Briefmarken 70 und 10 Cent
Ein Standardbrief wurde am 1. Juli um 10 Cent teurer

Die Briefzustellung funktioniert auch 25 Jahre nach der Privatisierung der Deutschen Post immer noch relativ gut. Das liegt auch daran, weil das Postgesetz damals vorschrieb, dass die Post weiterhin eine flächendeckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen anbieten muss. Ausreichende Angebote sollen zur Verfügung gestellt und soziale Belange berücksichtigt werden. Und an sechs Tagen in der Woche müssen Briefe ausgeliefert werden. Und ein Postdienstleister muss lizenziert werden, um die Zuverlässigkeit und Fachkunde der Anbieter sicherzustellen.

Ein neoliberaler Wirtschaftsminister wie Peter Altmaier kann ein noch funktionierendes System natürlich nicht ertragen. Denn eine Dienstleistung soll schließlich dem Aktionär viel Geld bringen, und nicht den Kunden zufrieden stellen. Wenn ein Kunde unzufrieden ist, wechselt er ständig zwischen den Anbietern, wird von allen übers Ohr gehauen und merkt gar nicht, dass es auch schon mal anders ging. Altmaier möchte die letzten gesetzlichen Reste aus der Zeit, als die Post noch Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge war, beseitigen.

Um die privatisierte Post endgültig von der Leine lassen zu können, behauptet er einfach, dass wegen der Digitalisierung, vor allem der E-Mails, das Briefaufkommen bei der Deutschen Post gesunken sei. Erstens ist dies nicht wegen der Digitalisierung geschehen, sondern auch wegen der privaten Konkurrenz, und zweitens ist der Rückgang nicht sehr stark: zwischen 2016 und 2018 von 18,6 auf 17,9 Milliarden Briefe.

Weil nur zwei Prozent der Briefe am Montag ausgeliefert werden, soll nach Altmaiers Vorstellung nur noch an fünf Tagen (bisher sechs von Montag bis Samstag) ausgeliefert werden. Nun sind es an einem Montag immer noch ca. 7 Millionen Briefe, die ausgeliefert werden und darunter sind auch viele Zeitschriften oder auch kleine Tageszeitungen, die auf diesen Lieferservice angewiesen sind. Und diese stehen bei einer Einschränkung des Postdienstes vor dem finanziellen Aus, weil sie sich einen Auslieferungsdienst nicht leisten können.

Vielleicht ist die Aussicht, dass nur noch die großen Verlage ihre stromlinienförmigen Erzeugnisse ausliefern können, auch ganz im Sinne von Altmaiers großer Sorge um die Konzerneigner.

Noch ein Wort zur privaten Konkurrenz der Deutschen Post, wie wir sie auch im Emsland kennen: Bei den Briefzustellern dieser Konkurrenz handelt es sich um Minijobber, die die Briefe auch schon mal auf dem Küchentisch stapeln und dort vorsortieren. Einmal besuchte ich als Berufsbetreuer einen Klienten im Nachbarort. Das Gespräch fand bei der Nachbarin statt, die im Minijob als Briefzustellerin arbeitete. Diese sagte: „Gut, dass Sie da sind. Ich habe einen Brief für Sie!“. Sie zog tatsächlich aus dem Stapel der noch nicht zugestellten Briefe auf dem Küchentisch einen fehl gelaufenen Brief heraus, der zufällig an mich (im Nachbarort) adressiert war.

Wer viel Post verschickt und bekommt, weiß, dass jetzt schon oft Briefe nicht ankommen und dass oft bei Nachbarn Briefe eingeworfen werden oder auch Briefe von Nachbarn im eigenen Briefkasten landen.

Die Achtung des Briefgeheimnisses und die Zuverlässigkeit der Postzustellung werden durch verstärkte Ausbeutung der Postangestellten und geringere Anforderungen seitens des Gesetzgebers sicher nicht besser. Altmaiers Post-„Modernisierung“ hat nichts mit einer notwendigen Anpassung an veränderte Bedingungen oder einer Verbesserung der Zustände zu tun, sondern nur mit dem Wunsch nach Profitmaximierung seitens der Aktionäre. [jdm]