
„Schlauer sind wir nicht geworden,“ war ein Zuschauerkommentar nach der Veranstaltung der SPD Sögel mit Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) im Clemenswerther Hof. Die Aussage bezog sich vor allem auf die Zukunft der Geburtsstation im Hümmling Hospital.
Ca 140 Menschen waren gekommen, um zu hören, was der Minister zur Krankenhausversorgung zu sagen hatte. Sögels Samtgemeindebürgermeister Frank Klaß hatte in seinem Grußwort die Hauptthemen aus emsländischer Sicht benannt: Bleiben die Fachabteilungen in Sögel bestehen. „Und bei der Arztversorgung brennt die Luft.“
Dass Minister Philippi dem Krankenhaussterben nichts entgegen setzen möchte, wurde schon aus seinem Eingangsstatement deutlich, wo er stolz auf das Niedersächsische Krankenhausreformgesetz verwies, das schon 2019 beschlossen worden sei. Die Fortschritte der Medizin hätten eine neue Struktur des Krankenhauswesens erfordert. Es habe zu viele OPs gegeben und zu viele Endoprothesen würden eingesetzt, obwohl dies medizinisch nicht nötig gewesen sei. Es müssten deshalb Überkapazitäten abgebaut werden.
Die Chirurgie in den kleineren Krankenhäusern bezeichnete er als „Gelegenheitschirurgie“, von der man Abstand nehmen müsste. Nur dort, wo viel operiert werde, werde auch gute Qualität erzielt. Im späteren Verlauf hob er eine Geburtsstation mit über 4000 Geburten in einem Zentralkrankenhaus als Vorbild hervor. 500 Geburten pro Jahr werden für eine Geburtsstation mindestens gefordert. In Niedersachsen solle es 8 Versorgungsregionen mit jeweils einem Maximalversorger und einigen Grund- und Regelversorgern geben.
Gegen solche Zahlen kann das Sögeler Krankenhaus mit zuletzt 410 Geburten in 2014 (2018: 504 Geburten, 2019: 529 Geburten) nicht konkurrieren. Philippi konnte sich bei all seiner sonst zur Schau gestellten Jovialität nicht durchringen, einen Bestand der Sögeler Geburtsstation in Aussicht zu stellen. Nur „ob es 480 oder 500 Geburten sind, spielt keine Rolle“.
Eine Zuschauerin verwies darauf, dass ein Grund- und Regelversorger ohne andere Fachabteilungen – die ja alle beim Maximalversorger angesiedelt sein sollen – wirtschaftlich nicht überleben könne, aber auch für Ärzte nicht attraktiv sei und so Probleme mit der Arztversorgung entstünden.
Philippi sah hier die Verantwortung der Krankenhausgeschäftsführer, die für genug Ärzte sorgen müssten. In einer Anekdote erzählte er von einem kleinen Krankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern, das einen Arzt durch eine sehr hohe Vergütung gewonnen habe. Woher das Geld gekommen ist, sagte er nicht.
Die Niedersächsische Landesregierung hat vor zwei Jahren dem Lauterbach’schen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) zugestimmt. Philippi sprach davon, dass dieses Gesetz zunächst den ländlichen Raum außen vor gelassen habe, aber durch die Intervention der Länder stelle der „Sicherheitszuschlag“ – so nannte er die Vorhaltepauschale, die 40 % der Kosten decken soll - die Grundversorgungsstandorte auf finanziell sichere Füße. Er verglich die Vorhaltepauschale mit der Finanzierung der Feuerwehr, die vorsorglich finanziert werde, auch wenn es nicht brenne. Damit griff Philippi geschickt einen Vergleich der Gegner des Lauterbach’schen Kahlschlaggesetzes auf, die fordern, dass Krankenhäuser nicht nach dem Profitprinzip finanziert werden dürfen, sondern als Teil der Grundversorgung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip alle Kosten für die Behandlung von den Krankenkassen erstattet bekommen müssen.
Philippi kritisierte das jetzt von der Bundesregierung geplante Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG), weil dieses Einsparungen von 2 Mrd. € auf Kosten der Krankenhäuser bringen solle, obwohl doch vorher erst 3 – 4 Mrd. € Investitionen zugesagt worden seien. Das passe nicht zusammen. Jetzt sei man am gleichen Punkt wie vor zwei Jahren. Was ihm konkret sonst an dem neuen Gesetz nicht passt, sagte er allerdings nicht.
Auch für den Abbau von gynäkologischen Stationen bemühte er den medizinischen Fortschritt, der kürzere Liegezeiten und deshalb weniger Betten möglich mache.
Die Frage zum Apothekensterben beantwortete er zunächst mit der Behauptung, dass das in erster Linie ein städtisches Problem sei und das Land kaum betreffe. Als ihm entgegen gehalten wurde, dass auf dem Hümmling die Hälfte der Apotheken geschlossen wurden, zeigte er sich kurz irritiert, um dann über die Entscheidungsfreiheit des Apothekers zu sprechen, der nun mal zumachen kann. Das hatte auch niemand bestritten. Er rettete sich dann mit einer Klage über die schwierige Situation bei den Notdiensten der Apotheken. Ziel sei, dass eine einfache Fahrt zu einer Apotheke nicht länger als 25 km sein solle. Er forderte eine Erhöhung der Rezeptgebühr für die Apotheker um 1 €, womit er knapp unter der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Marge liegt.
Die Frage, warum die Versorgung mit Kinderärzten so schwierig sei, konnte Philippi beantworten: Es gebe einfach zu wenig. Man könne niemanden zwingen, sich darauf zu spezialisieren. Die Kinderärzte seien allerdings entbudgetiert worden. Das bedeute, dass sie weiter voll für ihre Arbeit bezahlt würden, auch wenn sie das festgelegte Budget schon erreicht hätten. Untersuchungen hätten ergeben, dass die Kosten jetzt zwar zugenommen hätten, aber nur für die vorhandenen Patienten und dass nicht mehr Patienten behandelt worden seien. [jdm]