Burgdorf-Interview: E 233 und Sirenen, aber keine Geburtsstation in Sögel und keine Wohnungsbaugesellschaft
„Die Politik auf Bundesebene muss sich endlich durchringen zu großen Reformen, die es braucht, die aber auch wehtun werden.“ Mit diesem Nonsense-Satz endet die erste Antwort in dem Interview der Ems-Zeitung mit Landrat Marc-André Burgdorf. Dieser Satz heißt nichts und kann auch alles bedeuten. Etwas Kritik darf sein, aber mit dem „auch wehtun werden“ wird Einverständnis mit dem von der Bundesregierung betriebenen Sozialabbau signalisiert.
Dann ärgert sich Burgdorf darüber, dass die E 233 noch immer nicht gebaut worden ist, weil Planung, Genehmigung und Bauausführung in Deutschland lange brauchen. Vielleicht liegt es ja gar nicht daran, sondern daran, dass diese Straße die 1,2 Mrd. €, die sie mindestens kosten wird, einfach nicht wert ist. Und daran, dass die Gegner des Vorhabens, wie der Nabu einfach ein paar gute Argumente haben und das Ganze auch umweltfreundlicher und billiger zu haben wäre.
Das Krankenhaussterben hält Burgdorf offensichtlich für einen schicksalhaften Vorgang. Hier ist nicht zu kritisieren, dass der Landkreis die Zusammenschlüsse der Krankenhäuser auf Landkreisebene unterstützt hat. Aber mit der Schließung der Geburtsstation in Sögel hat Burgdorf sich offensichtlich abgefunden und gibt als Beruhigungspille aus, dass dies nicht den Anfang vom Ende des Hümmling-Hospitals bedeuten müsse. Was man aber vom Landrat und der Kreispolitik erwarten könnte, ist der Widerstand gegen die Krankenhauspläne der Bundes- und Landesregierung. Stattdessen werden die Parteipolitiker der CDU und SPD, die das Krankenhaussterben offensiv betreiben, von der hiesigen Politik hofiert.
Dass Klimaereignisse wie Hochwasser, Moorbrände oder Stromausfälle entsprechende Katastrophenschutzpläne brauchen, wird niemand bestreiten. Aber Burgdorf fordert im Zusammenhang mit seinem Lob des Ausbaus der Sireneninfrastruktur durch den Landkreis, die Bevölkerung müsse resilienter werden. Er selbst outet sich als Prepper, der Vorräte für den Kriegsfall angelegt hat.
Nun könnte man das als einen gewissen Fatalismus durchgehen lassen, wenn Burgdorf in der nächsten Antwort nicht die Hoffnung auf die Ansiedelung von Rüstungsindustrie äußern würde. Eine Geburtsstation kann es nicht mehr in Sögel geben, aber Produktionsstätten für Mordwerkzeug werden als erstrebenswerte Zukunftsvision angeboten. Logisch, dass bei solchen Zukunftsaussichten auch jeder Vorräte bunkern sollte. Das klingt nicht einfach nach Vorsorge. In der Friedensbewegung wird die Werbung für den sogenannten Zivilschutz für einen Teil der Kriegspropaganda gehalten.
Witzig wird es, wenn Burgdorf die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft durch den Landkreis Emsland mit der Begründung ablehnt, es brauche individuelle Lösungen vor Ort. Burgdorf tut hier so, als sei er Chef eines großen Landes, in dem die Regierung nicht weiß, was in den entlegenen Regionen so vor sich geht. Er ist aber Landrat eines Landkreises mit 335.000 Einwohnern. Da sollte der Landrat noch wissen, was so vorgeht, zumal die vom Landkreis Emsland in Auftrag gegebene Aktualisierung des Wohnraumversorgungskonzeptes genau benennt, wo welche Wohnungen fehlen. Man stelle sich vor, der Oberbürgermeister von Köln würde öffentlich sagen, er könne zur Wohnraumversorgung in Köln-Deutz leider nichts sagen.
Er verweist in seiner Antwort ausschließlich auf die Ausweisung von neuem Bauland, für die in der Tat die Gemeinden zuständig sind. Das Wohnraumversorgungskonzept schlägt aber ausdrücklich den Bau von bezahlbaren Mietwohnungen durch die Öffentliche Hand vor. Das hatte auch die SoVD-Kreisvorsitzende Kötter gefordert. Eine Wohnungsbaugesellschaft auf Kreisebene könne gerade den finanzschwächeren Gemeinden helfen. Die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft würde dem Landkreis deutlich einfacher von der Hand gehen, als einer finanzschwachen Kommune. Eine kreisweite Wohnungsbaugesellschaft könnte zudem Rationalisierungseffekte beim Bau von Mietshäusern besser ausnutzen.
Burgdorf fällt stattdessen ein, Senioren sollten ihre Wohnungen aufgeben und an junge Familien vermieten. Dafür brauche es „aber alternativen Wohnraum für die ältere Generation“ fällt ihm dazu ein. Da hat er mal recht. [jdm]