Kommunen entmündigt: Warum Fördermittel unsere Demokratie gefährden
Die Fachzeitschrift Kommunal berichtete kürzlich über die niedersächsische Gemeinde Grasleben, der das Land die zugesagte Förderung für einen Minispielplatz wegen vermeintlicher Formfehler in der Ausschreibung strich. Die Gemeinde klagte dagegen. Daraufhin hat das zuständige Amt für regionale Landesentwicklung den Widerspruchsbescheid zugunsten der Kommune überraschend angepasst und die Sanktionierung aufgehoben.
Auch der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) unterstützte diese Sichtweise. Präsident Dr. Marco Trips bezeichnete den Fall Grasleben als „exemplarisch für die Überregulierung in Förderprozessen“ und forderte stattdessen eine solide kommunale Grundfinanzierung.
Der Chefredakteur der Fachzeitschrift Kommunal schreibt in einem Leitartikel, Kommunen würden entmündigt und die Fördermittel gefährdeten unsere Demokratie. Starke Kommunen seien der beste Schutz gegen Extremismus und Politikverdrossenheit. Doch statt Vertrauen gebe es Fördertöpfe.
Artikel 28 Grundgesetz garantiere kommunale Selbstverwaltung. In der Realität sei sie ein Placebo. Die Macht liege bei Bund und Ländern, die Kommunen dürfen Danke sagen – oder klagen.
Wer kommunale Selbstverwaltung stärken wolle, müsse Schluss machen mit Gießkannen-Förderpolitik und den Kommunen direkte Anteile an Steuereinnahmen garantieren. Damit werde Planungssicherheit geschaffen und Verantwortung vor Ort ermöglicht.
Demokratie lebe vom Mitmachen. Und das beginne in den Kommunen. Wer sie weiter wie Bittsteller behandele, säge an den Grundfesten unseres Staates. Der Staat der Zukunft sei dezentral. Oder er sei Vergangenheit.
Kommunal berichtet auch über den bayrischen Ort Traitsching, der sich statt in Fördermittel-Bürokratie zu verheddern, einfach drauflos gebaut habe. Denn wegen des Verzichts auf die staatlichen Zuschüsse sei man frei von den strengen Auflagen gewesen. Und so konnte die Gemeinde das Freibad günstiger und größer bauen.
Ursprünglich waren die Fördermittel ein Weg der Umverteilung zwischen reichen und armen Gemeinden. So konnte die Lebensqualität in strukturschwachen Gebieten und Gemeinden dem allgemeinen Niveau angeglichen werden.
Verbunden war damit allerdings von Anfang an ein Hineinregieren der Fördermittelgeber in die Angelegenheiten der Gemeinden. Als in Wippingen 1965 die Mehrzweckhalle geplant wurde, konnten vom Land Niedersachsen keine Zuschüsse eingeworben werden. Ein Kredit wollte man aber auch nicht aufnehmen und so wurde beschlossen, den 1. Bauabschnitt ohne Landeszuschüsse in Angriff zu nehmen und mit den weiteren Bauabschnitten zu warten, bis dafür Zuschüsse bereitgestellt würden. Später beim II. Bauabschnitt wurde der Gemeinde vom Niedersächsischen Sozialministerium dann vorgehalten, man habe ohne offizielle Genehmigung des Landes bereits gebaut.
Auch wer die Gestaltung des öffentlichen Raums in vielen Gemeinden betrachtet, stellt fest, dass sie häufig dem entspricht, was das Amt für regionale Landesentwicklung für eine ortsübliche Gestaltung und damit für förderfähig hält. Wenn Bürgermeister gefragt werden, hätte man dies und das nicht anders gestalten können, lautet die finale Antwort, dass es dafür keine Fördergelder gegeben hätte.
Eine Alternative zu diesen Gängelungen der Gemeinden wäre es, wenn die Gemeinden das Geld direkt zur freien Verfügung erhielten. Ein Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Gemeinden könnte über die allgemeinen Umlagen erfolgen, die es auch jetzt schon gibt. [jdm]