Die EU und die USA nutzen die erzwungene Landung eines Flugzeugs durch Weißrussland um die Beziehungen zu Russland weiter zu vergiften. Es geht ihnen dabei um Zustimmung zu den immensen Rüstungssteigerungen der NATO und dem 100 Mrd.-Programm der EU zur Entwicklung neuer Kampfflugzeuge und Kampfdrohnen. Dumm nur, dass nach der Nawalny-Kampagne, EU und USA sich mit Roman Protassewitsch wieder für einen Faschisten stark machen.

Weißrussland hat ein Flugzeug zur Landung gezwungen. Das ist nach dem Chicagoer Abkommen zwar erlaubt, aber nur sehr bedingt und wird selten praktiziert. Der deutsche Außenminister Maas droht mit einer „Sanktionsspirale“, die EU und die USA verhängten Sanktionen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht in der erzwungenen Landung einen Angriff auf die Demokratie, die Freiheit der Meinungsäußerung und auf die europäische Souveränität. Die ersten zwei Punkte mag man noch verstehen, den dritten Punkt allerdings nicht mehr.

Man müsse einen Präzedenzfall verhindern, war eine andere Aussage. Diese erzwungene Landung war aber keineswegs beispiellos.

Die bekannteste Zwangslandung ist wohl die Landung der Präsidentenmaschine des damaligen bolivianischen Staatspräsidenten Evo Morales, den Frankreich, Spanien und weitere EU-Länder durch Überflugverbote im Auftrag der USA 2013 zur Landung in Wien zwangen, weil die USA den Whistleblower Edward Snowdon an Bord vermuteten. Die Diplomatenmaschine wurde in Wien von CIA-Agenten durchsucht. Diese Aktion wurde zwar von der UN und der OAS kritisiert, aber von den heute empörten europäischen Politikern vernahm man derartiges nicht.

Weitere Beispiele gefällig? 1956 zwangen französische Jagdflieger ein Flugzeug von Marokko nach Tunesien in Algerien zur Landung, um algerische Freiheitskämpfer zu verhaften. 1985 zwangen US-Kampfflugzeuge ein Flugzeug von Ägypten nach Tunesien zur Landung in Italien, um palästinensische Entführer eines Kreuzfahrtschiffes zu verhaften. 2004 wurde das Privatflugzeug eines ehemaligen russischen Ministers in Palm Beach, USA, zur Landung gezwungen. 2010 zwang der Iran ein Passagierflugzeug beim Flug von (vermutlich) Dubai nach Kirgisistan zur Landung. 2010 wurde ein Flugzeug von Paris nach Mexico-Stadt von US-Behörden zur Landung gezwungen, um einen Fluggast, der auf der US-Flugverbotsliste stand, festzunehmen. 2012 zwang die Türkei eine syrische Maschine beim Flug von Moskau nach Damaskus zur Landung in Ankara, um es zu durchsuchen. In keinem Fall wurden Sanktionen verhängt, auch nicht gegen den Mehrfachtäter USA oder gegen die Türkei.

Und was ist mit dem Fluggast Roman Protassewitsch? An den Vorwürfen der terroristischen Aktivitäten mag man Zweifel haben. Der Vorwurf, Massenproteste ausgelöst zu haben, ist aus demokratischer Sicht auch nicht justiziabel. Gegen die Verhaftung kann man also durchaus protestieren, bzw. man kann auf einem fairen Verfahren bestehen. Aber von den europäischen Regierungen hat man solche heftigen Reaktionen gegen die Behandlung von Julian Assange im britischen Gefängnis, die als Folter zu werten ist, und gegen die konstruierten Anklagen durch die US-Behörden bisher nichts mitbekommen.

Ist Protassewitsch ein Aufklärer, wie Assange oder ein Whistleblower, wie Snowdon. Ist er ein Kämpfer für Demokratie? Protassewitsch war als 16jähriger bereits Mitglied der nationalistischen Organisation „Junge Front“, kämpfte mit 17 auf dem Maidan in Kiew/Ukraine mit dem rechten Sektor und schloss sich der faschistischen Miliz „Regiment Asow“ an, die Krieg gegen die separatistischen Provinzen im Donbass führen. Er sagt, er sei dort nur Journalist gewesen, aber es gibt Fotos, die ihn in Uniform und mit Waffen zeigen.

Man kann davon ausgehen, es geht den westlichen Politikern nicht um die Person Protassewitsch oder überhaupt um Fragen der Demokratie, sondern der Fall dient ihnen dazu, eine politische Frontstellung gegen Weißrussland und gegen Russland aufzubauen, um die Politik der Konfrontation forcieren zu können und die ungehemmte Aufrüstung weiterführen zu können. Die EU plant gerade das größte europäische Rüstungsprojekt FCAS (Future Combat Air System). Hinter FCAS verbirgt sich ein Rüstungsprogramm, das verschiedene Waffensysteme vereint und ein weiterer Schritt in Richtung vernetzte und automatisierte Kriegsführung ist. Zu FCAS gehören u. a. ein neues atomwaffenfähiges Kampfflugzeug sowie bewaffnungsfähige und autonome Drohnen. Die Entwicklungskosten sollen rund 100 Milliarden Euro betragen, die sich die beteiligten Länder Deutschland, Frankreich und Spanien teilen.

Diese Unsummen für die Rüstung müssen irgendwoher kommen; sie werden den Arbeitenden durch neue Belastungen, sowie den Schülern und Studenten, den Kranken und den Armen durch Abbau der Bildungs- und Sozialetats weggenommen werden.

Und deshalb plustern sich die EU und die USA auf und aktivieren wieder einmal ihre ganzen Propagandainstrumente für die Freilassung eines faschistischen Aktivisten. Bei Nawalny ist ihnen das Gleiche passiert. Wäre doch schön, die „westliche Wertegemeinschaft“ würde sich mal wieder für einen Nicht-Faschisten einsetzen. [jdm]