Normalerweise richten sich Demonstrationen an diejenigen, die die Macht haben, um sie zu einer Änderung der Politik zu bewegen. Die großen Demonstrationen gegen Rechts wandten sich gegen diejenigen, die die Macht erringen wollen. Das war gut so. Denn vor 91 Jahren konnten Nazis in Deutschland über Wahlen die Regierung übernehmen. In der Zeit davor gab es viele Konservative, Deutschnationale, Rechtsliberale und die Vertreter der großen Industrie, die das Erstarken der NSDAP nicht nur mit Sympathie betrachteten, sondern auch nach Kräften förderten.

Das scheint jetzt anders zu sein. Anlass war die Konferenz der AFD mit anderen Neonazis in einer Berliner Villa, wo über die „Remigration von Ausländern“ gesprochen wurde. Von der CDU über die Parteien der Bundesregierung, die beiden Parteien der Linken, Die Linke und BSW, bis zur Antifa-Szene warnen alle vor dem Aufstieg der AFD. Und die vielen Menschen zeigen, dass sie keine Nazis an der Macht wollen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte er in einer am Sonntag veröffentlichten Videobotschaft. „Sie verteidigen unsere Republik und unser Grundgesetz gegen seine Feinde. Sie verteidigen unsere Menschlichkeit.“ Und da wird es würdig, die Frage aufzuwerfen, was es bedeutet, wenn ein Bundespräsident, der Hartz IV mitzuverantworten hat, der Murat Kurnaz als Verantwortlicher im Bundeskanzleramt seinerzeit in Guantanamo verrotten ließ und der den Streubombeneinsatz befürwortet, von Menschlichkeit spricht.

Oder was bedeutet es, wenn die Bundesregierung am Tag vor den großen Demonstrationen ein Gesetzespaket eingebracht hat, dass das „Abschieben im großen Stil“ (Bundeskanzler Scholz) erleichtert? Oder was bedeutet es, wenn der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zwar nicht von Remigration spricht, sondern von 26 Vorschlägen zur Begrenzung der Migration in Deutschland? Gleichzeitig wird von CDU bis zu den Grünen die militärische Eskalationspolitik in allen Teilen der Welt (Ukraine, Gaza, Jemen, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten, Sahelzone, China) unterstützt, die wiederum zu neuen Fluchtbewegungen führt.

Ziel der Nazipolitik war damals die Führung eine Krieges, um die Vorherrschaft Deutschlands zu erreichen. Was bedeutet es, wenn die bürgerliche Regierung den Militärausgaben den Vorrang vor den Ausgaben für Soziales, Infrastruktur und Klimaschutz gibt? Was bedeutet es, wenn beim diesjährigen Nato-Manöver Steadfast Defender vier Monate ein möglicher Krieg mit Russland geprobt werden soll, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, wenn alle Ressourcen in die Aufrüstung und die Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit Russland gesteckt werden, während kaum Anstrengungen unternommen werden, aus der jetzigen Eskalationsspirale wieder herauszukommen? Und dabei so getan wird, als ob ein Krieg tatsächlich führbar wäre (Stichwort Kriegstüchtigkeit) ohne die beteiligten Länder vollkommen zu zerstören.

Die massenhafte Ablehnung der AFD und ihres faschistischen Flügels reicht nicht; es muss auch eine Politik erfolgen, die sich nicht deren Forderungen in vielen Einzelschritten zu eigen macht. [jdm]