Online-Veranstaltung zum Atommülllager-Suchverfahren
Online-Veranstaltung zum Atommülllager-Suchverfahren

„Ausgestrahlt“ ist in diesen Wochen auf Tour mit einer zum „Atomklo“ umgebauten Dixi-Toilette, um in potenziell betroffenen Regionen über die Standortsuche zu informieren und war am letzten Samstag in Lingen. Und auf einer Online-Veranstaltung mit Helge Bauer speziell für die Emsländer wurde am Mittwoch über das Standortsuchverfahren für ein sogenanntes Endlager informiert. Auch einige Wippinger waren online dabei und machen sich jetzt ihre Gedanken.

Noch befindet sich das Suchverfahren in Phase 1. Ein bedeutender Zwischenschritt findet am 28. September statt, wenn das Atommüll-Bundesamt Base eine Liste von möglichen Standorten benennt. Angeblich soll die Liste eine hohe 2-stellige Zahl von Standorten enthalten.

Wer weiß, dass vor 45 Jahren der Salzstock bei Wippingen schon in der Auswahl war, kann sich vorstellen, dass der Salzstock auch jetzt als möglicher Standort benannt wird. Das Standortauswahlgesetz hat festgelegt, dass der Atommüll unterirdisch gelagert werden soll. Er soll für 500 Jahre rückholbar gelagert werden und die Sicherheit soll für 1 Million Jahre gegeben sein. Diese Vermessenheit, eine gültige Aussage für 1 Million Jahre treffen zu können, zeigt schon, wie unwissenschaftlich hier vorgegangen wird. Aber das offizielle Ziel des Gesetzes ist: der Standort soll nach rein wissenschaftlichen Kriterien und für die Bevölkerung transparent festgelegt werden.

Seltsam ist aber, dass die wissenschaftlichen Grundlagen – die zugrunde liegenden geologischen Daten – nicht öffentlich bekannt gemacht werden, weil sie Privatbesitz sind und bleiben sollen. Die Bevölkerung und ihr Staat sollen die Folgen der privaten Atomwirtschaft ausbaden, aber die Daten zur Entscheidungsfindung darf sie nicht kennen – die bleiben privat. Das ist die ganz normale Schizophrenie des Kapitalismus.

In der Diskussion über den weiteren Umgang mit dem Suchverfahren geht es jetzt um die Zielrichtung, die die Kritik und die Beteiligung der Bevölkerung gegenüber dem Atommüll-Bundesamt nehmen könnte.

Da letztlich nicht Wissenschaftler oder die Betroffenen über ein Endlager entscheiden, sondern ein einfacher Mehrheitsbeschluss des Bundestages entscheidend ist, ist zu erwarten, das die Entscheidung eine rein politische sein wird, bei der es darum geht, welche Bundestagsabgeordneten die größte Hausmacht hinter sich versammeln können. Die vollmundigen Wortmeldungen vieler Abgeordneten, sie würden ihren Standort davor bewahren und außerdem sei ja noch Zeit bis zur Entscheidung im Jahr 2031 zeigen, dass die MdBs nur in dem Zeitraum denken, den sie selbst noch im Bundestag verbringen nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“.

Ziel der Kritiker müsste sein, das Verfahren noch zu ändern, um die Transparenz des Verfahrens und die Mitwirkungsmöglichkeit der Betroffenen zu erhöhen. Denn immerhin geht es ja nicht nur um die geologischen Gegebenheiten, sondern auch um die jeweiligen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen auf die Bevölkerung des Standortes. Auch Entwicklungen, wie der Klimawandel mit seinen vorhersagbaren Veränderungen wie Meeresspiegel, Überschwemmungsgebieten und Veränderungen der Natur und Landwirtschaft müssten eine Rolle spielen.

Außerdem ist jetzt in Zeiten von Corona mit den Einschränkungen der Teilnahmemöglichkeiten an öffentlichen Veranstaltungen eine Transparenz überhaupt nicht mehr gegeben. Die im Gesetz vorgesehenen Teilgebietekonferenzen sollen zum Teil als Online-Veranstaltung laufen. Die Teilnehmer an der „Ausgestrahlt“-Veranstaltung konnten gerade live miterleben, wie schwierig es ist, einen echten Diskussionsprozess über dieses Format zu gestalten. Zumindest für die Zeit der Pandemie ist nach der Bekanntgabe der möglichen Standorte ein Moratorium beim Suchverfahren zu fordern. Das würde es auch ermöglichen, die Veröffentlichung des Bundesamtes in einem machbaren Zeitrahmen zu prüfen. Der jetzige Zeitplan ist ein Plan zur Verhinderung einer wissenschaftlichen Prüfung.

Einige Wippinger machen sich jetzt Gedanken, wie hier vor Ort noch im Oktober eine klassische Veranstaltung zum Thema durchgeführt werden kann. [jdm]