Stutenkerle, Nüsse und Äpfel

Morgen ist der Nikolaustag. Sehen konnte man den Nikolaus früher am Nachmittag des 5. Dezember bei seinem Besuch in der Wippinger Schule. Ein Klassenraum war durch eine Ziehharmonika-Trennwand von einem kleineren Nachbarraum getrennt. Diese Wand wurde aufgeschoben, so dass ein relativ großer Raum entstand, in dem alle Kinder des Dorfes versammelt waren. Der Nikolaus mit seinem Knecht Ruprecht, die heutzutage den Weihnachtsmarkt besuchen, kamen in diese Schulklasse mit einem prall gefüllten Sack und dem Goldenen Buch, während die Kinder zur Begrüßung das Lied „Well kump dor mit den groten Sack“ sangen. Der Nikolaus wurde mit vorbereiteten Gedichten einzelner Kinder unterhalten und diese wurden mit Süßigkeiten aus dem Sack belohnt.

Dann las der Nikolaus in seinem Goldenen Buch und rief einzelne Kinder auf, nach vorn zu kommen. und es wurde (etwas) ernst: Manche wurden für Schulleistungen gelobt; andere wiederum wurden auch getadelt – wenn auch wegen harmloser Dinge. Auf jeden Fall verriet der Nikolaus Kenntnisse, die man nur haben konnte, wenn man Lehrer war oder aber vom Himmel aus alles überblicken konnte.

Für Grundschüler war die Vorstellung derart überzeugend, dass zum Beispiel der Autor dieser Zeilen seinen eigenen Vater hinter dem Bart nicht erkannt hat.

Früher brachte der Nikolaus im Emsland in der Nacht zum 6. Dezember den Kindern heimlich Geschenke. Das ist in den Niederlanden heute noch so. Die Kinder legten auf die Fensterbank draußen etwas Brot und Rüben für die Pferde des heiligen Mannes. Dann versuchten sie möglichst lange wach zu bleiben, um den Nikolaus nicht zu verpassen. Das hat nie geklappt; immer ist man schon vorher eingeschlafen.

Morgens konnten die Kinder so schnell wie sonst nie im Jahr aufstehen, um zu sehen, was der Nikolaus gebracht hatte und um noch vor der Schule mit den neuen Sachen zu spielen. Auf dem Teller mit den Süßigkeiten lag auch immer ein Stutenkerl. Der wurde statt des normalen Pausenbrotes zusammen mit ein paar Spekulatius und Mucken (Pfeffernüsse) mit zur Schule genommen.

Weil die Kinder heute etwas ungeduldiger sind, hat es sich der Nikolaus angewöhnt, schon am Vorabend die Familien mit Kindern zu besuchen und Geschenke da zu lassen. Die ganzen Heimlichkeiten sind weggefallen.

Und manche Kinder lassen sich zunächst vom Nikolaus beschenken, und zwei Wochen später noch einmal vom Weihnachtsmann oder wahlweise vom Christkind. Das Christkind als Geschenkebringer ist eigentlich eine protestantische Erfindung aus dem süddeutschen (Sprach-)Raum, sowie den Alpenländern. Die Protestanten lehnten die Heiligenverehrung, somit auch den Nikolaustag, ab.

Der Weihnachtsmann ist eine Figur ebenfalls aus dem Protestantischen, aber eher in Nordeuropa verbreitet. Der Weihnachtsmann hat keinen Bischofshut – wie der Nikolaus – aber ähnelt ihm mit seinem roten Gewand sehr stark. Weil Coca-Cola eine Zeit lang mit dem Weihnachtsmann Werbung machte, wird das Outfit des Weihnachtsmannes für eine Erfindung von Coca-Cola gehalten. Das ist aber nicht so. [jdm]