandlung von Menschen unabhängig von Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit. Die Rechte auf Gesundheitsvorsorge, auf Teilhabe an den geschaffenen Werten in der Produktion als Arbeitnehmer oder auf eine öffentliche Daseinsvorsorge sind in diesem Menschenrechtskanon nicht vorgesehen.

Die weltweite Herrschaft der Konzerne ist schon weit gediehen; Microsoft, Google, Facebook und Amazon und ähnlich strukturierte Konzerne wie Netflix oder Eventim beherrschen die Kultur zum großen Teil. Die Presseorgane und Kulturinstitutionen passen sich deren Stil der Verwertung von Kultur an.

Die Organisation der Produktion wird von der Kommunikationstechnologie bestimmt. Tesla, Uber und die anderen Konzerne der so genannten Sharing Economy verändern das Arbeitsleben. Die Arbeiter, die die Werte erzeugen, haben kaum noch Einfluss auf die Arbeitsbedingungen. Gewerkschaftsrechte werden weltweit abgebaut; in Deutschland hat zuletzt die Vorgängerregierung (Große Koalition) den Konzernen das Gewerkschaftseinheitsgesetz geschenkt, das eine bürokratisierte Gewerkschaftsbewegung vor kämpferischen Mitgliedern und Konkurrenten schützt. Und die Zeitungen und Sender der mittlerweile multinationalen Pressekonzerne haben diese Gesetzesänderung einhellig unterstützt, genau wie sie sich während der Corona-Epidemie einhellig zu Sprechern der Regierungspolitik gemacht haben und genauso, wie sie jetzt einhellig die Sanktionspolitik der Regierung unterstützen und –wiederum – kampagnenartig mit Forderungen nach Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine befeuern. Auch hier hat sich die nicht monopolisierte Presse, wie z. B. ARD und ZDF, dem Vorbild der Konzernpresse angeschlossen.

Diese Monopole werden weltweit von einer Finanzoligarchie mit Hilfe von neuen Kapitalformen und Krediten gesteuert. Die „deutschen“ Konzerne gehören auch längst nicht mehr einzelnen Großaktionären, ganz zu schweigen von einzelnen Unternehmerpersönlichkeiten, sondern Finanzkonzernen und Schattenbanken, wie BlackRock, Vanguard, State Street & Co., Dimensional Fund, T. Rowe Price, Perkins usw., die Oligopole darstellen. Diese Oligopole sind selten Einzel-Mehrheitseigner von Konzernen, sondern haben nur einige Prozente der Anteile; sie stellen in ihrer Gesamtheit aber die Mehrheit und bestimmen das Geschäft. Regionale und persönliche Gegebenheiten spielen keine Rolle mehr, sondern gehandelt wird nur nach überzogenen Renditeerwartungen.

Und so müsste es nach den zugrunde liegenden Triebfedern des Kapitalismus einfach weiter gehen. Aber hier stößt das Kapital an Grenzen, die es nicht akzeptieren kann. Es wird mit den vorhandenen Produktionskapazitäten mehr produziert, als verkauft werden kann. Die Ware wird somit wertlos. Das führt im Kapitalismus zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch.

Demnächst 2. Folge: Zwei Rettungsanker [jdm/Foto Wikipedia gemeinfrei Hermann Rex (gest. 1937), Photo courtesy of National Nuclear Security Administration / Nevada Field Office]

Bahn für Alle veröffentlicht Studie

Bahn für Alle hat in einer Kurzstudie untersuchen lassen, ob in Deutschland durch eine vertiefte Trennung von Netz und Betrieb der Bahn die Gefahr weiterer Privatisierungen steigt. Eine derartige Trennung strebt die Regierung laut Koalitionsvertrag an. Bundesverkehrsminister Wissing möchte zum 1. Januar 2024 die Bereiche DB Netz AG und DB Station&Service AG in einer gesonderten Infrastruktursparte führen. Das hat er in der Pressekonferenz am 22. Juni verkündet. Wie eine derartig grundlegende Umstrukturierung mit den von ihm gleichzeitig angekündigten verstärkten Bauarbeiten auf den Hochleistungsstrecken zusammengehen soll, bleibt wohl sein Geheimnis.  

Das Ergebnis der Kurzstudie von Bahn für Alle ist deutlich: Im liberalisierten und formell privatisierten deutschen Bahnsektor würde eine Trennung von Netz und Betrieb spätere Verkäufe von DB Töchtern im Nah- und Fernverkehr wahrscheinlicher machen. Trennung und Liberalisierung sind Privatisierungstreiber.

Fazit der Studie: Der Deutschlandtakt steht jetzt schon auf der Kippe. Im Deutschlandtakt einigen sich alle darauf, einen als sinnvoll angesehenen Plan möglich zu machen und dann zu erfüllen. Beim Trennungsmodell macht am Ende jeder nur noch, was sich für ihn rentiert. Klimaschutz, Bahnreisende und Beschäftigte bleiben auf der Strecke. Einen Aufruf an Bundeskanzler Olaf Scholz für eine klimaschützende Verkehrswende kann man hier unterschreiben. [PM Bahn für alle]

Uniklinikum Gießen/Marburg billig an Konzern verkauft – mit Steuergeldern gerettet

Die Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes, Ver.di Publik, berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe über das privatisierte Uniklinikum Gießen/Marburg, das jetzt mit einer halben Milliarde € Steuergelder, verteilt auf 10 Jahre, vor der Insolvenz bewahrt werden soll. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte 2005 die beiden Kliniken in Gießen und Marburg fusioniert, um die Klinik 2006 für schlappe 112 Millionen € an die Rhön Klinikum AG zu verkaufen.

Seitdem haben die Aktionäre 278,2 Millionen € an Gewinn erhalten, der Aufsichtsrat hat 10 Mio €, die Vorstände 20 Mio € und die Wirtschaftsprüfer von PWC 6 Mio € erhalten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach war von 2001 bis 2013 im Aufsichtsrat der Rhön Klinikum AG und empfing in der Zeit eine halbe Million € an Tantiemen. Die privatisierten Krankenhäuser bauten flächendeckend Personal ab (das sind die Leute, die heute als systemrelevant beklatscht, aber nicht besser bezahlt werden). Die teure Apparatemedizin und Operationen wurden gepuscht, aber investiert wurde nicht. Die Universitätsklinik Gießen/Marburg baute zudem die Lehrttätigkeit ab. Ergebnis: weniger Doktorarbeiten, mehr billiges Personal aus armen Ländern wurde gezielt angeworben.

Lauterbach war von 1999 (noch CDU-Mitglied) bis zur Wahl in den Bundestag (als SPD-Mitglied) im September 2005 Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Seit 2003 war er in der Rürup-Kommission. In beiden Gremien machte er sich für die Privatisierungen sowohl im öffentlichen Gesundheitsdienst, als auch bei der Sozialversicherung stark. Eine Folge dieser Tätigkeit war die Schließungswelle bei den Kliniken. Und heute macht dieser Mann Panik, weil das Gesundheitswesen durch das Corona-Virus vor dem Zusammenbruch stehen würde. Mehr und ausführlicher in Ver.di Publik. [jdm]

Klinikrettung muss in Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen

Noch-Gesundheitsminister Spahn lässt sich vor laufenden Kameras gegen Grippe impfen und warnt dabei erneut vor einer Überfüllung der Kliniken im Herbst. Währenddessen gehen die Signale an vielen von Schließung bedrohten Standorten in den roten Bereich über, dort droht das endgültige Aus zum Jahresende – abseits der Aufmerksamkeit des Ministers. Und bei Vivantes in Berlin, dem größten öffentlichen Krankenhausbetreiber Deutschlands, befinden sich die organisierten Beschäftigten seit einem Monat im unbefristeten Streik – eigentlich ein Top-Thema für die Regierende Bürgermeisterin in spe, Franziska Giffey. Eigentlich.

Die Streikenden fordern verbindliche Vorgaben zur Personalbesetzung sowie einen Belastungsausgleich bei Unterbesetzung – Selbstverständlichkeiten, für die jetzt in einem 100 Prozent öffentlichen Unternehmen gestreikt werden muss. Aber Vivantes ist eben formell privat, der Einfluss der Ex-Helios-Manager im Vivantes-Konzern ist anscheinend größer als der der Senatoren im Aufsichtsrat. Und so müssen die Beschäftigten nicht nur für mehr Personal kämpfen, sondern auch gegen die geringeren Löhne und schlechteren Arbeitsbedingungen in den nur für Lohn-Dumping ausgegründeten Vivantes-Tochterunternehmen. Der Protest gegen die Schließung des Vivantes-Klinikums Wenckebach mit 440 Betten ist nicht Teil des Streiks, steht aber weiter auf der Agenda. Es gibt auch einen direkten Zusammenhang: das Geld. Während beim Personal unerträglich gespart wird, soll ein Neubau andernorts 86 Millionen Euro mehr kosten als der Erhalt des Wenckebach-Krankenhauses – bei weniger Betten im Neubau.

Die Begründung für weitere Klinikschließungen ist nicht logisch. Wohnortnahe Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung sind für die übergroße Mehrheit der Teilnehmer einer Online-Diskussion von "Gemeingut in BürgerInnenhand" ein sehr wichtiges Element einer guten Krankenhausversorgung und müssen erhalten bleiben. Eine Zentralisierung von Kliniken hielten nur sieben Prozent für förderlich.

Klinikschließungen werden allerdings auch ohne Argumente vollstreckt, einfach durch die Kraft des Faktischen. Danach sieht es derzeit in Geislingen aus. Obwohl sich die Stadt nach dem Schließungsbeschluss seines Landkreises sogar per Bürgerentscheid für einen Austritt aus dem Landkreis ausgesprochen hat, lässt man das Klinikum weiter gegen die Wand fahren, mit folgendem Trick: Die Chirurgie wird zum Jahresende geschlossen, ohne konkrete Nachnutzung. Versprechungen gibt es viele, was aber wenige wissen: Verhandlungen für Versorgungsverträge mit den Kostenträgern benötigen in der Regel ein halbes Jahr oder länger. Es droht eine fatale Finanzlücke, die für das Krankenhaus den Ruin bedeuten könnte.

Im Juli 2021 beklagte sich laut Ems-Zeitung auch der stellvertretende Geschäftsführer des Hümmling-Hospitals Thomas Kock über eine unzureichende Finanzierung. Aufgrund der Größe des Hauses und der voranschreitenden Spezialisierung in der Ausbildung der Fachkräfte sowie ständig steigender gesetzgeberischer Vorgaben habe das Krankenhaus enorme Vorhaltekosten, die laut Kock nicht über das derzeitige Fallpauschalensystem abgedeckt seien. Er forderte eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung in Deutschland. Das Hümmling-Hospital werde im Vergütungssystem nicht adäquat abgebildet. "Mit unseren 140 Betten sind wir für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung in unserer Region unerlässlich", machte Kock laut EZ deutlich.

Wie man die künftige Koalition dazu bekommt, die Mehrheitsmeinung in konkrete Schritte zu übertragen, soll auf einem Präsenztreffen vom Bündnis Klinikrettung am 12./13. November in Göttingen besprochen werden. [jdm/Newsletter GIB]

Nach dem Volksentscheid zur Enteignung der Immobilienkonzerne: Vonovia befiehlt „konstruktive“ Lösung

Der Spruch "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie längst verboten." erweist sich möglicherweise in Berlin wieder mal als richtig. Parallel zur Bundestagswahl fand im Bundesland Berlin ein Volksentscheid darüber statt, ob die großen Wohnungsbaukonzerne der Stadt enteignet werden sollen. Die Befürworter des Volksentscheids haben nachgewiesen, dass die Entschädigung erschwinglich ist. Das Modell geht davon aus, dass die dafür erforderliche langfristige Kreditaufnahme durch die Mieteinnahmen getilgt wird.

Nichts anderes machen auch die Wohnungsbaukonzerne, die sich ihre Häuser ständig gegenseitig abkaufen oder sich gegenseitig schlucken. Nur dass die Konzerne ständig satte Zuschläge draufsatteln, weil sie ihre überzogenen Renditeerwartungen bezahlt sehen wollen.

Sowohl die Grünen, als auch die SPD in Berlin haben den Volksentscheid nicht unterstützt. Jetzt hat die Mehrheit der Wähler das anders gesehen. Wir können jetzt gespannt sein, mit welchen Tricks die Grünen und die SPD versuchen werden, den Immobilienkonzernen zu Diensten zu sein. Franziska Giffey, die Spitzenkandidatin der Berliner SPD und mit 21,4 Prozent der Stimmen Gewinnerin der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, ist eine Gegnerin der Initiative. "Durch Enteignung lösen wir kein Problem und setzen ein ganz schwieriges Signal", sagte sie laut Tagesschau.de noch am Tag vor der Wahl. "Ich möchte nicht in einer Stadt leben, die das Signal sendet, hier wird enteignet."

Interessant war heute abend, dass mehrere Online-Artikel verschiedener Zeitungen in der Google-Suche die Überschrift hatten "Grüne und SPD wollen Volksentscheid ernst nehmen", aber nach dem Anklicken der Artikel kam jeweils unter der Überschrift: "Vonovia warnt nach Berliner Volksentscheid vor Hängepartie" die Aufforderung des Immobilienkonzerns Vonovia «konstruktivere» Lösungen zu erarbeiten. Anscheinend hatte der Nachrichtenmonopolist dpa kalte Füße bekommen, dass ursprünglich die Wortmeldungen popeliger Politiker veröffentlicht wurden und nicht die Stimme des Meisters zitiert worden war. Denn im Kapitalismus gilt immer noch: Wohnungspolitik wird von den Konzernen gemacht, und nicht vom Mieter-Volk oder ihren gewählten Vertretern. [jdm]

Grüne: Was schert mich mein Geschwätz von gestern!

Jahrelang haben sich die Grünen klar gegen das Handelsabkommen CETA ausgesprochen. Im Entwurf des Wahlprogramms für die Bundestagswahl 2021 ist davon nicht mehr die Rede. Stattdessen befürwortet das Programm nun
plötzlich die vorläufige Anwendung von CETA.

Das Problem: Auch die vorläufige Anwendung schafft Fakten und umgeht die parlamentarische Kontrolle. Schon jetzt tagen sogenannte CETA-Vertragskomitees unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die weitreichende Entscheidungen über Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherstandards treffen können. Wird aus der Partei mit Kanzlerambitionen nicht nur eine Aufrüstungspartei, sondern auch noch eine Anti-Verbraucherschutz- und Anti-Demokratie-Partei?

Foodwatch, attac und weitere Organisationen fordern vom Grünen-Bundesvorstand ein klares Nein zu CETA im Wahlprogramm! Link zur Petition: https://www.foodwatch.org/de/mitmachen/gruene-wort-halten-ceta-stoppen/ [jdm/PM Foodwatch]

Aufklärung hilft! Das Problem der Klinikschließung kommt in der Öffentlichkeit an

Zum Video über Klinikschließungen

Gemeingut in BürgerInnenhand und das Bündnis Klinikrettung haben ein Informationsvideo zu Klinikschließungen veröffentlicht. Der vierminütige Clip ist zu sehen unter: https://www.youtube.com/watch?v=yb8eoKQfOyU.

Laura Valentukeviciute, Sprecherin von Gemeingut in BürgerInnenhand, zur Veröffentlichung des Videos:

„Die zunehmenden Klinikschließungen passieren nicht einfach, sie sind die Folge einer gezielten Politik. Krankenhäuser werden geschlossen, weil ihnen die benötigten Gelder verweigert werden oder weil sie für private Träger nicht mehr genug Rendite bringen. Vor allem aber werden sie geschlossen, weil eine Lobby aus privaten Stiftungen dafür wirbt – auch in der Pandemie. “
Sonderzeitung zu den Klinikschließungen

Das Bündnis Klinikrettung möchte mit dem Video eine Auseinandersetzung über die Hintergründe von Klinikschließungen anstoßen. Zu den Details von Klinikschließungen wurden vom Bündnis und von Gemeingut in BürgerInnenhand bereits zahlreiche Texte veröffentlicht, zuletzt in einer eigenen Sonderzeitung sowie kontinuierlich auf www.klinikrettung.de. Der jüngste Beitrag widerlegt gängige Argumente pro Klinikschließungen. Das aktuelle Video bringt nun die wichtigsten Fakten anschaulich und einprägsam auf den Punkt. Die ansprechende Visualisierung lädt zum Weiterleiten ein. Wer in den fortlaufenden Schließungen einen Skandal sieht, erhält Hinweise, wie er aktiv werden kann.

Laura Valentukeviciute weiter:

„Mit dem Video werben wir auch für eine Unterschriftensammlung: Jens Spahn muss endlich garantieren, dass kein Krankenhaus mehr geschlossen wird.“ [PM GiB]

Deutsche Bahn – Alternativer Bericht 2020/21: Mit Hochgeschwindigkeit ins Finanzloch

Ende März vor der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn AG gab das Bündnis Bahn für Alle (BBfA) seinen diesjährigen Alternativen Geschäftsbericht der Deutschen Bahn heraus.

Die Lage der Deutschen Bahn AG ist ernst, die Schulden sind hoch, das Management ist orientierungslos, feiert sich aber trotzdem. Die Fahrgastzahlen liegen coronabedingt am Boden, gleichzeitig zeigt die Krise, dass ein verlässliches Mobilitätsangebot unverzichtbar ist.

Das Bündnis sieht neben den coronabedingt schwierigen Zeiten für die DB AG vor allem eine langfristig hausgemachte Krise. Eine Schieflage ergibt sich durch den Investitionsstau beim maroden Schienennetz, kostspielige Großprojekte ohne adäquaten Mehrwert für den Bahnverkehr, verlustreiche Auslandsgeschäfte und eine aufgeblähte Verwaltung. Letztere kritisierte der Bundesrechnungshof allein im letzten Jahr in drei Berichten.

Aus einem vorgenommenen Vergleich der jeweils letzten 26 Jahre von Deutscher Bundesbahn und DB AG ergibt sich, dass die Schuldenproduktion der DB AG doppelt so schnell ist wie die der Deutschen Bundesbahn. Riskante Auslandsengagements wie im Fall von Arriva, aber auch vermeintlich prestigeträchtige Großprojekte wie Stuttgart 21 bringen den Bahnkundinnen und -kunden nicht nur keine Vorteile, sondern sie verhindern das, was wirklich nötig ist: ein flächendeckend besseres und kundenfreundliches Angebot im Sinne einer Verkehrswende und des Klimaschutzes.

Der Bericht steht – ebenso wie die Alternativen Geschäftsberichte der Vorjahre – kostenlos online zur Verfügung: https://bahn-fuer-alle.de/alternativer-geschaeftsbericht-der-deutschen-bahn-ag/. [PM Büdnis Bahn für Alle]

Taxi gegen Uber & Co – Der Kampf um Deutschlands Straßen

Die Taxis fürchten wegen Uber & Co um ihre Existenz.

Taxis und andere Mobilitätsanbieter streiten seit Jahren um Kosten, Kilometer und Kunden – kann das neue Gesetz für die Branche nun fairen Wettbewerb garantieren? Was bringt ‎das Anfang März im Bundestag beschlossene Personenbeförderungsgesetz, mit dem es erstmalig einen Rechtsrahmen auch für "die Neuen" am Mobilitätsmarkt gibt? In "ZDFzoom" geht es am Mittwoch, 10. März 2021, 22.45 Uhr, in "Taxi gegen Uber & Co – Der Kampf um Deutschlands Straßen" um diese Frage. (mehr …)

Personenbeförderungsgesetz: Schlecht für Arbeitnehmer und Fahrgäste

Während in der Ems-Zeitung das neue Personenbeförderungsgesetz gescholten wurde, weil es den internationale Plattformen wie Uber noch Regeln auferlegt, zeigte sich der Bundesverband Taxi erleichtert, dass zumindest die Rückkehrpflicht der Mietwagen – und damit auch für die Uber-Fahrzeuge – beibehalten wurde.

Eine klare Trennung zwischen Taxi und Mietwagen müsse beibehalten werden, da beide Verkehrsformen unterschiedliche Funktionen und Pflichten hätten. Es gelte dringend zu vermeiden, dass Taxis mit ihren ÖPNV-Pflichten und unregulierte Mietwagen das gleiche Marktsegment bedienen.

Die Kommunen können Mindestfahrpreise festsetzen, um die Busse und Bahnen nicht zu unterbieten. Das hilft den Taxi-Unternehmen nicht, wohl aber die Möglichkeit der Kommunen für bestimmte gefragte Ziele feste Streckenpreise festlegen zu können.

Der Taxi-Verband fasst seine Position so zusammen: „Die Bundesregierung hat an wichtigen Stellen nachgebessert. Das ist gut. Insbesondere die einheitliche Fahrer-Qualifikation ist zu begrüßen. Aber diese Verbesserungen ändern am Grundproblem nichts: Der Wettbewerb der Taxiunternehmen mit internationalen Plattformen ist ein Kampf David gegen Goliath, und an einer entscheidenden Stelle hat die Bundesregierung entschieden, dass die Regeln für Goliath nicht gelten.“

Andreas Scheuer hat mit diesem Gesetz wieder eine Form der öffentlichen Daseinsvorsorge den Konzernen übergeben. Die Folge werden nicht nur die Verbraucher spüren, sondern vor allem die Beschäftigten im Taxigewerbe. Es wird zu Lohnsenkungen führen und dem Aufbau einer breiten Schicht von nicht versicherten und unterbezahlten Uber-Sklaven, die mit ihrem eigenen Auto für die neoliberalen Träume von Scheuer büßen müssen.

Dass die Grünen dem Gesetz zustimmte, weil die möglichen Sammelangebote ökologisch seien, ist schon jämmerlich. Das Gesetz sieht ja neben der Taxiregulierung auch eine Zulassung von privaten Busunternehmen wie Netflix als Konkurrenz zur Bahn vor. Dabei sollen diese Busunternehmen gegenüber der Bahn, die Streckenentgelte zahlen muss, bevorzugt werden, in dem sie von der Autobahnmaut befreit werden sollen. Auch hier folgen die Grünen dem neoliberalen Mantra, dass Konkurrenz alles besser mache.

Die Linke lehnte als einzige Partei im Bundestag die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes ab. [jdm]