Ems-Zeitung vom 2.09.1963
Ems-Zeitung vom 2.09.1963

Bei der Durchsicht alter Ems-Zeitungs-Ausgaben fielen zwei Meldungen auf, die an eine gefährliche Viruserkrankung erinnern und ihre vollständige Ausrottung durch eine weltweite Impfpflicht.

Am 2.09.1963 gab es die Meldung: „Pockenverdacht in Ungarn – 350 Touristen festgehalten“ – Etwa 350 ausländische Touristen und Geschäftsleute, darunter auch solche aus der Bundesrepublik, werden seit Sonnabend im Budapester Hotel Royal festgehalten. Das Hotel wurde vorsorglich für 21 Tage unter Quarantäne gestellt, nachdem ein Angestellter unter Pockenverdacht in die Isolierstation eines Krankenhauses eingeliefert worden war. Bisher hat sich der Verdacht allerdings nicht bestätigt. Alle Ungarn, die das Land verlassen wollen, müssen sich impfen lassen.

Ems-Zeitung vom 15.10.1964
Ems-Zeitung vom 15.10.1964

Am 15. 10.1964 hieß es: „Pockenimpfnachschau“. – Völlen. Für die am letzten Donnerstag in allen Ortsteilen der Gemeinde durchgeführte Pockenschutzimpfung findet heute nachmittag die Nachschau wie folgt statt: Völlen 15 Uhr in der Schule, … .

Noch in den 1950er und 1960er Jahren gab es in Europa Pockenepidemien, so z. B. 1950 in Glasgow, 1958 in Heidelberg (18 Krankheitsfälle, davon zwei tödlich), 1963 in Breslau (99 Krankheitsfälle, davon sieben tödlich) und 1967 in der Tschechoslowakei. Die Bedrohung durch Pocken war also 1964 allgemein bekannt. Berichte über Epidemien in Afrika und Asien waren präsent. 1967 machte die Weltgesundheitsorganisation die Pockenschutzimpfung weltweit zur Pflicht. Am 8. Mai 1980 konnte dann die WHO feststellen, dass die Pocken ausgerottet sind.

Die Impfung, auch Vakzination genannt, wurde mit einer Impfpistole oder Lanzette meist am Oberarm ausgeführt, wo sich an der Einritzstelle eine Pustel und daraus schließlich eine rundliche vertiefte Impfnarbe bildete, die bis heute bei vielen geimpften Menschen zu sehen ist. Die Impfnachschau sollte festhalten, ob die Impfung erfolgreich war oder eventuell eine Nachimpfung erfolgen musste.

Die Pocken waren eine Viruserkrankung, gegen die es keine Medikation gab und die sehr häufig tödlich endete. Man vermutet, dass der Virus schon vor 12.000 Jahren vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Nachdem der englische Arzt Dr. Jenner in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts während seiner Ausbildung bei Landärzten erfuhr, dass eine von den Ärzten praktizierte traditionelle Pockenvorbeugung (Variolation) nicht die gewünschte leichte Pockenerkrankung auslöste, wenn jemand vorher mit Kuhpocken infiziert war, und er dieses Wissen verwendete um ein Impfserum aus den Lymphknoten von erkrankten Kühen herzustellen, dauerte es nicht lange bis in ganz Europa Pockenschutzimpfungen stattfanden. In Deutschland wurde die Impfpflicht ab 1807 nach und nach in allen Ländern eingeführt und im Reichsimpfgesetz von 1874 für das ganze Land verbindlich. Während der Nazi-Zeit wurde die Impfpflicht aufgehoben, aber 1953 in der DDR wieder eingeführt. In Westdeutschland erfolgte die Wiedereinführung der Impfpflicht länderweise ab 1949.

Da der Impfstoff von Kühen stammte, nannte Jenner seinen Impfstoff Vaccine (von lat. vacca, dt. ‚Kuh‘) und die Technik der künstlichen Immunisierung „Vaccination“ (von lat. vaccinus, dt. ‚von Kühen stammend‘).(Quelle) Das Wort vaccination bedeutet heute im Englischen Impfung ganz allgemein, auch im Deutschen wird ein Impfstoff Vakzine, im Plural Vakzinen, genannt. [jdm/ Ems-Zeitung vom 2.09.1963 und 15.10.1964]