Paritätische zur IW-Studie über Sozialausgaben: Kürzungen gut für Arbeitgeber, die BürgerInnen würden draufzahlen.

IW-Studie zu Sozialausgaben
Dr. Joachim Rock auf Tiktok

Aus Anlass der am 24.11.2025 veröffentlichten IW-Studie zu Sozialausgaben des Staates äußerte sich Dr. Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes auf Tiktok und in einem Pressestatement: "Die heute diskutierte Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft behauptet, dass Deutschland überhöhte Sozialausgaben habe, doch die Auswahl der Vergleichsländer greift zu kurz. Entscheidend ist: Nimmt man den EU-Durchschnitt, liegen die deutschen Sozialausgaben im Mittelfeld, bei der Alterssicherung sogar seit Jahren darunter. Das überrascht nicht angesichts durchschnittlicher Renten von nur 1.100 Euro. 

Zudem berücksichtigt die Studie nur staatliche Ausgaben und blendet private Vorsorgekosten, die der Staat den Bürgerinnen und Bürgern häufig abnimmt, vollständig aus. Rechnet man beides zusammen, zeigt selbst die OECD: 
Deutschland gibt im Verhältnis zum BIP weniger für soziale Sicherung aus als viele Vergleichsländer, weniger noch als die USA. Kürzungen bei den staatlichen Ausgaben kämen den Arbeitgeberverbänden zu Gute, die Bürgerinnen und Bürger müssten sich teuer selbst absichern. Sie würden draufzahlen.

Die Schlussfolgerung ist klar: Notwendig ist eine verlässlichere und solidarisch finanzierte Absicherung – besonders im Alter. Konzepte, die vor allem Arbeitgeber entlasten und die Kosten auf Einzelne verlagern, führen in die falsche Richtung." [PM]

„Die Stabilisierung des Rentenniveaus bringt einen generationenübergreifenden Nutzen mit sich“

IMK Stabilisierung des Rentennieveaus

Was sagen eigentlich die hiesigen Mitglieder der Jungen Union dazu, das ihre Organisation unbedingt möchte, dass sie später eine Rente bekommen, die niedriger ist als das Rentenniveau von 48 %?

Es geht hierbei um das Verhältnis der Standardrente zum aktuellen Durchschnittslohn. Das heißt, wer 45 Jahre lang immer den Durchschnittslohn verdient und eingezahlt hat, erhält als Rente 48 % dieses Durchschnittslohns. Der Fall tritt eher selten ein. Die tatsächlichen Renten sind also deutlich niedriger.

Wenn die (gut verdienenden) Bundestagsabgordneten der Jungen Union also jetzt so eine niedrige Rente fordern, betrifft es voraussichtlich alle jungen Menschen in Wippingen. Die 18 Abgeordneten, die sich in ihrem Namen gerade eine kleine Rebellion gegen den Rentenbeschluss der Bundesregierung leisten, betrifft es eindeutig nicht.

Die Rentenexpertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung Ulrike Stein hat in einem Papier die Höhe des Beitragssatzes zur Rentenversicherung und die Höhe der Renten dargestellt. Demnach ist die Beitragshöhe über Jahrzehnte kaum gestiegen, aber die Rentenhöhe ist stetig gesunken. Um einen weiteren Absturz der Rentenzahlungen zu vermeiden, musste die Rentenniveaugrenze festgeschrieben werden.

Der Behauptung, diese Sicherung des Rentenniveaus ginge zu Lasten der jungen Generation, hält Ulrike Stein entgegen: „Insgesamt zeigen die Simulationsergebnisse in Domingues Semeano et al. (2025), dass die These, nach der eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 % und die damit verbundenen Beitragserhöhung jüngere Generationen benachteiligen würden, empirisch nicht haltbar ist. Tatsächlich würden alle betrachteten Geburtskohorten (1940-2010) von solch einer Maßnahme profitieren, da die erwarteten Rentenzahlungen die geleisteten Beiträge übersteigen. Im Falle des Rentenpakets 2025 trifft diese Aussage ebenfalls zu. Da die Stabilisierung des Rentenniveaus in diesem Fall aus Steuermitteln finanziert wird, profitieren auch die jüngeren Generationen von den zukünftig höheren Rentenzahlungen, ohne hierfür höhere Rentenbeiträge leisten zu müssen.“

Die Bundestagsabgeordneten der Jungen Union haben sich die Haltung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände  BDA zu eigen gemacht, die schnellstmöglich wieder zum Rentenniveau zurückkehren möchte, wie es sich ohne Sicherungsniveaugrenze durch den Gesetzgeber entwickeln würde. Den Arbeitgebern geht es hier darum, die Beiträge zur Rentenversicherung zu senken. Nebenbei würde eine solche Armutsrente dazu führen, dass das den Versicherungskonzernen ein lukratives Geschäftsfeld eröffnet, denn irgendwie würden bei solchen Aussichten alle versuchen, wenigstens etwas fürs Alter auf die hohe Kante zu legen. Die Arbeiterklasse hätte dabei keine anderen Möglichkeiten, als sich für eine der angebotenen Anlageformen zu entscheiden und müsste das Risiko des Totalverlustes dieser Form der Ersatz-Altersversorgung tragen.

Für die Karrierejungs und – mädchen an der Spitze der Jungen Union stellen sich solche Fragen nicht. Sie werden bei eben diesen Wirtschaftsverbänden ihre Belohnung für ihre Lobbyarbeit bekommen. [jdm]

Regierungsparteien und AFD stimmten gegen Mietwuchergesetzentwurf der Linken

Regierung und AfD Seite an Seite stimmten am 6. November im Bundestag gegen einen Gesetzentwurf der Linken zur Ahndung illegal hoher Mieten. Unterstützung erhielt der Gesetzentwurf von den Grünen. In namentlicher Abstimmung votierten 131Abgeordnete für den Entwurf, 440 Abgeordnete stimmten dagegen.

Die Fraktion Die Linke verlangte, Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes zu verschärfen. Auf das Erfordernis der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen solle verzichtet und stattdessen bei der Frage der Unangemessenheit auf ein objektives Kriterium, nämlich das Vorliegen eines geringen Angebots, abgestellt werden. Hierdurch würden die bestehenden Beweisprobleme erheblich entschärft. Darüber hinaus verlangt die Fraktion eine Erhöhung des Bußgeldrahmens auf 100.000 Euro.

Das als Ordnungswidrigkeitstatbestand ausgestaltete Verbot der Mietpreisüberhöhung im Paragrafen 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes sei bisher in der Praxis weitgehend wirkungslos geworden. Hauptgrund dafür sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sehr hohe Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen durch Vermietende stelle.

Die Linke kündigte als Konsequenz aus der Untätigkeit der Regierung große Mietenkampagne als Kampfansage an Immobilienkonzerne und dreiste Vermieter an. [jdm]

CDU hat mit aufgebauschten Zahlen Stimmung gemacht

Prof. Stefan Sell hat sich in einem Blogbeitrag mit den möglichen Einsparungen beim Bürgergeld auseinandergesetzt. Das Bundesarbeitsministerium hat die möglichen Einsparungen jetzt mit 86 Mio. € genauer beziffert. Begründung: Es gibt einfach den kolportierten Missbrauch in Wahrheit nur in Spurenelementen und es gibt für die teils gehandicapten und/oder ungelernten Menschen die Arbeitspätze nicht.

Prof. Sell hat in seinem Artikel eine kleine Chronik der aus den Fingern gesogenen Zahlen von CDU-Politikern geliefert:

  • Im Bundestagswahlkampf sprach Friedrich Merz von zehn Milliarden € Einsparung durch eine Bürgergeldreform.
  • Anfang Oktober 2025 wurde CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann vom ZDF mit diesen Worten zitiert: „Es sind sehr viele Milliarden, da bin ich mir ganz sicher“.
  • Torsten Frei (CDU), heute Kanzleramtsminister, sagte bei Markus Lanz am 12. November 2024 (kurz nach Bruch der Ampel-Koalition): Der Staat könne „etwa 30 Milliarden Euro“ einsparen.
  • Friedrich Merz (CDU) sprach im Dezember 2024 (damals noch Kanzlerkandidat) von „zweistelligen Milliardenbeträgen“ (ARD-Interview)
  • Jens Spahn (CDU), heute Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, sprach am 19. November 2024 davon, man wolle „bis zu zehn Milliarden“ einsparen.
  • Bereits als Bundeskanzler nannte Friedrich Merz im Sat.1-Interview eine Einsparung von zehn Prozent als Ziel – das wären fünf Milliarden Euro.

Nun sollen es nur 0,086 statt 30 Spar-Milliarden und am Ende sogar mehr Kosten werden. [jdm]

SPD-Mitglieder gegen Verschärfungen beim Bürgergeld

Auch wenn es nicht zu glauben ist: Es gibt anscheinend immer noch Mitglieder in der SPD, die die Partei nicht ausschließlich als Karriereverein betrachten, sondern noch an die sozialdemokratische Tradition anknüpfen und sozialpolitisch etwas Positives bewegen wollen. 166 Erstunterzeichner haben ein Mitgliederbegehren unter dem Motto "Liebe SPD, bleib stabil!" gegen die Verschärfungen des Bürgergeldes gestartet. Inzwischen haben 2600 Mitglieder das Begehren unterstützt. Auf der Seite "Mitgliederbegehren.org" kann das Begehren unterzeichnet werden.

Konkret fordert das Mitgliederbegehren, dass es keine Verschärfung der Sanktionen beim Bürgergeld geben dürfe. Wer auf Unterstützung angewiesen ist, dürfe nicht in Existenzangst gedrängt werden. Sanktionen, die das Existenzminimum gefährdeten, widersprächen der Menschenwürde.

Das Bürgergeld solle im Gegensatz zu den Planungen der Regierung und der SPD-Führung zu einer existenzsichernden Leistung weiterentwickelt werden durch bessere Unterstützung, Qualifizierung, Coaching und psychosoziale Hilfe. Das Bürgergeld solle eine armutsfeste Grundsicherung darstellen, die Lebensrealitäten anerkenne und Teilhabe ermögliche. Es dürfe keine Wiederauflage der Agenda 2010 geben.

Die aktuellen Debatten rund um vermeintliche „Arbeitsverweigerung“ reproduzierten rechte, sowie neoliberale Narrative und führen zu einer Entsolidarisierung, statt Lösungen für reale Probleme wie den Niedriglohnsektor, Wohnungsmangel oder Bildungsungleichheit zu bieten. Die Diskussion um das Bürgergeld lenke die Diskussion statt auf die Ursachen von Armut auf symbolpolitische Maßnahmen. Maßnahmen wie die Vermögenssteuer oder die Erhöhung der Erbschaftssteuer seien in den Fokus zu nehmen, anstatt populistischen Forderungen nachzugeben.

Im Vorwärts weist ein Artikel darauf hin, dass dieses Begehren nicht den formalen Anforderungen des SPD-Statuts entspricht. Man darf gespannt sein, wie die SPD-Führung diese Meinungsäußerung der Mitglieder abbügeln wird. [jdm]

Sozialministerin Bärbel Bas will Armut mit Repression bekämpfen

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat vor kurzem mit dem Millionär Friedrich Merz, der neben seinem Hauptwohnsitz auch auf ein Haus am Tegernsee zurückgreifen kann, auf einer Pressekonferenz das Vorhaben der Bundesregierung verkündet, Empfänger des Bürgergelds zu schikanieren und ihnen Sanktionen angedroht, die bis zum Verlust der Wohnung führen können. Damit dies nicht als die Bösartigkeit, die sie ist, empfunden wird, fährt sie jetzt eine Kampagne gegen „Sozialbetrug“.

Genauso wie für die Missbrauchsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Bürgergeld, fußt auch diese Kampagne nicht auf tatsächlichem massenhaften Betrug, sondern es geht um die politische Absicht. Konkrete Zahlen nannte Bas nicht, weil sie keine kennt.

Die Wohnungsnot ist überall groß, auch in Bärbel Bas’ Heimatstadt Duisburg, das zum Veranstaltungsort für eine Konferenz über Mittel gegen Sozialbetrug gewählt wurde. Im Fokus standen dabei Probleme rund um Zuwanderung aus Südosteuropa. Eingeladen waren Vertreter kommunaler Spitzenverbände und der Bundesagentur für Arbeit. Bas inszeniert sich gern als bescheidene bodenständige Duisburgerin. Laut ihrer veröffentlichten Steuererklärung aus dem Jahr 2022 verdiente Bas rund 22.700 Euro im Monat. Aber das wird ihren Blick auf Armut sicher nicht trüben. Im Gegenteil, sie möchte Armut nicht mehr sehen und deshalb aus der Stadt verdrängen.

Die Tagesschau verwies in ihrem Bericht auf eine Razzia vor einem Jahr in einem Hochhaus des Gebäudekomplexes „Weißer Riese“. Etwa 400 Einsatzkräfte und Angestellte der Stadt rückten dabei an. Sie kamen vom Ordnungsamt, vom Ausländeramt, von der Stadtkasse und der Abteilung Sozialleistungsmissbrauch, aber auch von der Familienkasse und dem Jobcenter. Betroffen waren 320 Wohnungen und 1.414 gemeldete Personen innerhalb des Wohnkomplexes.

Hier lebten hautsächlich Familien und Menschen mit Migrationshintergrund, die von Armut betroffen sind. Häufig arbeiten sie in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Diese prekären Verhältnisse werden ihnen vorgeworfen. Angeblich wurden sie nur nach Deutschland geschleust, um von Bürgergeld zu leben. Tatsächlich handelt es sich um Menschen, die von deutschen Unternehmen durch Sub-Sub-Unternehmen als Leiharbeiter nach Deutschland angeworben wurden und ohne soziale Sicherheit der Ausbeutung ausgesetzt sind.

Die angeblichen mafiösen Strukturen finden die Politiker nicht bei den prekär Beschäftigten, sondern bei den Unternehmen, die sie in diesen Arbeitsverhältnissen ausbeuten.

In Duisburg-Marxloh speziell erklärt die Stadtverwaltung unter dem Vorwand des Brandschutzes oder mit anderen vorgeschobenen Begründungen, wie nicht bezahlten Wasserrechnungen der Wohnungsbaugesellschaften, die Häuser für unbewohnbar. Bewohner werden schikaniert, ihr Wohnraum und ihre wirtschaftliche Existenz werden vernichtet. Die Stadt Duisburg bekämpft Arme, statt die Armut zu bekämpfen. Es geht um Armutsverdrängung, statt Bekämpfung der Ursachen.

Bärbel Bas ist jetzt nach Duisburg gereist, um dieser Strategie den Gütesiegel zu verleihen und selbst von dieser Strategie zu profitieren. Die Konferenz hätte sie sich sparen können, weil sie das Ergebnis schon vorweg genommen hat. Sie setzt auf Repression, denn diese Menschen kämen mit dem Vorsatz nach Deutschland, Sozialleistungen zu kassieren. Sie müssten in ihre Heimatländer zurückkehren, sagte die Ministerin – mit Wiedereinreisesperre. Und es müsste regelmäßige und schärfere Kontrollen geben.

Von einer Polizeiministerin der AFD hätte man so eine „Erkenntnis“ erwarten können; für eine sozialdemokratische „Arbeits- und Sozialministerin“ ist das zum Fremdschämen. [jdm]

„Arbeit macht frei“ – Eine gefährliche Kontinuität

Ein CDU-Kommunalpolitiker aus Seevetal (Niedersachsen), Marco Walczak, schrieb auf Facebook unter einem Beitrag der Linken den Satz „Arbeit macht frei“ – eine bekannte NS-Parole aus Konzentrationslagern. Nach massiver Kritik löschte er den Kommentar, entschuldigte sich und trat als CDU-Ortsvorsitzender zurück. Die CDU verurteilte den Vorfall scharf, erteilte ihm einen Verweis und untersagte ihm politische Posts in sozialen Medien. Walczak behält aber seine Ratsmandate.

Nicht zum ersten Mal wurde die NS-Devise „Arbeit macht frei“ in der Öffentlichkeit zitiert – und wieder führte sie zum Eklat. Offenbar hat sich die nationalsozialistische Arbeitsauffassung bis heute einer ernsthaften Aufarbeitung entzogen. Vielen Menschen erscheint die Formel als ideologiefrei, als harmlose Aufforderung zum Fleiß – bestenfalls als ein vom Nationalsozialismus missbrauchter Spruch.

Wie kann das sein? Es gelingt, weil der Nationalsozialismus und seine Ideologie noch immer als etwas betrachtet werden, das plötzlich über die Gesellschaft kam und genauso plötzlich wieder verschwand. So können selbst bürgerliche Politiker bekannte NS-Devisen verwenden, ohne den historischen Bezug zu erkennen.

Pikant ist dabei: Das aktuelle Beispiel betrifft ausgerechnet das Bürgergeld – also ein Thema, das eng mit unserer heutigen Arbeitsauffassung verknüpft ist. Denn auch heute lässt sich eine Kontinuität des Denkens kaum leugnen. Bürgergeldempfänger werden pauschal als faul und unwillig diffamiert, als Menschen, die „nichts leisten“ und sich damit außerhalb der Gemeinschaft stellen. Schon im Nationalsozialismus war der Wert eines Menschen an seine Arbeitsfähigkeit und seinen Beitrag zur „Volksgemeinschaft“ geknüpft. Wer nicht in das Bild des „fleißigen Volksgenossen“ passte, galt als „arbeitsscheu“ oder „asozial“ – mit verheerenden Folgen.

Erschreckend ist, dass der Stolz auf den eigenen Fleiß und die Parole „Arbeit macht frei“ bis heute in Teilen der Gesellschaft unreflektiert fortwirken – als vermeintliche Tugend, ohne die menschenverachtende Ideologie dahinter zu hinterfragen. [Joop Deters]

Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages: Stoppen Sie die geplanten Verschärfungen bei den Kosten der Unterkunft, verhindern Sie Wohnungslosigkeit!

Das Bürgergeld hat Anfang 2023 das Hartz-IV-System abgelöst. Jetzt soll sie zu einer Neuen Grundsicherung umgebaut werden. Dazu hat der Koalitionsausschuss der amtierenden schwarz-roten Bundesregierung im Oktober 2025 seine Pläne vorgestellt. „Die Verabredungen zur sogenannten neuen Grundsicherung verschärfen die Lage für viele Menschen“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. .

In der Debatte um das Bürgergeld sei ein Zerrbild über Totalverweigerer gemalt worden, aus dem jetzt überzogene Konsequenzen gezogen würden. Mit „Sanktionsverschärfungen, bis an die Grenzen dessen, was verfassungsrechtlich zulässig“ sei, setze die Bundesregierung die falschen Signale: „Viele Menschen geraten unverschuldet in Notlagen oder müssen aufstocken, weil sie alleinerziehend in der Teilzeitfalle stecken oder als Geringverdiener zu geringe Einkommen haben, um sich und ihre Kinder zu versorgen“, stellte Werneke klar.

Die geplante Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs sei ein Fehler: „Das bedeutet, dass im Zweifelsfall jeder Job angenommen werden muss.“ Sinnvoller wäre es, konsequent auf Aus- und Weiterbildung zur Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu setzen. Sie trügen wesentlich dazu bei, dass Menschen nicht dauerhaft in die Grundsicherung abgleiten. Überdies nehme infolge der Neuregelungen der Druck auf die ohnehin stark belasteten Beschäftigten der Jobcenter weiter zu und trage dort zur Verschärfung der Konflikte bei.

ver.di sowie acht weitere Organisationen und Sozialverbände warnen in einem gemeinsamen offenen Brief an Abgeordnete des Deutschen Bundestags zudem vor den geplanten Verschärfungen bei den Kosten der Unterkunft. Der ver.di-Vorsitzende stellt klar: „Die Umstellung des Bürgergelds auf die neue Grundsicherung droht mehr Schaden als Nutzen zu bringen, etwa infolge der geplanten Verschärfungen bei Schonvermögen und der Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs. Völlig inakzeptabel sind die Pläne, im Rahmen von Sanktionen sogar die Übernahme der Kosten für die Unterkunft komplett zu streichen: Es darf keine Sanktionen geben, in deren Folge die Menschen ihre Wohnungen verlieren und Obdachlosigkeit droht.“ [PM Verdi]

Gute Argumente gegen die Vermarktung unserer Gesundheitsvorsorge

Der Verein Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e. V. hat zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Broschüre mit dem Titel „Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft. Wie Schließungen und Privatisierung die medizinische Versorgung verschlechtern und was wir dagegen tun können“ herausgegeben.

Ziel der Broschüre ist es, über den Umfang, die Ursachen und die Folgen des Krankenhauskahlschlags aufzuklären und solidarische Alternativen aufzuzeigen. Neben Analysen gibt es zahlreiche Beispiele und Grafiken sowie einen Werkzeugkasten, um Aktive, die sich gegen eine drohende Schließung wehren, zu unterstützen.

Inhaltlich geht die Broschüre auf die Situation der Krankenhäuser ein. Einerseits leiden Beschäftigte und Patient:innen unter dem Zustand des Gesundheitssystems, und es häufen sich Meldungen von Klinikinsolvenzen oder Schließungen. Auf der anderen Seiten behaupten Politiker:innen und Ökonom:innen, dass wir zu viele Krankenhäuser haben, deswegen auch zu viele Ausgaben, zu wenig Personal und eine schlechte Qualität der Versorgung.

Abhilfe sollte die letztes Jahr verabschiedete Krankenhausreform leisten. Der damalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach versprach „Entökonomisierung“ und „Entbürokratisierung“. Mittlerweile ist jedoch klar, dass die Reform zu mehr Privatisierung und Kommerzialisierung, zu mehr Bürokratie, Unterfinanzierung, Strukturabbau und Zentralisierung führt. Sie bringt keinen Richtungswechsel, sondern schreibt den neoliberalen Kurs in der Krankenhaus- und Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte fort. Nach wie vor ist es erlaubt und möglich, mit dem Betrieb von Krankenhäusern Gewinne zu erwirtschaften. Der Krankenhausbereich bleibt eine Profitquelle für private Konzerne.

Lauterbachs Nachfolgerin im Gesundheitsministerium, Nina Warken (CDU), strebt zwar einige Änderungen an, die generelle Ausrichtung bleibt aber gleich. Dabei gibt es sinnvolle gemeinwohlorientierte Alternativen: Eine kostendeckende Finanzierung statt des aktuellen Fallpauschalensystems und eine demokratische Bedarfsplanung würden die Krankenhäuser aus dem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb befreien und die Profitmacherei mit der Gesundheit beenden. Zahlreiche gesundheitspolitische Initiativen von unten und die kämpfenden Beschäftigen fordern dies, um den Weg zu einem demokratischen und bedarfsgerechten Krankenhauswesen freizumachen. [PM]

Zu wenig Arztausbildungen in Deutschland – Deutschlands Abwerbepraxis verschlechtert Stuation im Globalen Süden

WHO-Liste von Ländern, aus denen keine Pflegekräfte abgeworben werden dürfen
WHO-Liste von Ländern, aus denen keine Pflegekräfte abgeworben werden dürfen

Der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi sagte bei der SPD-Veranstaltung in Sögel, dass in diesem Jahr 80 neue Studienplätze für Ärzte geschaffen worden seien. 60 Studienplätze in Niedersachsen seien für Studierende reserviert, die sich verpflichten, sich 10 Jahre an einem beliebigen Ort in Deutschland, an dem ein Arzt fehlt, niederzulassen.

Philippi beklagte, dass ausgebildete MedizinerInnen sich nicht immer als Ärzte im Lande niederlassen würden, sondern wenn ein gut bezahlter Job in der Pharmaindustrie winke, auch dort blieben und somit die Arztmisere nicht verminderten. Und das, obwohl der Staat 400.000 € in deren Ausbildung investiert habe. Es sei rechtlich vermutlich nicht durchsetzbar, aber eigentlich plädiere er dafür, dass Ärzte, die nicht als Ärzte tätig werden und der Allgemeinheit somit nichts zurückgäben, dem Staat ihre Ausbildungskosten ersetzen müssten.

Mit diesem Appell für eine Gemeinwohlorientierung konnte er billig Applaus einfangen, wobei sich die meisten Applaudierenden wohl nicht darüber im Klaren waren, dass sie damit den Anfang vom Ende einer freien Universitätsausbildung für alle beklatschten.

Philippis Appell ist angesichts seiner Beihilfe, das Krankenhauswesen auf Profitorientierung auszurichten, mehr als seltsam. Dadurch, dass viele kleine Krankenhäuser geschlossen werden und oder sie wichtige Abteilungen verlieren, gehen auch die von ihnen angebotenen Ausbildungsplätze verloren. Die Pflegekräfteausbildung ist zumeist verbunden mit kleinen Fachbereichen in den örtlichen Berufsbildenden Schulen. Auch diese schulischen Kapazitäten gehen verloren. Die geplanten Mega-Krankenhäuser werden diese Ausbildungsplätze nicht ersetzen (können).

Und noch seltsamer wirkt Philippis Klage angesichts der Tatsache, dass überall aus dem globalen Süden Gesundheitsfachkräfte mithilfe des Arbeitsamtes nach Deutschland gelotst werden – eine Abwerbung aus Gesundheitssystemen von sehr armen Staaten, die Schwierigkeiten haben, Personal auszubilden und zu halten.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD) waren Anfang Februar 2023 in Ghana und in der Elfenbeinküste. Heil reiste ebenfalls 2023 mit der damaligen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Brasilien. Mit Nigeria wurde ein Migrationsabkommen geschlossen. Dabei stand die Anwerbung von Fachkräften für das Gesundheitswesen im Vordergrund.

Deutsche Politiker haben also keine Probleme damit, die Ressourcen der ärmsten Länder der Welt für die Versorgung mit medizinischem Personal auszunutzen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat laut Deutschem Ärzteblatt schon 2010 einen Verhaltenskodex für die internationale Rekrutierung von Gesundheitspersonal beschlossen, den auch Deutschland unterschrieben hat. Demnach sollen wirtschaftlich stärkere Länder schwächeren Staaten helfen, die benötigten Ausbildungen zu schaffen. Aktive Abwerbung in den Ländern, in denen es bereits einen kritischen Mangel gibt, solle unterlassen werden.

WHO-Verhaltenskodex
WHO-Verhaltenskodex

Dafür gibt es die WHO-Liste mit 55 Ländern. Ghana sowie die Elfenbeinküste – die Reiseziele von Heil und Schulze – stehen dort mit drauf. Brasilien nicht – allerdings hat die WHO-Liste sowie der Kodex eine Schwäche: Es wird nicht nach dem Stadt-Land-Gefälle von Gesundheitseinrichtungen unterschieden. So ist zu vermuten, dass auch in Brasilien in ländlicheren Regionen Gesundheitsfachkräfte rar sind.

Philippis Anregung, Ausbildungskosten zu ersetzen, ist also einen Gedanken wert, wenn auch ganz anders, als er es populistisch gefordert hat: Wie wäre es, wenn der deutsche Staat den Ländern des globalen Südens die Ausbildungskosten für die Ärzte und Pflegekräfte ersetzen würde, die Deutschland dort abwirbt. Das ist übrigens eine Forderung des WHO-Verhaltenskodexes.

Ein Feature im Deutschlandfunk beschreibt die Ursachen, aber auch die Folgen der Abwerbung von Ärzten und Pflegern aus Afrika. Deutschland bildet nicht genug PflegerInnen und ÄrztInnen aus und holt sich stattdessen diese Kräfte dort her, wo ohnehin zu wenig sind.

Das Deutschlandfunk-Feature beschreibt, dass diese Form des Braindrains (die Emigration besonders ausgebildeter oder begabter Menschen aus einem Land) auch sehr stark durch die USA und Großbritannien betrieben wird.

Im Feature wird aber auch über ein zukunftsweisendes Projekt der Hochschulen aus Nairobi und Koblenz gemeinsam mit dem Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim berichtet, das dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken und jungen Kenianerinnen und Kenianern neue Perspektiven bieten will. In diesem Projekt werden nicht ausgebildete und erfahrene Pflegekräfte aus Kenia abgeworben, sondern Menschen, die in Kenia keine Berufsperspektive haben, angeworben, um sich in Deutschland zu Pflegekräften ausbilden zu lassen. Hierbei verliert tatsächlich niemand, sondern es gewinnen alle Beteiligten. [jdm]

Bleibt die Geburtsstation in Sögel? Nicht schlauer geworden

v.l.: SPD-Ortsvorsitzende Julia Hopster, Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Emsland Andrea Kötter, Nds. Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi

„Schlauer sind wir nicht geworden,“ war ein Zuschauerkommentar nach der Veranstaltung der SPD Sögel mit Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) im Clemenswerther Hof. Die Aussage bezog sich vor allem auf die Zukunft der Geburtsstation im Hümmling Hospital.

Ca 140 Menschen waren gekommen, um zu hören, was der Minister zur Krankenhausversorgung zu sagen hatte. Sögels Samtgemeindebürgermeister Frank Klaß hatte in seinem Grußwort die Hauptthemen aus emsländischer Sicht benannt: Bleiben die Fachabteilungen in Sögel bestehen. „Und bei der Arztversorgung brennt die Luft.“

Dass Minister Philippi dem Krankenhaussterben nichts entgegen setzen möchte, wurde schon aus seinem Eingangsstatement deutlich, wo er stolz auf das Niedersächsische Krankenhausreformgesetz verwies, das schon 2019 beschlossen worden sei. Die Fortschritte der Medizin hätten eine neue Struktur des Krankenhauswesens erfordert. Es habe zu viele OPs gegeben und zu viele Endoprothesen würden eingesetzt, obwohl dies medizinisch nicht nötig gewesen sei. Es müssten deshalb Überkapazitäten abgebaut werden.

Die Chirurgie in den kleineren Krankenhäusern bezeichnete er als „Gelegenheitschirurgie“, von der man Abstand nehmen müsste. Nur dort, wo viel operiert werde, werde auch gute Qualität erzielt. Im späteren Verlauf hob er eine Geburtsstation mit über 4000 Geburten in einem Zentralkrankenhaus als Vorbild hervor. 500 Geburten pro Jahr werden für eine Geburtsstation mindestens gefordert. In Niedersachsen solle es 8 Versorgungsregionen mit jeweils einem Maximalversorger und einigen Grund- und Regelversorgern geben.

Gegen solche Zahlen kann das Sögeler Krankenhaus mit zuletzt 410 Geburten in 2024 (2018: 504 Geburten, 2019: 529 Geburten) nicht konkurrieren. Philippi konnte sich bei all seiner sonst zur Schau gestellten Jovialität nicht durchringen, einen Bestand der Sögeler Geburtsstation in Aussicht zu stellen. Nur „ob es 480 oder 500 Geburten sind, spielt keine Rolle“.

Eine Zuschauerin verwies darauf, dass ein Grund- und Regelversorger ohne andere Fachabteilungen – die ja alle beim Maximalversorger angesiedelt sein sollen – wirtschaftlich nicht überleben könne, aber auch für Ärzte nicht attraktiv sei und so Probleme mit der Arztversorgung entstünden.

Philippi sah hier die Verantwortung der Krankenhausgeschäftsführer, die für genug Ärzte sorgen müssten. In einer Anekdote erzählte er von einem kleinen Krankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern, das einen Arzt durch eine sehr hohe Vergütung gewonnen habe. Woher das Geld gekommen ist, sagte er nicht.

Die Niedersächsische Landesregierung hat vor zwei Jahren dem Lauterbach’schen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) zugestimmt. Philippi sprach davon, dass dieses Gesetz zunächst den ländlichen Raum außen vor gelassen habe, aber durch die Intervention der Länder stelle der „Sicherheitszuschlag“ – so nannte er die Vorhaltepauschale, die 40 % der Kosten decken soll - die Grundversorgungsstandorte auf finanziell sichere Füße. Er verglich die Vorhaltepauschale mit der Finanzierung der Feuerwehr, die vorsorglich finanziert werde, auch wenn es nicht brenne. Damit griff Philippi geschickt einen Vergleich der Gegner des Lauterbach’schen Kahlschlaggesetzes auf, die fordern, dass Krankenhäuser nicht nach dem Profitprinzip finanziert werden dürfen, sondern als Teil der Grundversorgung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip alle Kosten für die Behandlung  von den Krankenkassen erstattet bekommen müssen.

Philippi kritisierte das jetzt von der Bundesregierung geplante Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG), weil dieses Einsparungen von 2 Mrd. € auf Kosten der Krankenhäuser bringen solle, obwohl doch vorher erst 3 – 4 Mrd. € Investitionen zugesagt worden seien. Das passe nicht zusammen. Jetzt sei man am gleichen Punkt wie vor zwei Jahren. Was ihm konkret sonst an dem neuen Gesetz nicht passt, sagte er allerdings nicht.

Auch für den Abbau von gynäkologischen Stationen bemühte er den medizinischen Fortschritt, der kürzere Liegezeiten und deshalb weniger Betten möglich mache.

Die Frage zum Apothekensterben beantwortete er zunächst mit der Behauptung, dass das in erster Linie ein städtisches Problem sei und das Land kaum betreffe. Als ihm entgegen gehalten wurde, dass auf dem Hümmling die Hälfte der Apotheken geschlossen wurden, zeigte er sich kurz irritiert, um dann über die Entscheidungsfreiheit des Apothekers zu sprechen, der nun mal zumachen kann. Das hatte auch niemand bestritten. Er rettete sich dann mit einer Klage über die schwierige Situation bei den Notdiensten der Apotheken. Ziel sei, dass eine einfache Fahrt zu einer Apotheke nicht länger als 25 km sein solle. Er forderte eine Erhöhung der Rezeptgebühr für die Apotheker um 1 €, womit er knapp unter der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Marge liegt.

Die Frage, warum die Versorgung mit Kinderärzten so schwierig sei, konnte Philippi beantworten: Es gebe einfach zu wenig. Man könne niemanden zwingen, sich darauf zu spezialisieren. Die Kinderärzte seien allerdings entbudgetiert worden. Das bedeute, dass sie weiter voll für ihre Arbeit bezahlt würden, auch wenn sie das festgelegte Budget schon erreicht hätten. Untersuchungen hätten ergeben, dass die Kosten jetzt zwar zugenommen hätten, aber nur für die vorhandenen Patienten und dass nicht mehr Patienten behandelt worden seien. [jdm]

Arbeitsagentur schottet sich weiter von ihren „Kunden“ ab – In Sögel keine persönliche Arbeitslosenmeldung mehr möglich

Laut einer Pressemitteilung ist die Agentur für Arbeit in Sögel seit dem 1. Oktober 2025 ausschließlich online unter https://web.arbeitsagentur.de/portal/terminvereinbarung/pc/agenturen/anliegenauswahl oder telefonisch unter der zentralen Rufnummer 0 800 4 5555 00 erreichbar. Über den vorgenannten Link kann für diverse Anliegen ein telefonischer Termin vereinbart werden, um sich arbeitsuchend zu melden, Fragen zum eigenen Arbeitslosengeld-Antrag zu stellen, sich über berufliche Möglichkeiten nach der Schulzeit beraten zu lassen, einen passenden Termin für anderweitige Anliegen zu finden. 

Eine persönliche Arbeitslosmeldung ist nur in der Agentur für Arbeit Meppen, Montag und Mittwoch bis Freitag von 8:00 – 12:00 Uhr und in der Agentur für Arbeit Papenburg, Montag bis Donnerstag von 8:00 Uhr – 12:00 Uhr möglich. 

In der Arbeitsagentur Sögel sind Gespräche zu Fragen der Berufsberatung oder Arbeitsvermittlung und Angebote für Arbeitgeber nur mit Termin möglich. "Für die Arbeitsuchend-Meldung und für Fragen zum Arbeitslosengeld-Antrag bieten wir Telefon-Termine an“, so Reinhard Greß, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Nordhorn. 

Die früher relativ einfache Nutzung des Online-Portals der Arbeitsagentur ist durch immer neue Sicherheitsanforderungen mittlerweile sehr kompliziert geworden und dürfte von vielen, die ihre Rechte aus der Arbeitslosenversicherung wahrnehmen wollen, nicht mehr bewältigt werden können. Unter dem Vorwand der Digitalisierung hält sich die Arbeitsagentur ihre "Kunden" vom Leib.

Das im Agentur-Gebäude untergebrachte Jobcenter Sögel, das für Bürgergeld zuständig ist, ist von diesen Änderungen nicht betroffen. Hier wirkt sich segensreich aus, dass im Emsland die Jobcenter nicht von der Arbeitsagentur geführt werden, sondern von den Kommunen. [jdm]

Angehörige leisten unbezahlte Pflege im Wert von 206 Milliarden Euro

Pflegende Angehörige in Deutschland leisten weit mehr als nur private Fürsorge. Laut einer Studie der Hochschule Zittau/Görlitz hätten die informellen Pflegeleistungen im Jahr 2023 – wären sie von angelernten Pflegehilfskräften erbracht worden – einen Wert von rund 206 Milliarden Euro gehabt.

Laut Statistischem Bundesamt wurden im Dezember 2023 etwa 86 Prozent (4,9 Millionen Menschen) der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, überwiegend durch Angehörige. Wer die Abschaffung des Pflegegrads 1 befürworte, übersehe nicht nur den aktuellen gesellschaftlichen Wert und das Engagement der pflegenden Angehörigen, sondern ignoriere auch die zukünftigen Herausforderungen, sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. „Mit dem demografischen Wandel, insbesondere dem Eintritt der Babyboomer-Generation ins Pflegealter, und dem anhaltenden Fachkräftemangel in der professionellen Pflege wird der Bedarf an pflegenden Angehörigen massiv steigen.“

Der Sozialverband VdK fordert eine deutliche Stärkung und Anerkennung pflegender Angehöriger ebenso wie verbindliche und nachhaltige Lösungen zur Absicherung der Pflegeversicherung. Dazu gehöre, dass Angehörige entlastet würden — finanziell, institutionell und durch bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Der Verband setzt sich zudem für eine einheitliche Pflegeversicherung ein, in die alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen und die alle Einkommensarten berücksichtigt.

Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat ein theoretisches Einsparpotenzial von rund 1,8 Milliarden Euro jährlich errechnet, sollten alle Pflegebedürftigen im Pflegegrad 1 sämtliche ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen. In der Realität lagen die Ausgaben 2024 laut GKV (Gesetzliche Krankenversicherung)-Spitzenverband jedoch bei nur 640 Millionen Euro, da viele Pflegebedürftige die ihnen zustehenden Leistungen nicht oder nicht vollständig in Anspruch nahmen. Diese Zahlen belegen nach Ansicht des VdK, dass die Erwartungen an Einsparungen bei einer Abschaffung des Pflegegrads 1 zu hoch gegriffen sind.

Die Studie „Der monetäre Wert der Pflegeleistungen von An- und Zugehörigen in Deutschland“ von Prof. Dr. Andreas Hoff, Prof. Dr. Steffi Höse, Prof. Dr. Martin Knoll und Prof. Dr. Notburga Ott steht auf der Website des GAT Institut für Gesundheit, Altern, Arbeit und Technik an der Hochschule Zittau/Görlitz (HSZG) zum Download bereit. [PM/jdm]

An Erbärmlichkeit nicht zu toppen: Der Bürgergeldbeschluss der Großverdiener

Da saßen bei der Pressekonferenz drei GroßverdienerInnen (Söder, Bas, Klingbeil) und ein Millionär (Merz), die alle ihre horrenden Bezüge direkt vom Staat bekommen und erzählten mit wichtigen Minen, wie sie beabsichtigen, die ärmsten Bürger zu drangsalieren, um dem Staat etwas Geld zu sparen. Die zwei SPDler haben damit deutlich gemacht, dass auch sie bereit sind, den Sozialstaat mit Füßen zu treten.

Der einzige Trost bei diesem trostlosen Auftritt ist, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht die großen Auswirkungen haben werden, wie sie da verkündet wurden. Und zweitens wird das Bundesverfassungsgericht die schlimmste der neuen Regeln - die Totalkürzung von Leistungen – aller Voraussicht nach wegen Verfassungswidrigkeit wieder canceln.

Nach einem versäumten Termin beim Jobcenter sollen 33 % der Leistungen gekürzt werden, nach einem zweiten versäumten Termin ein weiteres Drittel und beim dritten versäumten Termin sollen alle Leistungen gestrichen werden. Dieser Beschluss zeigt wieder einmal, dass diese Bundesregierung keinerlei Respekt vor unserer Verfassung hat und das Grundgesetz nur zur Kenntnis nimmt, wenn es Wege sucht, es zu umgehen.

Wie Merz mit der gespielt entschlossenen Stimme vortrug, dass in Zukunft der Antragsteller von Bürgergeld zu einem Gespräch eingeladen werde und einen Vertrag über gegenseitige Pflichten unterschreiben müsse, zeigt schon, dass er gar nicht weiß, worüber er redet. Diesen Vertrag gibt es schon seit der Einführung von Hartz IV und ist eine der sinnlosesten bürokratischen Prozeduren.

Die Sanktionen sollen nach dem Willen der vier Großverdiener schon nach dem ersten versäumten Termin verhängt werden. Das wird zu vielen Klagen von verzweifelten Menschen  führen, weil ein Termin immer versäumt werden kann. Mitteilungen an das Jobcenter über Hindernisgründe (Krankheit, usw.) sind in Zehntausenden von Fällen nicht möglich, weil die Jobcenter nicht erreichbar sind, weil die Hotlines nicht zuständig sind, weil keine E-Mails mehr möglich sind, weil Mitarbeiter telefonisch nicht erreichbar sind und alle Leistungsbezieher auf das elektronische Portal verwiesen werden, was ganz eigene Tücken mit sich bringt. Im Emsland gibt es diese Probleme der Erreichbarkeit allerdings nicht, weil sich die Jobcenter bei den Gemeindeverwaltungen befinden.

Die meisten Antragsteller nehmen ihre Termine sowieso wahr; es handelt sich also nicht um das Massenphänomen, von dem Merz und Bas schwafeln. Schlimm ist aber, dass diese Sanktionen vor allem diejenigen treffen, die sowieso schwer gebeutelt sind.

Das Bürgergeld ist nämlich gar nicht die Absicherung für arbeitslose Menschen, sondern die Hilfe für alle möglichen Problemlagen. Von den 5,4 Mio. Leistungsempfängern sind rund 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche. 2,2 Millionen Menschen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie zum Beispiel zur Schule gehen, ein Studium absolvieren, Angehörige pflegen oder sich um kleine Kinder (689.379 Personen) kümmern. 781.000 arbeiten bereits, verdienen aber nicht genug, um ohne zusätzliche Hilfe klarzukommen. Davon haben 265.000 einen Minijob, 65.000 sind selbstständig. Bleiben 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger übrig, die nicht arbeiten. 950.000, also 56 Prozent, davon sind Deutsche, 750.000, also 44 Prozent, sind Ausländer. Die größte Gruppe unter den Ausländern machen Ukrainer aus (168.961), dann kommen Syrer (123.573), Menschen aus anderen Staaten der EU (113.845) und mit einigem Abstand Afghanen (38.930).

Zwei Drittel der Arbeitslosen in der Grundsicherung haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Und sie haben nicht nur dieses Handicap. Viele haben psychische oder körperliche Erkrankungen, die es ihnen unmöglich machen, einen Arbeitsplatz zu ergattern und ihn auch zu behalten, aber sie sind noch nicht als erwerbsunfähig anerkannt. Denn dafür gilt allein das Kriterium, ob jemand in der Lage ist, drei Stunden am Tag zu arbeiten.

Bei dem Beschluss von Söder, Merz, Bas und Klingbeil handelt es sich also um einen Feldzug gegen Kranke, Behinderte und Kinder von armen Menschen. Die Sanktionierung einer Mutter, die ihren Termin versäumt hat, sanktioniert auch deren Kinder, die von dem gemeinsamen Familieneinkommen leben.

Was Merz und Bas mit wichtigen Minen verkündeten, ist an Erbärmlichkeit nicht mehr zu toppen. Die Umbenennung des Bürgergeldes in „Grundsicherung“, die Merz sich als großes Verdienst anrechnet, ist natürlich nichts als Wortgeklingel. Bevor die Leistung von Rot-Grün in „Bürgergeld“ umgetauft wurde, hieß das ALG II offiziell „Leistungen nach dem Gesetz über die Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Da hat die CDU ja den ganz großen Coup gelandet. [jdm]

Online – Vortragsreihe für Eltern und Interessierte „Hinschauen, Verstehen, Schützen – Prävention für Familien“

Jugendliche wachsen heute mit vielen neuen Trends und Herausforderungen auf. Vapes, Liquids und Cannabis sind nur ein Teil dieser Trends. Für Erwachsene sind diese Themen und die damit verbundenen Risiken vielfach unbekannt.

Die Online-Vortragsreihe möchte Orientierung geben, Wissen vermitteln und Austausch ermöglichen. Fachleute aus Suchtprävention, Jugendschutz und Gleichstellung geben Einblicke, beantworten Fragen und zeigen, wie Kinder und Jugendliche besser begleitet und geschützt werden können.

Diese Fortbildungsreihe wird vom Jugendschutz der Stadt Lingen und dem Fachbereich Jugend des Landkreises Emsland in Kooperation mit der Diakonie Emsland Bentheim, dem Caritasverband Emsland, dem Kinderschutzbund Emsland-Mitte und der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Lingen organisiert und durchgeführt. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldeschluss ist zwei Tage vor dem jeweiligen Veranstaltungstermin. Anmeldung unter https://lingen.de/Vortragsreihe.
Folgende Themen werden angeboten:

  • 29.10.2025, 19:00 - 20:30 Uhr: Vapes (Referentinnen: Kirsten Krüger & Claudia Kothe, Diakonie Emsland Bentheim)
  • 5.11.2025, 19:00 - 20:30 Uhr: Görke & Liquids (Referentin: Victoria Renemann, Caritas Emsland)
  • 12.11.2025, 19:00 - 20:30 Uhr: Cannabis (Referentinnen: Claudia Kothe & Maria Theisling, Diakonie Emsland Bentheim)
  • 6.11.2025, 19:00 - 20:30 Uhr: Sicher feiern - Sexualisierte Gewalt, Alkohol, KO-Tropfen (Referentinnen: Katrin Warstatt, Stadt Lingen & Dr. Julia Siebert, Kinderschutzbund Emsland-Mitte) [Landkreis Emsland]

Das Wort „Gerechtigkeit“ als Waffe der Reichen

Täglich kommen Meldungen, wie viele Milliarden Euro wieder für neue Waffensysteme ausgegeben werden sollen, wie viele Milliarden in die Ukraine gehen, um den Krieg auf Teufel komm raus zu verlängern. Die Milliarden aus dem Sonderschuldenprogramm für Infrastruktur gehen auch zum großen Teil in militärische Infrastruktur.

Weitere Milliarden haben die Dobrindts und Spahns, die Experten aus jetzigen und früheren Bundesregierungen wie Andreas Scheuer für sinnlose Verkehrsprojekte, sinnlose, allen Haushaltsregeln trotzende, aber guten Freunden nützliche, Anschaffungen ausgegeben.

Alle diese Politiker wie Merz, Dobrindt, Pistorius, aber auch die derzeitige Arbeitsministerin Bärbel Bas oder Vizekanzler Lars Klingbeil haben eines gemeinsam: Sie sind persönlich Großverdiener – wenn sie nicht gerade Millionäre wie Merz sind – und bekommen ihre Supervergütungen direkt vom Staat bezahlt.

Und jetzt ist allen diesen Großverdienern aufgefallen, dass es in unserem Land ungerecht zugeht. Ungerecht finden sie es nicht, dass ihre horrenden Politikergagen fast ausschließlich von den Steuern der Arbeiterklasse bezahlt werden. Denn die Vermögenden zahlen so gut wie keine Steuern.

Sie finden immer neue Gruppen zwischen denen sie „Gerechtigkeit“ herstellen wollen. So finden sie es ungerecht, dass Rentner eine Rente bekommen und dass dafür junge Menschen in die Rentenkasse einzahlen müssen. Sie finden es nicht etwa ungerecht, dass viele Menschen für ihre Arbeit nur einen Mindestlohn bekommen, sondern dass Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, fast soviel Geld bekommen, wie die anderen Ärmsten.

Sie finden es ungerecht, wenn Pflegebedürftige, die noch mit wenig Hilfe auskommen können, von der Pflegekasse eine kleine Hilfe bekommen. Sie wollen den Pflegegrad 1 abschaffen, weil dieses Geld den Schwerpflegebedürftigen fehlen würde. Gut – man könnte auch die Großverdiener in die Pflegekasse einzahlen lassen, aber das kommt natürlich nicht in Frage.

200 Milliarden € fehlen der Staatskasse, weil die großen Steuersünder nicht verfolgt werden, aber diese Bundesregierung macht einen Riesenbohei um die wenigen, denen eventuell das Bürgergeld nicht in der Höhe zustehen würde. Jeder weiß, dass es hier nur um einige hundert Millionen gehen würde, nicht um 200.000 mal 1 Million €.

Wenn Merz und Konsorten über Gerechtigkeit reden, geht es ihnen immer nur darum, eine benachteiligte Gruppe gegen eine andere auszuspielen: die Jugend gegen die Rentner;  die Schwerpflegedürftigen gegen die Leichtpflegebedürftigen; die Kranken gegen die „Beitragszahler“, die Arbeitenden gegen die Arbeitslosen. Und alle fallen darauf herein: Den Arbeitenden fällt nicht auf, dass ihre Aufregung über Zahlungen an Arbeitslose morgen auf sie zurückfällt, wenn ihr Konzern sie „freigesetzt“ hat. Den gesunden Beitragszahlern fällt nicht auf, dass sie sich morgen ärgern, wenn sie ihre Medikamente selbst zahlen müssen – ausgerechnet, wo sie wegen der Krankheit weniger Geld haben.

Gegen dieses dumme Geschwätz von der „Gerechtigkeit“ hilft nur Solidarität gegen die Konzerne und ihre bestens verdienenden Politiker. Frieden und eine Heranziehung der Konzerne und Superreichen an der Finanzierung des Sozialstaates würden diesen retten. Das Geschwätz von der „Gerechtigkeit“ ist nur eine Waffe der Reichen und Kriegstreiber gegen die Arbeiterklasse. [jdm]

Greenpeace fordert: Milliardäre besteuern, Klima retten

Cover Report Club der Superreichen

„Stiftung Familienunternehmen“: Der Name ist geschickt gewählt – er klingt nach Mittelstand, nach Tradition, nach über Generationen geführten kleinen oder mittelgroßen Betrieben. In Wahrheit aber steht die Stiftung für ein elitäres  Netzwerk, das vor allem die Interessen der Reichsten vertritt. 

Hinter verschlossenen Türen nutzen sie ihre Macht, um politische Entscheidungen in Berlin und Brüssel im Sinne ihrer Konzerne zu beeinflussen – auf Kosten von Klimaschutz und Steuergerechtigkeit. Wer dazugehört, zählte bislang  zu den am strengsten gehüteten Geheimnissen der Stiftung und ihres politischen Ablegers, der „Stiftung Familienunternehmen und Politik“. 

Greenpeace hat monatelang recherchiert, Gespräche mit Insider:innen geführt und Einblicke in interne Dokumente der Stiftung erhalten. Das Ergebnis: eine Liste mit 258 Familien und Konzernen, die dem Netzwerk der Stiftung zugeordnet werden können. Darunter die Reichsten der Reichen Deutschlands, die gerne außerhalb des Rampenlichts bleiben. Besonders brisant, wenn auch kaum verwunderlich: Fast 90 Prozent der identifizierten Unternehmen stammen aus besonders klimakritischen Wirtschaftszweigen, darunter Chemie, Automobilbau, Lebensmitteleinzelhandel oder dem Transportwesen. Hier geht es zum Report über die Stiftung Familienunternehmen und hier geht es zum Panorama-Beitrag zur Lobby für Superreiche.

Milliardäre heizen nach Ansicht von Greenpeace die Klimakrise durch ihren exzessiven Lebensstil und klimaschädliche Investitionen massiv an. Doch sie tragen kaum zum Gemeinwohl bei. Denn was viele gar nicht wissen: Superreiche zahlen inzwischen nur halb so hohe Steuern und Abgaben wie die meisten Menschen – dank vieler Steuerprivilegien. Dadurch fehlen in den öffentlichen Kassen jedes Jahr viele Milliarden, zum Beispiel für die Sanierung von Schulen oder einen funktionierenden Bus- und Bahnverkehr. Den Preis für die Privilegien der Milliardäre zahlen lau Greenpeace alle Bürger..

Dabei sei genug Geld da. Denn Deutschland ist das Land mit den drittmeisten Superreichen weltweit. Eine ökologische Milliardärssteuer sorge dafür, dass Klimaschutz gerecht finanziert werden könne. Diejenigen mit dem größten CO2-Fußabdruck und Reichtum würden endlich in die Verantwortung genommen, ihren fairen Beitrag zu leisten.

Gemeinsam mit anderen Organisationen, wie Oxfam, dem Netzwerk Steuergerechtigkeit, Taxmenow, der AWO, GEW, Attac, Gemeingut in BürgerInnenhand und anderenb fordert Greenpeace Bundesfinanzminister Lars Klingbeil von der SPD auf, eine Milliardärssteuer zur Finanzierung von Klimaschutz einzuführen. Eine Steuer von 2 Prozent auf hohe Vermögen ab 100 Millionen Euro würde Einnahmen von bis zu 200 Milliarden Euro bis 2030 erzielen. Geld, das dringend für den Klimaschutz und eine gerechte Zukunft gebraucht werde. In einem Interview in der heutigen NOZ spricht sich der Satiriker Marc-Uwe Kling ebenfalls für eine Reichensteuer aus.

Den Appell an Finanzminister Lars Klingbeil können Sie hier unterzeichnen. [PM Greenpeace/jdm]

Berlin und Stuttgart am 3. Oktober 2025 – Bundesweite Friedensdemonstrationen gegen Kriege und Hochrüstung

Der Vorbereitungskreis „Nie wieder kriegstüchtig! Stehen wir auf für Frieden!“ ruft zu Friedensdemonstrationen gegen Kriege und Hochrüstung am 3. Oktober 2025 in Berlin und Stuttgart auf. Das Bündnis ist entstanden aus der Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!“ und einem Aktionsbündnis innerhalb der Friedensbewegung, dem u.a. DFG-VK, IPPNW, Netzwerk Friedenskooperative, Ohne Rüstung Leben und pax christi beteiligt sind. Es wird eine bundesweite große Demonstration zeitgleich – um 13:00 Uhr – an zwei Orten in Berlin und Stuttgart durchführen, die die Friedensbewegung in ihrer Breite repräsentiert.

Die Liste der mehr als 100 Organisationen und Initiativen kann hier eingesehen werden: https://frieden-und-zukunft.de/erstunterstuetzer-fuer-die-bundesweite-demo-in-berlin-und-stuttgart-am-3-10-2025/

Bei den Kundgebungen kommen Rednerinnen und Redner zu Wort, die sich für den Stopp des Hochrüstungskurses und für Abrüstung einsetzen, sowie für den Erhalt des Sozialstaates, für, Klimaschutz und globale Gerechtigkeit.

Das Bündnis stellt folgende Forderungen auf, die bei den Kundgebungen thematisiert werden sollen:

  • Gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland. Entschlossenen Einsatz für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen.
  • Nein zur Wehrpflicht.
  • Stopp der Militarisierung der Gesellschaft. Keine Unterordnung von Gesundheitswesen, Bildung und Wissenschaft unter Kriegstüchtigkeit.
  • Asyl für Menschen, die sich dem Krieg verweigern und von Krieg bedroht sind.
  • Diplomatisches Engagement für ein schnelles Ende der Kriege in Europa und im Nahen und Mittleren Osten.
  • Die Bundesregierung darf sich nicht weiter mitschuldig machen an einer von immer mehr Staaten und Organisationen als Völkermord klassifizierten Kriegsführung im Gazastreifen. Sie muss alles tun, damit der Krieg, die Vertreibung der Palästinenserinnen und Palästinenser und der Einsatz von Hunger als Waffe umgehend beendet werden. [Pressenza]

DGB beklagt weltweite Kriege, lässt aber klaren Anti-Kriegs-Kurs vermissen

Plakat des DGB Aschendorf-Hümmlimg zum Antikriegstag 2025

Der Kreisverband Nördliches Emsland des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) lädt zu einer Gedenkveranstaltung mit anschließender Kranzniederlegung auf der Begräbnisstätte Esterwegen (Friedhof Bockhorst, An der B 401) am 7. September 2025 um 18.00 Uhr ein.

Nach der Begrüßungsrede von Andreas Kuper, Vorsitzender DGB Kreisverband Nördliches Emsland, werden in diesem Jahr Schüler*innen des Mariengymnasiums Papenburg eine Rede mit Diskussionsbeiträgen halten. Die musikalische Begleitung kommt von Dita & Patrick.

Zum Antikriegstag am 1. September 2025 hat der DGB-Bundesvorstand eine Erklärung veröffentlicht. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern darin die Bundesregierung anlässlich des Antikriegstages am 1. September dazu auf, sicherzustellen, dass zusätzliche Rüstungsausgaben nicht zu Lasten des Sozialhaushalts, der Ausgaben für Bildung und Forschung und von Investitionen in öffentliche und soziale Infrastruktur gehen. Der Aufruf nennt die NATO-Zielvorgabe von fünf Prozent des BIP für die Aufrüstung völlig überhöht und fordert mehr Diplomatie und Abrüstungsinitiativen.

Aber obwohl der Aufruf die Kriege in der Welt beklagt, unterstützt er grundsätzlich die weitere Aufrüstung Deutschlands. Der DGB übernimmt im Aufruf die Vernebelungstaktik der Bundesregierung und nennt als Grund für die Notwendigkeit einer Aufrüstung die "unmittelbare militärische Bedrohung durch Russland" und den "autokratischen Staatskapitalismus Chinas und den Big-Tech-Radikalkapitalismus US-amerikanischer Prägung". Dafür, dass eine militärische Bedrohung durch Russland besteht, gibt es keine Anhaltspunkte, außer dem, dass Russland sagt, es werde auch atomar zurückschlagen, wenn es sich von der Nato in seiner Existenz bedroht fühle. China, das noch kein Land angegriffen oder kolonialisiert hat, spielt auf der internationalen Bühne gegenwärtig eine bedeutende Rolle als Friedensmacht. Obwohl in diesem Land viermal so viel Menschen wie in den USA leben, hat es nur ein Drittel der Militärausgaben der USA. Und China bedroht nicht die USA oder gar Europa, aber US- und EU-Kriegsschiffe kreisen im Südchinesischen Meer.

Die USA waren zusammen mit den europäischen, vor allem deutschen Unterstützern, hauptverantwortlich für die Entwicklung hin zum Ukrainekrieg. Aber aktuell spielt die USA bei den Bemühungen um ein Ende des Ukrainekriegs eher eine gute Rolle, ganz im Gegenteil zur deutschen Regierung, die alle Friedensbemühungen nach Kräften torpediert.

Die Initiative "Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden" kritisiert die Rolle der DGB-Gewerkschaften. Statt sich gegen den Kriegskurs zu stellen, ruft der DGB in seinem Aufruf zum Antikriegstag zur Aufrüstung auf.

Am 01. September, dem weltweiten Antikriegstag, treffen sich Profiteure des Todes und Kriegsgewinnler bei Champagner und Canapés zur weiteren Planung ihrer Kriege im Maritim-Hotel am Düsseldorfer Flughafen bei einer vom Handelsblatt organisierten Konferenz. Die Gewerkschafterinitiative stellt dazu fest: "So ´feiert´ der Militärisch Industrielle Digitale Komplex auf seine ganz eigene und perverse Art den Antikriegstag… und mittendrin dabei: Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall… Freundliche Nachfragen, was er da zu suchen hat, hat der Kollege Kerner bisher unbeantwortet gelassen. Böses der/dem, die/der Böses dabei denkt…! während die konkreten Kriegsvorbereitungen der Regierung mit der Vorbereitung der Wiedereinführung des Kriegsdienstes, einem ´Nationalen Sicherheitsrat´ und der Eröffnung Europas größter Munitionsfabrik in Unterlüß in hohem Tempo weiter voran gehen." [jdm]

Wehrpflichtige und Munition für die Kriegsverlängerung und neue Kriege

Heute in der Tagesschau gab es acht Minuten Kriegspropaganda, denn vom Berichten kann man angesichts der völlig einseitigen Darstellung nicht sprechen.

Zur Wehrpflicht wurden nur zwei Alternativen dargestellt. Breit wurde mit Soldatenstatements für die Wehrpflicht geworben, für die Variante freiwilliger Wehrdienst wurde nur ein Kurzstatement eines Schülersprechers eingeblendet. Die echte Alternative, dass wir keine Aufrüstung der Bundeswehr brauchen, wurde nicht erwähnt.

Dann kam eine Rührstory über den Bundeswehrausbilder, der vor dem Einsatz in Litauen eine Rede an seine Soldaten hält, der von seiner Berufung zum Soldaten spricht und dessen Frau dann erzählen darf, wie schwer das Soldatenleben und das Soldatenfrauenleben ist. Dass deutsche Soldaten in Litauen an der Grenze zu Russland nichts verloren haben, stand gar nicht zur Debatte. Vergessen ist, was der ehemalige Nato-Chef Wörner am 17. Mai 1990 in Brüssel sagte: „Schon der Fakt, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der BRD zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.“ Heute wird dies von der Nato einfach so interpretiert, damit habe man nur gemeint, dass im Osten Deutschlands, der ehemaligen DDR, keine Nato-Truppen stationiert werden. Für Russland ist die Stationierung von Nato-Truppen direkt an seinen Grenzen dagegen eine Bedrohung, auf die das Land schon zwei Jahrzehnte hingewiesen hat.

Und für diese Bedrohung Russlands sollen junge Deutsche, wenn sich nicht genug Freiwillige finden - was bereits absehbar ist - zwangsweise rekrutiert werden.

Für all diese Kriegsplanungen dreht die Nato den Spieß um und behauptet eine Bedrohung durch Russland. Und das trotz einer zehnfachen Überlegenheit der Nato in allen Waffengattungen außer bei den Atomwaffen, wo bisher Parität besteht. Der Nato-Chef Rutte begründete heute die Aufrüstung auch damit, dass er sich von China bedroht fühle. Dabei schwimmen nicht chinesische Kriegsschiffe in der Nord- und Ostsee, sondern deutsche und andere Nato-Kriegsschiffe vor China.

Wem das Ganze dient, konnte man heute bei der Eröffnung einer Munitionsfabrik von Rheinmetall in Unterlüß sehen, wo der Kriegsminister von dem großen „Bedarf“ an Artilleriemunition sprach. Die ganze Wirtschaft Deutschlands geht durch die Kriegs- und Konfrontationspolitik zu Grunde, aber der Kriegsminister sieht keinen Bedarf für neue Wohnungen, Erhalt von Arbeitsplätzen, eine vernünftige Infrastruktur und bessere Schulen, sondern einen „Bedarf“ an Tötungsmitteln. Neue Arbeitsplätze werden mit dem Geld der Steuerzahler und den Schulden, die die jungen Menschen abzahlen werden, nur in der Kriegsindustrie geschaffen. Zehntausende Arbeitsplätze gehen in der Autoindustrie verloren, aber 500 Arbeitplätze werden für Artilleriemunition geschaffen.

Mit guten Verdienstmöglichkeiten sollen die jungen Menschen dazu gebracht werden, zu lernen, wie man andere tötet und sich selbst töten zu lassen. Aber Merz will „umfangreiche Reformen des Sozialstaats“, also Abbau von sozialer Sicherheit in allen Bereichen. Soldaten sollen schöne Wohnungen bekommen, aber einen sozialen Wohnungsbau für alle wird es nicht geben.

Die, die vom Rüstungs- und Kriegskurs profitieren, konnte man in der Tagesschau sehen: die Maßanzugträger, wie sie sich beim Rundgang durch das neue Werk in Unterlüß filmen lassen, wie sie sich wichtig geben und sich ob ihrer Coups, mit denen sie die Menschen betrügen, gegenseitig ins Gesicht grinsen. Sollten diese Kriegspolitiker, Soldaten und Rüstungsindustriellen es nicht vorher schaffen, Europa im Atomkrieg von der Landkarte zu tilgen, werden sie für ihre Skrupellosigkeit, mit der sie Europa in das Elend führen, von zukünftigen Generationen verflucht werden. [jdm]

Nur ein Drittel der befragten IGBCE-Mitglieder glaubt es bis zur Rente zu schaffen

"Die Rente ist sicher." Dieser berühmte Satz des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm hat sich mittlerweile überholt, zumindest wenn es nach dem Großteil der IGBCE-Mitglieder geht. Mit Sorge blicken sie auf die gesetzliche Rente - zeigt das Ergebnis einer großen Mitgliederumfrage.

Die Industriebeschäftigten in den Branchen der IGBCE haben das Vertrauen in das staatliche Rentensystem verloren. Vier von fünf Befragten (83 Prozent) gehen davon aus, dass ihre gesetzliche Altersvorsorge im Ruhestand nicht ausreichen wird, den eigenen Lebensstandard zu sichern. Gleichzeitig hält es angesichts stetig wachsender Arbeitsbelastung nicht einmal jede und jeder Dritte für denkbar, ihrer oder seiner Arbeit überhaupt bis zum Erreichen des regulären Renteneintritts nachgehen zu können.

Das sind zwei zentrale Ergebnisse einer aktuellen IGBCE-Umfrage unter ihren Mitgliedern. An ihr haben sich mehr als 4600 Personen aus allen Branchen im Organisationsbereich der zweitgrößten Industriegewerkschaft beteiligt – vor allem aus Chemie-, Pharma-, Energie-, Kunststoff- und Kautschukindustrie. Die Ergebnisse sind damit aussagekräftig und valide mit Blick auf die Gewerkschaftsmitglieder und die Industriebeschäftigten insgesamt.

„Wenn nicht einmal die arbeitende Mitte, die im Kern unser Rentensystem finanziert, im Ruhestand von ihrer gesetzlichen Altersversorgung leben kann, sollte das in der Politik alle Alarmglocken läuten lassen“, sagt der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis. „Wir brauchen Reformen, die das System als Ganzes endlich nachhaltig stärken – und keine neuen Debatten über eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit“, forderte Vassiliadis. „Wer von der Rente mit 70 Jahren fabuliert, der oder dem empfehle ich ein Praktikum am Chemie-Cracker, im Kautschuk-Mischsaal oder am Glasofen.“

In der Umfrage gaben lediglich 32 Prozent an, in ihrem Job („voll und ganz“ oder „eher ja“) bis zum Erreichen des regulären Renteneintrittsalters arbeiten zu können. Im Bereich der Produktion waren es sogar nur 21 Prozent. Oft sind es psychische oder körperliche Gründe, die dies verhindern. Fast 34 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass sie es sowohl körperlich als auch psychisch nicht bis zur Rente schaffen werden („eher nein“ oder „auf keinen Fall“). In der Produktion war es fast jede und jeder Zweite (48 Prozent).

Zwar unterstützt eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent den Vorstoß der Bundesarbeitsministerin, das System zu einer Erwerbstätigenversicherung umzubauen, in die dann auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete einzahlen würden. Gut 70 Prozent halten es allerdings gleichzeitig für unrealistisch, dass es auch dazu kommt.

Allerdings fordern gleichzeitig 43 Prozent den Ausbau der Aktienrente. Vermutlich spielt hier die Kampagne der Gewerkschaft für die so genannte „zweite Säule“ der Altersvorsorge, die Betriebsrente, die die IGBCE in allen großen Branchen ihres Organisationsbereichs tariflich durchgesetzt hat, eine Rolle. Die Gewerkschaftsleitung unterstützt die Pläne für die Aktienrente. [jdm]

Meyer-Kreuzfahrtschiff in Wismar: Subunternehmen hebeln Arbeitsrecht aus

Auf der Meyer Werft in Wismar wird für den Disney-Konzern gerade eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt fertig gebaut. Für den Innenausbau des Schiffes hat die Werft einen Werkvertrag mit der Firma NIT geschlossen. NIT hat wiederum dafür die litauische Firma Maviga Pro beauftragt. Diese wiederum rekrutierte ausländische Arbeitskräfte, die über drei bis vier Ländergrenzen hinweg vermittelt werden. So nutzen Subunternehmer Schlupflöcher und missbrauchen die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, berichtet der NDR. [HM/erstveröffentlicht auf gruenealternative.de/forum-d]

Freiberufler-Pensionsfonds in Deutschland verlieren Geld bei riskanten Immobiliengeschäften

Für alle, die den Geschichten von Friedrich Merz, seinem Adlatus Carsten Linnemann und den übrigen Rentenexperten vom Schlage der FDP-Besondersexperten, eines Lars Klingbeils, einer Sozialministerin Bärbel Bas oder den so genannten Wirtschaftsweisen über die Vorteile einer Aktienrente glauben, sei ein Blick auf die aktuellen Probleme der deutschen Pensionsfonds empfohlen.

Die Bayerische Versorgungskammer ist zwar eine Behörde, aber verwaltet die öffentliche Zusatzversorgungskasse des Öffentlichen Dienstes, aber auch 12 Pensionsfonds von Freiberufler-Rentenkassen, wie Anwältinnen, Schornsteinfegern oder Orchestermusikern. Diese Pensionsfonds und auch die anderen der 90 Pensionsfonds in Deutschland arbeiten wie ganz normale Anlagefonds. Mit ihren erwirtschafteten Renditen sollen die Renten der Mitglieder gezahlt werden. Ziel war in der Regel eine Rendite von mindestens 4%.

Angesichts der Niedrigzinsen der letzten Jahre kamen manche Fondsmanager auf die Idee, riskante Anlageformen zu nutzen. Jetzt wurde offenbar, dass viele dieser Anlagen zu riskant waren und das angelegte Geld verloren ist. Die Bayrische Versicherungskammer verlor viel Geld bei Investitionen in US-Immobilien.

Auch ein Pensionsfonds für Zahnärzte in Schleswig-Holstein hat ein solches Problem. Im Ergebnis bedeutet das für die versicherten Mitglieder eventuell Beitragserhöhungen, Aussetzen von Rentenerhöhungen oder sogar Rentensenkungen. [jdm]

Gesundheitsminister wollen Leistungen der Pflegeversicherung kürzen – Arbeitgeber: Pflegegrad 1 abschaffen

Das Geld für den Krieg, den Kriegsminister Pistorius und die Nato-Kriegsstrategen für 2029 voraussagen, muss irgendwo herkommen. Da bietet sich doch die Pflegeversicherung an. Denn dass Pflegebedürftige auf die Barrikaden steigen, ist wohl auszuschließen.

Die Pflege-Versicherten müssten sich erstmals seit Einführung der Pflegeversicherung vor 30 Jahren auch auf eine Kürzung von Leistungen einstellen, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es gibt keine Denkverbote“, habe Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) Anfang Juli nach der konstituierenden Sitzung der im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbarten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform gesagt. Man müsse prüfen, welche Leistungen zu hohen Kostensteigerungen führten und welche tatsächlich effizient seien. „Wir müssen uns ehrlich machen, welche Leistungen wir brauchen, welche wir gern haben wollen und welche vielleicht auch verzichtbar sind“, fügte die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hinzu.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) plädiert unter anderem dafür, dass Pflegebedürftige im ersten Jahr nach der Feststellung eines Pflegegrads nur geringfügige Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Neben dieser Karenzzeit wird vorgeschlagen, den Pflegegrad 1 mit dem monatlichen „Entlastungsbetrag“ von 131 Euro komplett zu streichen.

Das bedeutet, dass ein Patient mit Schlaganfallfolgen aus dem Krankenhaus ohne Hilfe durch die Pflegeversicherung entlassen werden würde. Denn direkt nach der Feststellung der Pflegebedürftigkeit soll es ja kaum Leistungen geben. Die Idee, dass reiche Menschen nur nicht wissen, wie arme Menschen leben, und deshalb auf komische Gedanken kommen, kann man komplett vergessen. Auch Arbeitgeber können sich vorstellen, dass Pflegebedürftige Hilfe brauchen, aber es ist ihnen nur komplett scheißegal.

Die Leistungen der Pflegeversicherung für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 konzentrieren sich darauf, die Selbstständigkeit der Betroffenen durch frühzeitige Hilfestellungen möglichst lange zu erhalten und ihnen den Verbleib in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Sie können auch Entlastungsleistungen in Höhe von 131 € in Anspruch nehmen. Damit kann beispielsweise Unterstützung durch einen Pflegedienst beim Duschen oder Baden in Anspruch genommen werden Es gibt Hilfen zur Anpassung des Wohnumfeldes und Fortbildungen für die Pflegeleistenden aus der Familie.

Das Institut der deutschen Wirtschaft klagte in einem Gutachten vollkommen sinnentleert darüber, dass bei der Zahlung des Pflegegeldes nach Pflegegrad 2 nicht gewährleistet sei, dass die Pflege, die der Empfänger mit dem Geld erwerbe, den Qualitätsstandards einer professionellen Pflege entspreche. Mit dem Pflegegeld sollen Privatpersonen aus dem Umfeld des Pflegebedürftigen, also Familienangehörige oder Nachbarn und Freunde, für die Pflege rekrutiert werden. Natürlich entspricht ihre Pflege nicht professionellen Ansprüchen. Aber wenn das ausreicht, wird auf sehr kostengünstige Weise ein Pflegeproblem gelöst. Das DIW hat aber tatsächlich nicht die Verbesserung der Pflege im Blick, sondern sucht ausschließlich nach “Einsparpotentialen“. Es schlägt deshalb vor, Pflegeleistungen von einer finanziellen Bedürftigkeit abhängig zu machen. Dabei werden alle Pflegebedürftigen und ihre Familien wieder zu Sozialhilfeempfängern (auch wenn das dann anders heißen sollte) wie vor der Einführung der Pflegeversicherung. Dabei sollte die Pflegeversicherung genau davon unabhängiger machen. Und dabei wissen wir, dass die Mehrheit der Heimpflegebedürftigen schon heute auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Es ist nicht so, dass die Pflegeversicherung wirklich funktioniert. Zum Beispiel fehlen der Pflegeversicherung die über 5 Mrd. €, die der Bund noch an sie zurückzahlen muss. Auch über neue Formen der Hilfe darf ruhig nachgedacht werden. Aber den Politikern, die derzeit über die Pflegeversicherung reden, und den Arbeitgebern geht es nur um Kürzungen zugunsten eines militarisierten Staatshaushaltes. [jdm]

Aktualisiertes Wohnraumversorgungskonzept: Sozialverband Emsland fordert Konsequenzen

Wohnraumversorgungskonzept 2025

Der Landkreis Emsland hat das Wohnraumversorgungskonzept aus dem Jahr 2021 für 14 Kommunen im Kreisgebiet aktualisiert. Dies sind alle Kommunen mit Ausnahme der Städte Lingen (Ems), Meppen, Papenburg und Haren (Ems) sowie der Samtgemeinde Spelle, die ein eigenes Konzept haben. „Unsere Zielsetzung war es, nach weiteren vier Jahren neue Entwicklungen und die zentralen Rahmenbedingungen, die sich daraus für den Wohnungsmarkt ergeben, zu beleuchten und die wesentlichen Handlungsbedarfe daraus abzuleiten“, erläutert Landrat Marc-André Burgdorf die Motivation für die Fortschreibung des Konzepts.

Der Landkreis hatte das erste Wohnraumversorgungskonzept für die Städte, Einheits- und Samtgemeinden des Emslandes erstellen lassen, die nicht über ein solches verfügten. Damit wurde einer gesetzlichen Pflicht Genüge getan. Aber aus diesem Konzept ist kaum eine Konsequenz im Emsland zu erkennen.

In einer Stellungnahme des Sozialverbands Emsland wird darauf hingewiesen, dass das Emsland im Jahr 2024 niedersachsenweit den dritten Platz bei der Anzahl wohnungsloser Menschen belegte.

Das aktualisierte Konzept zeigt, dass insgesamt ein Wohnraumbedarf da ist, der nicht gedeckt ist. Es werden Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern gebraucht. Zusätzlich besteht ein großer Bedarf an Wohnungen für Menschen mit sehr wenig Einkommen. In der Samtgemeinde Dörpen beträgt der Anteil einkommenschwacher Haushalte 14,9 %.

Gleichzeitig stellt das Konzept fest, dass es immer weniger Sozialwohnungen gibt und dieser Wert auch noch weiter sinkt, weil laufend Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. Für geförderte Sozialwohnungen müssen nur für einen bestimmten Zeitraum Regeln zur Miethöhe eingehalten werden. Ist dieser Zeitraum vorbei, entfällt die Sozialbindung und es können marktübliche Mieten verlangt werden. In der Samtgemeinde Dörpen gibt es seit 2023 keine einzige Sozialwohnung.

Im Emsland vertrauen die Kommunen fast ausschließlich auf den Neubau von Eigenheimen, den sie mit verschiedenen Methoden fördern. Außerdem gibt es privaten Mietwohnungsbau.

Beide Entwicklungen können aber nicht bewirken, dass die Mieten für die Wohnungen erschwinglich bleiben. Die von der öffentlichen Hand übernommenen Mietkosten für Grundsicherungsempfänger und Bürgergeldempfänger werden von den Vermietern als Untergrenze für die Miethöhe betrachtet. Alle anderen Wohnungen sind entsprechend teurer.

Dem kann nach Ansicht des Sozialverbands vor allem durch die Gründung kommunaler Wohnungsbaugenossenschaften entgegen gewirkt werden. In Rhede seien hierfür mit einer Bürgergenossenschaft bereits erste Voraussetzungen geschaffen worden. „In anderen Kommunen wurde das zwar diskutiert, politisch aber oft nicht gewollt“, bedauert die SoVD-Kreisvorsitzende Kötter. Eine Wohnungsbaugesellschaft auf Kreisebene könnte zudem gerade den finanzschwächeren Gemeinden helfen.

Im Konzept wird dies auch vorgeschlagen: „Der Kreis der im geförderten Wohnungsbau tätigen Gesellschaften sollte sich durch die Gründung neuer und die Erweiterung bestehender Wohnungsunternehmen vergrößern, damit der Mangel an Investoren im geförderten Wohnungsbau abgebaut werden kann.  Sollten keine der genannten Empfehlungen umsetzbar sein, wäre die Gründung einer kommunalen Entwicklungs- bzw. Wohnungsbaugesellschaft zu prüfen.“

Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und auch gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften unterliegen nicht dem Renditezwang. Sie könnten die Mieten auf Dauer günstig halten, weil die Mieten nur die Kosten decken müssten und keine Profite bringen müssten.

Solche Gesellschaften bestimmten bis in die 1990er Jahre den Mietwohnungsmarkt. Erst die Abschaffung der Steuerprivilegien für gemeinnützige Wohnungsunternehmen 1990 durch die Regierung Helmut Kohl hat den sozialen Wohnungsbau zerstört. Das, was sich seitdem „Sozialer Wohnungsbau“ nennt, ist nur eine Subventionierung der Wohnungsbaukonzerne. Auch die Zahlung des Wohngelds ist letztlich nur als Subventionierung der Vermieter zu betrachten, da das Wohngeld nicht den formalen Empfängern zugute kommt. Denn diese reichen das Geld an die Vermieter weiter, um die Miete überhaupt zahlen zu können.

Die Investition für den öffentlichen Wohnungsbau bedeutet nicht nur die Entschärfung eines sozialen Problems. Sie würde sich für die Kommunen und den Bund auch finanziell rechnen, weil ein Angebot von günstigen Wohnungen die Mietpreise insgesamt senken würden. Die Wohnungskosten für Grundsicherungs- und Bürgergeldempfänger würden damit sinken. Und auch die Wohngeldzahlungen würden sinken. Und über die folgende Senkung des allgemeinen Mietniveaus käme diese Investition allen Mietern zugute.

Auch der Deutsche Mieterbund stellte in seinen Forderungen zur letzten Bundestagswahl fest: "Bezahlbare Mietwohnungen werden in erster Linie von kommunalen Unternehmen, Genossenschaften oder anderen
gemeinwohlorientierten Akteuren, z. B. kirchlichen Organisationen, gebaut. Als mögliche Träger einer neuen Gemeinnützigkeit sind sie alle durch gezielte Steuerbefreiungen, vergünstigte Bereitstellung öffentlicher Grundstücke für Wohnungsbauvorhaben und Investitionszulagen zu fördern. Der Bestand an öffentlichen Wohnungen, das heißt Wohnungen im Eigentum von Bund, Ländern und Kommunen, muss deutlich erhöht werden, um im Mietwohnungsmarkt ein dauerhaft preisgebundenes und bezahlbares Segment zu etablieren." [jdm]

Repair Café in Lathen

Mitte Juli fand im Heimathaus Lathen eine Informationsveranstaltung zum Thema "Repair-Café" statt. Der Zeitpunkt war wegen der Sommerferien und der allgemeinen Urlaubszeit offenbar schlecht gewählt, so dass nur wenige Interessierte da waren. Die berichteten aber von weiteren Freiwilligen, die gerne teilgenommen hätten, jedoch momentan im Urlaub waren.

Deshalb wurde beschlossen, einen weiteren Info-Abend anzusetzen. Dieser soll am Donnerstag, den 21. August um 19.30 Uhr im Heimathaus in der Kirchstr. 4 in Lathen stattfinden. Hier kann sich jeder Interessierte unverbindlich informieren. Unter dem Motto "Reparieren statt Wegwerfen" werden an diesem Abend Freiwillige gesucht, die sich unentgeltlich, ehrenamtlich im Repair Café zur Verfügung stellen und defekte Artikel, die gebracht werden, versuchen zu reparieren.

Dafür werden Menschen gesucht, die sich auskennen mit Kleidung, Textilien, elektrischen Geräten, Möbeln und sonstigen Gegenständen aus Holz. Wer Interesse hat, ist eingeladen. Falls jemand vorab Fragen hat, wendet er sich an Hans Hermann Bode unter Tel. 05933-923109. [jdm]

Merz will Schutzrecht bei befristeten Arbeitsverträgen abschaffen

Die Bundesregierung plant eine Rentenreform, um neue Anreize für einen längeren Verbleib älterer Menschen im Berufsleben zu schaffen. Das nennt sich Aktivrente. Wir haben bereits kritisiert, dass eine Gewöhnung einsetzen soll, die dann irgendwann die allgemeine Einführung der Rente ab 70 ermöglicht. Nebenbei hat das Drängen auf längere Arbeit den Nebeneffekt, dass das niedrige Rentenniveau durch den Zuverdienst nicht mehr so schmerzt.

Ab dem 1. Januar 2026 soll es Rentner*innen möglich sein, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei zur gesetzlichen Rente hinzuzuverdienen. Und es ist vorgesehen, ein Vorbeschäftigungsverbot aufzuheben, das angeblich ein Beschäftigungsverbot für Rentner*innen sei.

Bei Maischberger hat Friedrich Merz im Juli gesagt, „Wir wollen denjenigen, die noch arbeitsfähig sind und die gerne weiterarbeiten wollen, eine Möglichkeit geben, das zu tun. Es gibt ein Vorbeschäftigungsverbot: Sie dürfen, wenn Sie in Rente gehen, im selben Betrieb nicht weiterarbeiten – selbst für 530 Euro im Monat nicht. Das ist doch grober Unfug.“

Grober Unfug ist das, was Merz hier sagte. Das "Vorbeschäftigungsverbot" bezieht sich im deutschen Arbeitsrecht auf die Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz), welche die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages verbietet, wenn bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand. Das ist eine der nur mäßig wirksamen Regelungen, die die Ausbeutung durch befristete Kettenverträge verhindern sollen.

Merz bzw. die Bundesregierung versucht hier unter dem Deckmantel einer "Rentenreform" nebenbei ein Arbeitsschutzrecht abzuservieren. Tatsächlich kann jeder Rentner bei seinem Betrieb weiterarbeiten; dem steht nichts entgegen. Es ist sogar möglich, den Renteneintritt zu verschieben und so weitere Rentenansprüche aufzubauen, wenn man möchte. [jdm]

VdK prüft Musterklagen gegen Bundesregierung wegen Zweckentfremdung von Beitragsgeldern der Pflegeversicherung

Verena Bentele, Bildnachweis: Susie Knoll
VdK-Präsidentin Verena Bentele, Bildnachweis: Susie Knoll

Während der Corona-Pandemie verpflichteten mehrere Bundesgesetze die Pflegeversicherung zu Leistungen, die eigentlich nicht zum Aufgabenbereich der Pflegekasse gehörten. Das waren zum Beispiel Coronatests oder Coronaprämien für Pflegekräfte, die aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung finanziert wurden.

Damit wurden die Beiträge der Versicherten zweckentfremdet. Der Bund ist deshalb verpflichtet, diese 13,1 Mrd. € der Pflegeversicherung zu erstatten. Der Bund hat aber bis September 2024 nur 5,5 Mrd. € zurückgezahlt und heute sind noch 5,2 Milliarden Euro offen. In einem rechtswissenschaftlichen Gutachten vom September 2024 kommt Prof. Dr. Dagmar Felix von der Universität Hamburg zu dem Ergebnis, dass ein Zugriff auf Sozialversicherungsbeiträge verwehrt ist, wenn diese zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts verwendet würden. Eine Klage der Beitragszahler vor den Sozialgerichten hält sie für möglich.

Die Pflegeversicherung ist 2024 trotz gerade erhöhter Beiträge in die roten Zahlen gesackt; eine erste Pflegekasse ist zahlungsunfähig. Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hat im März 2025 bestätigt, dass der Antrag einer Pflegekasse eingegangen sei, „der die Bewilligung einer Finanzhilfe bis einschließlich Dezember 2025 umfasst“.

Die Bundesregierung hat gerade beschlossen, dass der sozialen Pflegeversicherung in diesem und im kommenden Jahr je ein Darlehen in Höhe von 0,5 und 1,5 Milliarden Euro zukommen soll. Und um vorzutäuschen, sie tue etwas, hat sie eine Bund-Länder-Kommission eingerichtet, die über eine Finanzreform beraten soll. Also statt 5,5 Mrd € Schulden zurückzuzahlen, möchten Merz und Klingbeil der Pflegeversicherung ein Darlehen andrehen.

Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland e.V. ist der Meinung, dass die Bundesregierung die Rückzahlung konsequent verweigert, weil sie Spardruck auf die Pflegeversicherung ausüben möchte. Das wäre klar abzulehnen.

„Der Haushaltsentwurf 2026 von Finanzminister Klingbeil verschärft die chronische Unterfinanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung. Statt im kommenden Haushaltsjahr lediglich ein zinsfreies Darlehen in Höhe von zwei  Milliarden Euro bereitzustellen und großzügige Bundeszuschüsse auszuschließen, fordere ich die Bundesregierung auf, erst einmal ihre Schulden bei den Pflegekassen zu begleichen. Wir prüfen derzeit Musterklagen von VdK-Mitgliedern, da sich die Bundesregierung konsequent weigert, ihre Verpflichtungen gegenüber den Pflegekassen zu erfüllen.“ [jdm/Bildnachweis: Susie Knoll]

Die Herrschaften wünschen, dass länger gearbeitet werde

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat gefordert, die Deutschen mussten mehr und länger arbeiten. Dabei stellte sie wieder alle längst widerlegten Behauptungen auf, die von neoliberaler Seite seit eh und je kommen. Im Mai hatte Merz längere Arbeitszeiten gefordert. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der selbst über eine äußerst bescheidene Arbeitsbiografie verfügt (1 Jahr bei einer Bank als Volkswirt), ist der Meinung, dass alle anderen zu wenig arbeiten.

Für Reiche sind die Rentenversicherung und die Krankenversicherung wegen der geringen Arbeitsleistung überlastet. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor einer Erhöhung des Rentenalters. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel verwies erneut darauf, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mütterrente aus Steuergeldern und nicht aus der Rentenkasse bezahlt werden müssten Außerdem müsse auf der Einnahmeseite der Rentenversicherung mehr reinkommen.

Sogar der stellvertretende Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) Christian Bäumler kritisierte Reiches Aussagen: „Wer als Wirtschaftsministerin nicht realisiert, dass Deutschland eine hohe Teilzeitquote und damit eine niedrige durchschnittliche Jahresarbeitszeit hat, ist eine Fehlbesetzung“. Damit dürfte er auch Friedrich Merz als eine Fehlbesetzung für das Kanzleramt qualifiziert haben. [jdm]

Vorschlag für Boomer-Soli soll solidarische Rente schwächen

Das Institut der deutschen Wirtschaft weiß, dass das Rentensystem durch Belastung mit versicherungsfremden, weil gesamtstaatlichen, Ausgaben wie der Mütterrente und geringen Löhnen ausgehöhlt wird, wie der DGB kritisiert. Aber es empfiehlt einfach eine Umverteilung unter den Rentnern, um angeblich den Kleinstrentnern zu helfen. Das Institut nennt das Boomer-Soli.

Im DIW-Vorschlag sollen alle Boomer einen 10%-Abschlag auf die Rente zahlen. Rentner gelten in dem Vorschlag schon ab 1000 € als so reich, dass sie zahlen sollen. Dass Geld soll dann umverteilt werden auf die Rentner, die noch weniger haben.

Wem hilft es? Den Rentnern jedenfalls nicht. Aber dem Staat, der die Niedrigrentenbezieher bisher über die „Grundsicherung im Alter und bei Behinderung“ unterstützen muss. Er muss dann weniger zahlen. Das ist schön für den Finanzminister, der dann wieder ein paar Euro für die Hochrüstung über hat.

Geradezu witzig ist es, dass das DIW nur die „Alterseinkommen“ einbeziehen will, die Einbeziehung von Renditen aus Kapitalvermögen nur im Nachsatz als möglich, aber auch schwierig bezeichnet. Die Ems-Zeitung zitiert DIW-Präsident Marcel Fratzscher, der im Deutschlandfunk gesagt habe, es gehe nur um die Renditen privater Altersvorsorge, Vermögen sollten nicht zusätzlich besteuert werden.

Denn Reiche sind für Solidarität grundsätzlich nicht zu haben. Sie haben genug damit zu tun, ihre Yachten, Villen und Hochzeiten zu pflegen und zu organisieren.

Nun ist aber sogar Gitta Connemann gegen einen Boomer-Soli. Sie sagte, der „Boomer-Soli“ raube den Menschen Verlässlichkeit. Wer in die Rente eintrete, dem könne man nicht so über Nacht sagen, man nehme ihm davon zehn Prozent weg.

Das ist richtig, doch es geht nicht nur um dieses Vertrauen in staatliches Handeln. Der Boomer-Soli ist vor allem verfassungsrechtlich bedenklich, egal ob er über eine Umverteilung von Rentenanwartschaften oder als Sonderabgabe auf sämtliche Alterseinkünfte verwirklicht wird.

Das eigentliche Ziel des DIW-Vorschlags ist nicht, wirklich einen Beitrag zur Verbesserung der Situation von Kleinrentenbeziehern zu schaffen. Durch denunziatorisches Zeigen auf die angeblich gut situierten Boomer sollen die jungen Rentenbeitragszahler gegen die Rentner aufgehetzt werden, damit sie erst gar nicht auf den Gedanken kommen, die Situation der Rentenversicherung ließe sich durch eine angemessene Beteiligung der Kapitalbesitzer und Vermögenden verbessern.

Das deutsche Rentensystem ist als Umlageversicherung ein solidarisches System. Der DIW-Vorschlag will dieses System unterlaufen, indem er einzelne Versichertengruppen diffamiert. Ähnliche Versuche gibt es in der Krankenversicherung immer wieder, wenn einzelne Gruppen von Versicherten, wie Sportler, Raucher oder Übergewichtige als Kostentreiber denunziert werden. Bei der Arbeitslosenversicherung haben wir uns alle schon fast daran gewöhnt, dass die Arbeitslosen selbst schuld sein sollen, wenn der Versicherungsfall eintritt. [jdm]