Die so genannten Wirtschaftsweisen haben ihr Herbstgutachten vorgelegt. Dass Deutschland sich weiterhin in einer Rezession befindet, wollen sie nicht wahr haben. Das gelte nur für die beiden letzten Jahre. Im laufenden Jahr befinde sich die deutsche Volkswirtschaft in einer Stagnation. Das kann man dann ja beim nächsten Gutachten wieder wie gehabt korrigieren.
Die allgemeinen Veränderungen in der Weltwirtschaft erkennen die Weisen dann doch: „Die aktuelle Schwäche wird neben konjunkturellen Faktoren auch durch einen tiefgreifenden Strukturwandel sowie durch geopolitische Veränderungen verursacht, die das deutsche Exportmodell gefährden. Vor dem Hintergrund einer sich ändernden Weltordnung und Zweifeln an der Verlässlichkeit der Sicherheitsgarantien der USA für die europäischen NATO-Staaten geraten etablierte wirtschaftliche und sicherheitspolitische Strukturen unter Anpassungsdruck. Zugleich erschwert die immer noch andauernde Fragmentierung des europäischen Binnen- und Kapitalmarktes die Anpassung der europäischen Volkswirtschaften an die veränderten globalen Herausforderungen.“
An inländischen Faktoren erkennt der Sachverständigenrat einen anhaltenden Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und die fortschreitende demografische Alterung.
Da kann man wohl nichts machen, oder? Doch. Als Lösung schlagen die Weisen wie stets seit es sie gibt Unternehmenssteuersenkungen vor. Und die zweite Standardlösung wird auch genannt: ein konsequenter Abbau überflüssiger Bürokratie könne Kosten für die Unternehmen reduzieren und Wachstumshemmnisse beseitigen.
So weit also alles wie immer: Und ewig grüßt das Murmeltier! Interessant ist immerhin, dass den Weisen nicht entgangen ist, dass das Infrastrukturprogramm mit der gewaltigen Schuldenaufnahme gar keine zusätzlichen Verbesserungen in der Infrastruktur bringt, sondern nur eine Schuldenaufnahme für die Aufrüstung ist. Das halten die Weisen jedoch für stark verbesserungsbedürftig, wenn die Ausgaben gezielt auf zusätzliche und produktive Investitionen ausgerichtet werden sollen. Andernfalls könnten Wachstumschancen verspielt und die langfristige Schuldentragfähigkeit des deutschen Staates gefährdet werden.
Und noch einen kleinen Änderungsvorschlag haben die Wirtschaftsinstitute: Es besteht nach ihrer Ansicht Reformbedarf bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Diese sollte durch eine Reduktion der Begünstigungen für Betriebsvermögen konsequenter als bisher am Gleichheitsgrundsatz über alle Vermögensarten hinweg ausgerichtet werden. Das würde vor allem die sich selbst „Familienunternehmer“ nennenden Milliardäre traurig stimmen.
Die Wirtschaftsweisen sind mittlerweile auch zu Verteidigungsexperten herangewachsen. Das geht ganz schnell, denn die Gutachter vertrauen auch hier auf eine Standardlösung: Mehr Staatsknete für die Rüstung. Sie meinen, dass zwar viele EU-Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben in den vergangenen Jahren bereits erhöht hätten, jedoch gebe es nach wie vor einen Nachholbedarf bei der militärischen Ausrüstung. Das wird die Rüstungskonzerne freuen, zumal die Weisen auch einen Rat haben, wo das Geld herkommen soll: Die Zusammensetzung des EU-Budgets könnte außerdem stärker zugunsten europäischer Verteidigungsausgaben priorisiert oder durch höhere Beiträge der Mitgliedstaaten aufgestockt werden. Dabei sei sicherzustellen, dass die bereitgestellten Mittel zweckgebunden und transparent für gemeinsame Beschaffungsprojekte verwendet würden.
„Zugunsten europäischer Verteidigungsausgaben priorisiert werden“, bedeutet in einfacher Sprache, dass die EU das Geld vor allem für Waffen ausgeben soll und nicht mehr für den anderen Klimbim, wie Klimaschutz, sozialen Ausgleich oder Landwirtschaftsförderung. [jdm]















