Thomas Freese

Grüner Wasserstoff ist ein wichtiger Teil der Energiewende, aber nur für bestimmte Anwendungsgebiete. Das ist das Fazit von Thomas Freeses Vortrag über „Nachhaltige Chemie und Wasserstoff“ bei der Mitgliederversammlung der Grünen Emsland-Nord.

Insbesondere beeindruckte seine Präsentationsfolie, die verglich, welchen Energieeinsatz man benötige, wenn man Großbritannien (genauer das Vereinigte Königreich) mit Wärmepumpen oder mit Wasserstoff heizen würde. Hier würde Wasserstoff einen Energieeinsatz von 143 GW bedeuten, aber der Einsatz von Heizungen mit Wärmepumpe lediglich 26 GW. Diese Rechnung geht deswegen auf, weil bei der Erzeugung von Wasserstoff mit Hilfe von Strom nur ein Wirkungsgrad von 70% erreicht wird und beim Transport des Wasserstoffs und bei der Umwandlung in die Heizungswärme weitere Energieverluste auftreten. Bei der Wärmepumpe wird die Energie direkter in Heizungswärme umgesetzt, so dass für dieselbe Heizungsenergie viel weniger Primärenergie eingesetzt werden muss.

Für den Vergleich des Elektroautos mit einem Dieselfahrzeug stellte er eine ähnliche Rechnung auf. Zwar gebe es bei der Produktion der für das E-Fahrzeug erforderlichen Batterien einen deutlich höheren Energieeinsatz und damit erhöhte CO2-Produktion gegenüber dem Diesel-Fahrzeug. Aber ab einer Fahrleistung von 21.000 km drehe sich das Verhältnis um.

Warum war Freese trotz dieser Beispiele von seinem Thema Wasserstoff so begeistert und warum ist Wasserstoff ein Teil der Energiewende?

Freese begann seinen Vortrag sehr grundsätzlich. Alles, was uns umgebe, angefangen von  Artikeln zur Körperpflege, der Nahrung, Medikamenten, Düngemitteln, Fahrzeugen in allen Einzelteilen, Bekleidung, Verpackungen und den darin enthaltenen Beschichtungen in der Brötchentüte, der Aluminiumdose bis hin zu den Schutzanstrichen von Maschinen, Häusern und Möbeln, seien chemische Stoffe, die von Chemikern ersonnen und dann produziert würden. Und fast alle diese Stoffe würden aus Öl hergestellt.

Eine nachhaltige Chemie – und heute würden fast alle Chemiker in diese Richtung forschen – müsse das Öl durch bio-basierte Rohstoffe ersetzen. In der Regel bedeute dies, die Stoffe aus Holzabfällen aller Art, Spänen oder Nussschalen zu erzeugen. Sein Doktorvater Ben Feringa habe den Nobelpreis für Chemie für das Design und die Synthese von molekularen Maschinen erhalten. Freese habe an der Weiter-Entwicklung dieser molekularen Maschinen auf Biobasis mitgearbeitet. Dafür gebe es keine Anwendung und man müsse jetzt nicht verstehen, was diese „molekularen Maschinen“ seien, aber das sei sehr cool gewesen.

Es gebe 12 Prinzipien der grünen Chemie, zu denen  die Verwendung erneuerbarer Rohstoffe, die Abfallvermeidung und das Design für eine biologische Abbaubarkeit gehören. Um diese Prinzipien durchzusetzen brauche man eine Energiewende, eine Rohstoffwende (Verwendung grüner Rohstoffe, Holz statt Öl) und eine Materialwende (alles muss recyclebar sei, keine Gemische).

Wasserstoff werde zum Teil als Allheilmittel für die Energiewende verkauft. Es gelte aber Wasserstoff dort zu verwenden, wo er tatsächlich benötigt werde. Zunächst einmal müsse man sich darauf verständigen Grünen Wasserstoff zu verwenden. Aktuell werden nur 4% des Wasserstoffs klimaneutral erzeugt. 96 % des Wasserstoffs sind grauer (aus Öl oder Erdgas hergestellt), blauer (aus Erdgas hergestellt, bei Weiterverwendung des CO2) oder türkiser (aus Methan hergestellt mit Ablagerung von festem Kohlenstoff) Wasserstoff.

Wasserstoff wird am einfachsten aus der Elektrolyse von Wasser hergestellt. Dabei wird Wasser durch Stromzufuhr in seine beiden Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Wird dabei Strom aus erneuerbaren Energiequellen (Sonne, Wind, Biogas) genutzt spricht man von grünem Wasserstoff.

Wasserstoff wird in vielen chemischen Prozessen gebraucht. Der heute meist genutzte Wasserstoff wird aus Öl oder Erdgas produziert, wobei neben dem Wasserstoff auch CO2 produziert wird. Wenn man über die Nutzung von Wasserstoff als Mittel gegen die Klimaveränderung spricht, geht es nur um den grünen Wasserstoff.

In der Brennstoffzelle können Wasserstoff und Sauerstoff wieder zusammengeführt werden, um den umgekehrten Prozess in Gang zu bringen und Strom zu erzeugen. Da bei der Produktion von Wasserstoff mittels (grünem) Strom bereits ein Verlust von 30 % zu verzeichnen ist, ist die Verwendung von Wasserstoff nur dort angezeigt, wo es keine Alternativen gibt oder wo er wirtschaftlich von Vorteil ist. Dies ist nach Auffassung von Freese vor allem bei vielen chemischen Prozessen, z. B. der Düngemittelherstellung, der Fall, wo es keine Alternativen gibt. In Stahlwerken ist Wasserstoff wirtschaftlich. Der Einsatz von Grünem Wasserstoff bedeute hier eine erhebliche CO2-Einsparung. Auch sei Wasserstoff für den Netzausgleich, der heute mit Gas- und Kohlekraftwerken passiert, sinnvoll einzusetzen. Im Transportwesen sei Wasserstoff bei der Schifffahrt und bei Flugzeugen sinnvoll, weil hier Strommotoren auf Langstrecken kaum denkbar sind. Im Individualverkehr halte er Wasserstoff für falsch. Hier führte er den eingangs erwähnten Vergleich des Elektromotors mit dem Diesel ein. In Dänemark sei man der Entwicklung etwas voraus. Hier würden Wasserstofftankstellen bereits abgebaut, während man in Deutschland noch über die Einführung nachdenke.

Das Niedersächsische Wasserstoffnetzwerk habe als Abnehmer des Wasserstoffs keineswegs den Privatkunden mit seiner Heizung oder dem Auto im Blick, sondern es gehe um die Belieferung der Chemieindustrie mit dem Rohstoff Wasserstoff.

Der Energiewende stünden seiner Meinung nach manchmal seltsame Mythen entgegen. So habe eine Studie gezeigt, dass übertriebene Bedenken wegen der Giftigkeit von ausgemusterten Photovoltaik-Anlagen ein Hindernis für den Ausbau der Photovoltaik darstellten. Freese beeindruckte mit einer Folie, auf der verschiedene Abfallarten nebeneinander gestellt wurden. Die Menge der Abfälle aus Photovoltaikanlagen stellten dabei einen verschwindend geringen Anteil dar.

Die Lagerung von Wasserstoff stelle eine technische Herausforderung dar.  Am besten werde Wasserstoff durch Kühlung mit Stickstoff verflüssigt und als Flüssigkeit gelagert. Wasserstoff als kleinstes Atom könne alle Wandungen durchdringen. In Chemiewerken sei die Anwendung von Wasserstoff wegen der kurzen Wege auch mit den wenigsten Verlusten verbunden. Er sei allerdings kein Chemieingenieur und könne hier keine besseren Auskünfte geben. Aus dem Publikum kam die Information, dass die EWE Netz PE-Rohre als wasserstofftauglich einstufe. Freese dazu: „Cool“.

Zu dem Vortrag hatten sich in Papenburg einige Wippinger eingefunden. Sie erlebten einen begeistert Vortragenden, der in der Lage war, die komplizierten Zusammenhänge sehr einfach zu erklären, ohne das Thema zu verflachen oder in die Versuchung zu kommen, Allheilmittel anzubieten. Für Freese war es der erste Fach-Vortrag, den er auf Deutsch hielt. Der Moderator hob hervor, dass Freese sich offensichtlich schon einen leichten holländischen Akzent erworben hatte. Freese arbeitet zurzeit als Doktorand an der Universität Groningen und forscht an Möglichkeiten, die Elektrolyse ohne Zufuhr von elektrischer Energie allein durch Einsatz eines Katalysators und Licht in Gang zu setzen. Als mögliche Zielanwendungen stellt er sich vor, so z. B. die Abwasserklärung durch eine Wasserstofferzeugung zu ergänzen. [jdm]