Erster Geschäftsführer der Emsland GmbH war NSDAP-Mitglied und im besetzten Polen für Ausbeutung der Bauern verantwortlich
Der Emslandplan wurde vor 75 Jahren vom Deutschen Bundestag am 5. Mai 1950 beschlossen, um den Lebensstandard des damals rückständigen Emslandes dem der Bundesrepublik anzugleichen. Das Emsland als geografischer Begriff war damals noch etwas weiter gefasst, als wir das heute mit der Verengung auf den Landkreis Emsland kennen. Zielgebiet waren die damaligen Landkreise Aschendorf-Hümmling, Meppen, Lingen und die Grafschaft Bentheim, sowie Teile der angrenzenden Landkreise Leer, Cloppenburg und Bersenbrück.
Organisiert wurde der Emslandplan durch die 1951 gegründete Emsland GmbH. In der ersten Phase von 1950 bis 1963 wurde besonders die Landwirtschaft gefördert, heißt es in dem Magazin des Landkreises zu 75 Jahre Emslandplan. Hier wurden die Moore trocken gelegt und in Ackerflächen verwandelt. Neue Höfe wurden angesiedelt und damit Arbeitsplätze geschaffen. Die Allgemeinversorgung und eine langsame Industrie- und Gewerbeerschließung begannen.
Für die Leitung der Emsland GmbH wurde der Geschäftsführer Johann Dietrich Lauenstein eingestellt. In der Kurzbiografie auf der Internetpräsenz zum Jubiläum des Emslandplanes heißt es „Eine Rückkehr in den Staatsdienst gelang ihm wegen der Entnazifizierungsbestimmungen und seiner frühen Zugehörigkeit zur Heeresverwaltung nicht.“ Dass der Mann Akteur bei der Ausbeutung des besetzten Polens und überzeugter Nazi war, wird aus diesem Satz eher nicht deutlich.
Der 1893 in Aurich geborene Lauenstein hatte schon eine lange Verwaltungs- und Politkarriere hinter sich. Von 1925 bis Oktober 1932 war er Landrat im Kreis Sulingen. Danach war er mit Unterbrechungen bei der Osthilfe tätig, einem Hilfsprogramm der Reichsregierung für Ostpreußen. 1935 bis 1939 leitete er als Geschäftsführer die Reichsumsiedlungsgesellschaft mbH, die auch für die Räumung von Wahn und die Gründung des Ortes Rastdorf zuständig war. 1936 wurde er Ministerialdirektor im Oberkommando des Heeres (OKH). 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai 1937 aufgenommen (Mitgliedsnummer 5.917.664).
1940 wechselte er als Ministerialdirektor ins Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und war vom 1. Mai 1940 bis zum 31. August 1944 erster Geschäftsführer der Ostdeutschen Landbewirtschaftungsgesellschaft mbH, der späteren Reichsgesellschaft für Landbewirtschaftung mbH, in Berlin. Diese enteignete polnische Landwirte in den besetzten Gebieten. Dem Besitzer wurde die Verfügungsgewalt über seinen Hof, sein Vieh und seine Felder samt Ernte entzogen, trotzdem musste er ihn weiter bewirtschaften. Verkauf oder Verpachtung des Hofes oder seines Inventars waren dem Besitzer untersagt. Nach diesem Job wurde Lauenstein Landrat von Landsberg an der Warthe.
Trotz seiner aktiven Mitarbeit in der Nazi-Verwaltung und seiner Tätigkeit als Organisator der Versklavung der polnischen Bauern beauftragte der Bundestag ihn mit der Umsetzung des Emslandplans. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er 1947 zwar vernommen, aber offensichtlich ohne Befund. Ab 1946 stand für die Westallierten der kalte Krieg gegen die Sowjetunion im Vordergrund und die meisten Nazis wurden als unbelastet eingestuft. Lauenstein arbeitete danach als Verwaltungsrechtsrat und war als Generalsekretär der Deutschen Partei (DP) zudem politisch tätig.
Lauenstein erhielt 1959 die Niedersächsische Landesmedaille, was nicht weiter verwundert: Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf (SPD) war von 1939 bis 1943 im Auftrag der NS-Regierung als Vermögensverwalter im besetzten Polen aktiv und war „Treuhänder konfiszierter polnischer und jüdischer Güter“ und als Enteignungskommissar im Gebiet Lubliniec tätig. Er hat sich mit Lauenstein sicher trefflich über die Ausbeutung Polens unterhalten können. [jdm]