NOZ tischt wiederkehrende Lüge zu Bürgergeld auf

"Lohnt Arbeit mit Bürgergeld überhaupt?" lautet eine Frage in einem DPA-Artikel in der heutigen NOZ. Und dann folgt eine Falschantwort, wie sie mittlerweile Standard ist, weil sich weder Journalisten noch Politiker die Mühe machen, das tatsächliche Sozialrecht anzuschauen: beide Gruppen verdienen so viel, dass sie das Bürgergeld aus eigener Anschauung nicht kennen.

"Wenn Bürgergeld, Kinderzuschlag oder Wohngeld zusammenkommen, ... – dann lohnt sich Mehrarbeit oft nicht." Kinderzuschlag wird voll auf das Bürgergeld angerechnet, kann also das Bürgergeld nicht erhöhen. Und der Bezug von Wohngeld und der Bezug von Bürgergeld schließen sich gegenseitig aus - es gibt entweder das eine oder das andere.

Um die Lüge vom Bürgergeldempfänger, der nicht arbeiten will, weil er zu viele kombinierte Sozialleistungen bekommt, immer wieder zu kolportieren, wird die Lüge wie die heutige in der NOZ immer wieder erzählt, aber sie wird dadurch nicht richtiger. [jdm]

Bürgergeld: Die Fakten zu den Gerüchten

"Die Zeit" hat in einem Artikel (vom 25. Januar 2024 hinter der Bezahlschranke) sehr übersichtlich die Fakten zum Bürgergeld dargestellt. Ausgangspunkt ist die Kampagne der CDU und FDP zur Verleumdung von Bürgergeldempfängern und die neuen verschärften Regeln zur Sanktionierung, die Hubertus Heil (SPD) einführte.

Aktuell gibt es 5,4 Millionen Bürgergeldbezieher. Das klinge zwar viel, aber 1,5 Millionen davon seien Kinder. Bleiben 3,9 Millionen erwerbsfähige Menschen. Davon stünden 2,2 Millionen "dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung", weil sie zum Beispiel zur Schule gehen, ein Studium absolvieren, Angehörige pflegen oder sich um kleine Kinder (689.379 Personen) kümmern. So sei es zum Beispiel möglich, während der Elternzeit ergänzend Bürgergeld zu beziehen, wenn das Elterngeld nicht zum Leben reicht. Andere nähmen an einer staatlichen Fördermaßnahme teil (494.674). Oder sie arbeiten bereits, verdienen aber nicht genug, um ohne zusätzliche Hilfe klarzukommen (781.000 so genannte Aufstocker). Diese „Aufstocker“ kann man weiter aufteilen: 41.000 machen eine Ausbildung, 265.000 haben einen Minijob, 65.000 sind selbstständig.

Damit bleiben 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger übrig, die nicht arbeiten. 950.000, also 56 Prozent, davon sind Deutsche, 750.000, also 44 Prozent, sind Ausländer. Die größte Gruppe unter den Ausländern machen Ukrainer aus (168.961), dann kommen Syrer (123.573), Menschen aus anderen Staaten der EU (113.845) und mit einigem Abstand Afghanen (38.930).

Zwei Drittel der Arbeitslosen in der Grundsicherung haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Ohne ausreichende Qualifikation sei es oft schwierig, eine Stelle zu finden. Nur 23 Prozent aller offenen Stellen in Deutschland sind laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für Bewerber ohne Abschluss geeignet. Hinzu komme, dass nicht alle offenen Stellen dort seien, wo die Arbeitslosen leben. Und wegen eines Niedriglohnjobs könne kaum einer den Wohnort wechseln.

Unter Langzeitarbeitslosen seien vermutlich viele, die zwar formal einen Job annehmen könnten, wegen »multipler sozialer Problemlagen« aber dazu nicht in der Lage seien. Dabei gehe es um Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen.

Die Krankenkasse AOK Rheinland/ Hamburg habe ausgewertet, dass Bürgergeldempfänger doppelt so häufig wie arbeitende Versicherte an einer Depression oder einer Lungenkrankheit leiden. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitslose Diabetes oder eine Herzkrankheit haben, sei erhöht. Bei den Flüchtlingen befänden sich viele noch in den Sprach- und Integrationskursen.

Somit besteht das aufgebauschte Problem der Verweigerung von Arbeit nur in wenigen Einzelfällen. Der Artikel schließt mit der Feststellung, dass die Zahl der Erwerbstätigen im Durchschnitt des vergangenen Jahres den Rekordwert von 45,78 Millionen erreichte. „Es arbeiten also so viele Menschen wie nie zuvor in der Geschichte der Republik.“ [jdm]

Bürgergeld: Merz und CDU verbreiten Fakes

Berechnungsbogen Bürgergeld
Beispiel eines Berechnungsbogens für Bürgergeld noch mit den Sätzen aus 2023

Die Tagesschau berichtet auf ihrer Internetseite über eine Studie des IFO-Instituts unter dem Titel „Wenn Mehrarbeit sich nicht lohnt“ und tut so, als ob dies ein Beitrag zur Diskussion über die populistische These der CDU sei, dass Bürgergeldempfänger zu faul zum Arbeiten seien. Dabei geht es in der Studie darum, dass in bestimmten Situationen eine Lohnerhöhung durch Sozialabgaben zum großen Teil aufgefressen werden kann, was tatsächlich ein (seltenes) Problem ist, aber mit dem Thema Bürgergeld nichts zu tun hat.

Hartz IV – ob als ALG II oder als Bürgergeld betitelt – wurde eingeführt, um durch die weitgehende Abschaffung der Leistungen für Arbeitslose (Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe) die Arbeiter unter Druck zu setzen, schlechte und schlecht bezahlte Jobs auszuhalten. Jedem Arbeiter, dessen Firma pleite geht, droht mittelfristig dass er seine Ersparnisse für den Lebensunterhalt verbrauchen muss, ohne dass ihm Hilfe zuteil wird. Das Ergebnis wird in vielen Fällen sein, dass er sich in unterqualifizierten Jobs abmüht – Hauptsache es kommt etwas Geld herein. Jeder Arbeitnehmer ist damit erpressbar geworden.

Deutschland gilt mittlerweile als Billiglohnland, das über diese unfaire Wettbewerbsverzerrung Vorteile im Exportgeschäft hatte und über das sich die Nachbarstaaten schon lange beklagt haben. Hartz IV hat die Tarifbindung erodiert und die Gewerkschaften geschwächt. Für die CDU und die FDP ist das noch nicht genug. Sie versucht mit einer Mischung aus rechter Hetze gegen eine Minderheit à la AFD und einem Extrabonus für die Arbeitgeber die soziale Lage noch einmal zu verschärfen.

Die unbewiesene Behauptung, dass das Bürgergeld dazu führt, dass Arbeit nicht angenommen wird oder sogar aufgegeben wird, führt auch Friedrich Merz in seinen Fake-Reden an. Dass der so genannte Arbeitnehmerflügel der CDU durch seinen Vorsitzenden Karl-Josef Laumann diesem Vorstoß von Merz die Zustimmung erteilt hat, zeigt eigentlich nur, dass es die CDU-Sozialausschüsse nur noch nominal, aber nicht real, gibt. Auf ihrer Homepage heißt es „Wir sehen uns als Wächterin der christlichen Soziallehre in der Politik“: Etikettenschwindel allenthalben!

Prof. Dr. Stefan Sell hat in einem Blog-Beitrag diese Erzählung der CDU (wieder einmal) auseinander genommen. Aber für die rechten Populisten zählen Fakten sowieso nicht – die Hetze gegen die Armen hat über die Jahrhunderte immer funktioniert und mit Hilfe der Blöd-Zeitung versucht die CDU auch heute damit zu punkten.

Im 16. Jahrhundert wurden Arme, sofern sie nicht eindeutig krank oder kriegsversehrt waren, als diejenigen verachtet, die a) ihr Vermögen verschleudert hätten, b) die nicht sesshaft werden wollten und c) Gauner und Huren. Viel weiter ist die CDU heute noch nicht.

Ergänzt wird die Erzählung von den faulen Arbeitslosen noch von der Mär, die die Tagesschau heute pushen wollte, dass Bürgergeldempfänger mehr Geld bekommen, als Arbeitende. Tatsache ist, dass jemand, der sehr wenig verdient, zusätzlich Bürgergeld bekommen kann, um das Lebensminimum zu erreichen. Diesen so genannten Aufstockern wird dabei nicht der ganze Lohn angerechnet, sondern es bleibt ein Grundfreibetrag und ein Erwerbstätigenfreibetrag anrechnungsfrei.

Normalerweise wird beim Bürgergeld der Bedarf errechnet. Bei einer allein stehenden Person sind dies seit diesem Jahr 563 Euro im Monat. Hinzu kommt die Miete, deren Höchstgrenze jeweils lokal, meist landkreisweit, festgelegt wird. Abgezogen wird von dem Bedarf das eigene Einkommen, z. B. eine Unfallrente. Ist der Aufstocker erwerbstätig, wird allerdings nicht der ganze Lohn abgezogen, sondern nur ein Teil. Denn 100 € vom Lohn bleiben als Grundfreibetrag unberücksichtigt. Und für den Teil vom Lohn von 200 bis 520 € bleiben jeweils 20 % als Erwerbstätigenfreibetrag unberücksichtigt, bei dem Teil vom Lohn von 520 bis 1000 € bleiben 30 % unberücksichtigt, darüber hinaus 10 %. Das heißt, jemand der arbeitet, bekommt immer mehr Geld als ein nicht arbeitender Bürgergeldempfänger. Und gerade in dem Bereich mit diesen niedrigen Einkommen, machen diese100 oder 300 € mehr sehr viel aus.

In dem Beispiel in der Grafik arbeitet die Bürgergeldempfängerin als Putzfrau für 611,83 €. Wegen der Freibeträge werden ihr aber nur 400,28 € als Lohn angerechnet, so dass sie 211,55 € mehr in der Tasche hat, als wenn sie nicht arbeiten würde.

Der Vorstoß von Merz und seinem Laumann ist zudem noch besonders unredlich, weil derzeit so viel Menschen wie noch nie erwerbstätig sind. Bei den Bürgergeldempfängern handelt es sich fast ausschließlich um Menschen, die sich in einer besonderen Notlage befinden, weil sie aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung nicht voll arbeiten können (aber noch nicht als erwerbsgemindert gelten), die allein erziehend sind, die aktuelles Opfer von Massenentlassungen nach Betriebsschließungen sind oder nur Teilzeit arbeiten können, weil sie Angehörige zu pflegen haben. Für den Börsenzocker und Hobbypiloten Friedrich Merz , der 2006 sogar dagegen klagte, dass er als Bundestagsabgeordneter seine Nebeneinkünfte offen legen sollte, spielen solche Lebenslagen natürlich keine Rolle. Für ihn ist nur wichtig, dass die Arbeiter so eingeschüchtert sind, dass sie ja keine Ansprüche stellen. [jdm]

Schwarz-rotes Sondierungspapier: Aufrüstung, Subventionen aller Art für die Unternehmen und soziale Kälte

Das Sondierungspapier der CDU/CSU und SPD deutet die gesellschaftliche Eiszeit an, die auf uns zukommt. Darüber, dass festgelegt wird, dass unbegrenzt Schulden für die weitere Aufrüstung aufgenommen werden sollen, haben wir bereits berichtet; auch darüber, dass die Schuldenaufnahme in Höhe von 400 Mrd. € für das Sondervermögen Infrastruktur keineswegs bedeutet, dass mehr in die verlotterte Infrastruktur investiert werden soll.

Die Industrieförderung besteht darin, den Konzernen Subventionen zuzuschustern und das unternehmerische Risiko durch den Staat abzunehmen. Energieintensiven Branchen soll der Strompreis verbilligt werden, es sollen wieder neue Gaskraftwerke gebaut werden (20 GW), wobei abzuwarten bleibt, was mit der Überarbeitung der Kraftwerksstrategie alles so gemeint ist. Milliarden an Steuergeldern sollen der Industrie über das European Chips Act und IPCEI-Projekte gegeben werden.

Gleichzeitig wird versprochen, die breite Mittelschicht durch eine Einkommensteuerreform zu entlasten und die Pendlerpauschale erhöhen. Unternehmen sollen durch eine Unternehmenssteuerreform auch weniger Steuern zahlen

Wo soll das Geld herkommen? Von den Arbeitern. Diese sollen am Tag länger arbeiten und flexibel einsetzbar sein, sie sollen am Lebensende länger arbeiten. Und vor allem sollen sie gezwungen werden, jeden Job anzunehmen. Dazu wird das Bürgergeld mal wieder umbenannt und so gestaltet werden, dass es keine soziale Sicherheit mehr bietet. Das Sanktionssystem soll wieder ausgebaut werden. Auch wenn es verklausuliert wie eine Reform ausgedrückt wird, so sprechen es die CDU-Vertreter in den Fernsehinterviews offen aus: das Bürgergeld soll abgeschafft werden.

Die sozialpolitische Wohltat der Mütterrente soll von den Rentenbeitragszahlern finanziert werden. Nur die Einbeziehung von neuen Selbständigen in die Rentenversicherung ist eine kleine vernünftige Sache. Der Wohnungsbau soll wieder nur durch Subventionen an die Konzerne gefördert werden. Ein echter Sozialer Wohnungsbau durch den Staat findet weiterhin nicht statt.

Klimaschutz wird zwar wortreich beschworen, aber praktisch vereinbart wird der Schutz des Verbrennermotors. Energiepolitisch werden zwei tote Pferde geritten: der Fusionsreaktor und das Wasserstoffnetz.

Beschworen wird die Entbürokratisierung - ein Stichwort, bei dem jeder immer gern mitgeht. Aber praktisch meinen die zukünftigen Regierenden damit den Abbau von Schutzrechten aller Art.

Ach ja: Unter dem Stichwort "Desinformation zurückdrängen" soll der Digital Service Act (DSA) umgesetzt werden, der die Internetfirmen verpflichten soll, eine Zensur auf privatrechtlicher Ebene durchzuführen.

Noch mal ach ja: Näheres zum Thema Migrationspolitik der zukünftigen Koalitionäre erfahren Sie bei der AFD.

Fazit: CDU/CSU und SPD haben sich gedacht, das was Trump in großer Macho-Pose in den USA durchsetzt, können wir mit europäischem Demokratiegeschwafel auch hier mal langsam angehen. [jdm]

Wahlprogramme kurzgefasst

SPD: Aussetzen der Schuldenbremse nur für die Aufrüstung, Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland; langfristig die weitere Erhöhung des Rüstungsetats, Unterstützung für Sanktionen gegen Russland, Asylrecht einschränken, Sanktionen für Bürgergeldempfänger, US-Frackinggas statt russischem Erdgas

CDU: Steuersenkungen für Reiche, Aussetzen der Schuldenbremse nur für die Aufrüstung, Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine,  Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland; langfristig die Hälfte des Staatsetats für Rüstung ausgeben, Unterstützung für Sanktionen gegen Russland, Wiedereinführung der Wehrpflicht, Krankenkassenleistungen auf Basisleistungen beschränken, Asylrecht fast ganz abschaffen, Bürgergeld abschaffen, Atomkraftwerke wieder anfahren, US-Frackinggas statt russischem Erdgas, Deutsche Bahn zerstückeln

FDP: Steuersenkungen für Reiche, Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland; langfristig die Hälfte des Staatsetats für Rüstung ausgeben, Unterstützung für Sanktionen gegen Russland, Krankenkassenleistungen einschränken, Rentenabsicherung durch Aktienrente ersetzen, Asylrecht fast ganz abschaffen, Bürgergeld abschaffen, Atomkraftwerke wieder anfahren, US-Frackinggas statt russischem Erdgas, Deutsche Bahn zerstückeln

AFD: Steuersenkungen für Reiche, Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland; langfristig die Hälfte des Staatsetats für Rüstung ausgeben, Wiedereinführung der Wehrpflicht, gegen Sanktionen gegen Russland und für Verhandlungen, Asylrecht abschaffen, Bürgergeld abschaffen und Sanktionen gegen Arbeitslose, Sozialrecht nach völkischen Kriiterien gestalten, Atomkraftwerke wieder anfahren, gegen Mietpreisbremse

Grüne: Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland; langfristig die Hälfte des Staatsetats für Rüstung ausgeben, Unterstützung für Sanktionen gegen Russland, Asylrecht einschränken, Klimaschutz vor allem durch CO2-Bepreisung, US-Frackinggas statt russischem Erdgas

Linke: Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Sondersteuer für Superreiche, Unterstützung für Sanktionen gegen Russland, Zustimmung für Waffen für die Ukraine, Asylrecht vollständig erhalten, Erhöhung des Mindestlohns, Erhöhung des Bürgergelds und von Grundsicherung im Alter, Klimaschutz, Sozialer Wohnungsbau durch den Staat

Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Sondersteuer für Superreiche, gegen Sanktionen gegen Russland und für Verhandlungen, gegen alle Waffenlieferungen, Asylrecht einschränken, Erhöhung des Mindestlohns, Erhöhung des Bürgergelds und von Grundsicherung im Alter, Sozialer Wohnungsbau durch den Staat [jdm]

Drei Parteien planen eine Umverteilung nach oben und vier Parteien haben den Normalverdiener im Blick

Studie von ZEW

Das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim hat in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung in einer Studie untersucht, wie sich die Vorschläge der Parteien in den Wahlprogrammen auf die privaten Haushalte in Deutschland auswirken. Diese betreffen die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag, die Vermögensteuer, das Bürgergeld, den Mindestlohn und Pläne für ein Klimageld. Die Analyse konzentrierte sich auf Vorschläge, deren Wirkung für einzelne Haushalte bezifferbar ist.

Das Ergebnis ist nicht überraschend, aber in seiner Eindeutigkeit dann doch unerwartet. Die Vorschläge von CDU, FDP und AFD bewirken bestenfalls keine Einkommenssenkungen bei den Einkommen bis 30.000 € im Jahr, aber riesige Einkommensgewinne für Einkommen ab 100.000 €/Jahr. Die Vorschläge der FDP bedeuten für Alleinerziehende mit einem Kind in der Einkommensklasse bis 30.000 € im Jahr sogar drastische Einkommenssenkungen von 2451 €/Jahr, wogegen Alleinerziehende mit einem Einkommen ab 60.000 €/Jahr 2925 € mehr bekommen; wer 120.000 € verdient bekommt sogar 8079 € mehr. Bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern stehen bei den FDP-Vorschlägen einer Einkommenssenkung bei den Wenigverdienern in Höhe von sogar 3148 €/Jahr  bei den Reichen  Mehreinnahmen von 7913 €/Jahr  gegenüber.

Die AFD- und CDU-Vorschläge sehen bei den Einkommen bis 30.000 € keine oder fast keine (max. 1,1 %] Einkommenserhöhungen vor, aber bei den Einkommen über 250.000, also auch den Millionären 5,1 % (CDU) und 7,7 % (AFD) mehr Geld vor.

Moderater sehen die Vorschläge von SPD, Grünen und BSW aus. Hier sehen die drei Parteien für Einkommen bis 20.000 € mehr Geld vor. Einkommen von 30.000 €/Jahr sollen von 3,7 bis 5,1 % mehr verfügbares Einkommen haben. Mit zunehmendem Einkommen sinkt der Zuwachs und für Einkommen ab 250.000 € /Jahr sehen alle drei Parteien eine Einkommenssenkung um 2,5 bzw. 3,2 % vor.

Die Vorschläge der Linken unterscheiden sich deutlich von allen anderen Parteiprogrammen. Hier sollen die Einkommen von Menschen mit den niedrigsten Einkommen um 22,9 % steigen. Danach sinkt die Prozentzahl auf immerhin noch 7,9 % Einkommenszuwachs für Einkommen von 50.000 €/Jahr und schließlich auf 2,3 % bei Einkommen bis 250.000 €/Jahr. Nur Einkommen darüber sollen mit -28,6 % belastet werden.

Zur besseren Übersicht sei auf die Abbildung 1 auf Seite 14 verwiesen. Diese Grafik zeigt bei CDU, FDP und AFD immer größer werdende Balken, je höher das Einkommen ist.

Bei SPD, Grünen und BSW beschreibt die Balkenhöhe einen Buckel, der sich bei den mittleren Einkommen von 40.000 bis 60.000 € findet.

Die Grafik der Linken fällt mit ihrer Einkommensgestaltung von viel Geld für kleine Enkommen bis wenig für große Einkommen völlig aus dem Rahmen der untersuchten Parteien.  Hier muss sogar eine andere Skala verwendet werden, weil die Zahlen sonst kaum darstellbar sind.

Empfohlen seien noch die Fallbeispiele ab Seite 46. Sie machen besonders deutlich, dass die Steuer- und Sozialpolitik von CDU, AFD und FDP ausschließlich den sehr gut Verdienenden zu Gute kommt. Das ist bei der FDP als „Partei der Besserverdienenden“ nicht überraschend. Aber bei der AFD, die sich immer als Arbeiterpartei gibt, wird so sehr deutlich, dass es sich um einen Etikettenschwindel handelt.

Aber auch die Zahlen der CDU sind so eindeutig auf Einkommenszuwächse bei den sehr Reichen ausgerichtet, wie man es bei einer sich als Volkspartei ausgebenden Partei nicht erwartet hätte. Die CDU-Wähler und Parteimitglieder, die ja in der Regel nicht zu den Großverdienern gehören, dürften wohl noch nicht ganz registriert haben, dass mit Friedrich Merz jetzt ein Millionär die Richtung der Parteipolitik bestimmt.

Welche Ausmaße die Umverteilung hin zu den Reichen bei den drei rechten Parteien annimmt, macht vor allem die Abbildung 42 auf Seite 55 deutlich. Diese drei Parteien wollen die Staatseinnahmen um 47 Mrd. € (CDU), 97 Mrd. € (AFD) bzw. 116 Mrd. € (FDP) senken. SPD, BSW und Grüne wollen geringfügige Mehreinahmen von 1 bis 4 Mrd. € für den Staat. Nur die Linke möchte 46 Mrd. € mehr unter anderem durch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Millionäre und Milliardäre einnehmen. [jdm]

CDU/CSU-Wahlprogramm auf die ehrliche, aber brutale Art

Um zu verstehen, was die CDU in ihrem Bundestagswahlprogramm so fordert, ist es hilfreich, das Wahl-Programm In Leichter Sprache  zu lesen. Diese Form wendet sich an Menschen, deren Behinderung ihnen das Lesen von komplexen Texten unmöglich macht. Texte in Leichter Sprache müssen notgedrungen auf Schnörkel verzichten.

In der Politik sind diese Schnörkel aber unverzichtbar, um zu verstecken, was man eigentlich plant. In dieser Fassung wird lustig eine schlankere Verwaltung versprochen, aber gleichzeitig werden ein neues Amt und ein neues Ministerium eingeführt. Die Unternehmen und Waffenproduzenten sollen Geld bekommen, aber das Bürgergeld soll abgeschafft werden. Steuern sollen nicht erhöht werden, aber es werden lustig Versprechungen für höhere Ausgaben gemacht.

Zur Gesundheitspolitik, zur Landwirtschaft und zur Wohnungspolitik gibt es nur Schnörkel und keine konkreten Aussagen. Was ja auch eine Aussage ist.

Das CDU/CSU-Wahlprogramm in leichter Sprache macht dem Leser unfreiwillig, aber brutal klar, was auf ihn und Deutschland zukommt. Es lohnt sich absolut, den Text zu lesen.

Wir haben die Kernsätze von jedem Brimborium, der auch in diesem Text noch zu finden ist, gereinigt:

  • Wir schaffen die Höchst-Arbeitszeit von 10 Stunden Arbeit am Tag ab. In Zukunft soll es nur noch eine Höchst-Arbeitszeit für die Woche geben. Dann kann die Arbeit an manchen Tagen länger dauern als 10 Stunden.
  • Wir gründen ein neues Amt. Das Amt hilft ausländischen Fach-Kräften, nach Deutschland zu kommen und hier zu arbeiten.
  • Wir gründen ein neues Ministerium für neue Technik. Das Ministerium wird Bundes-Digital-Ministerium heißen.
  • Wir brauchen weniger Personal in der Verwaltung vom Bundestag und in den Ministerien.
  • Wir senken Steuern für Unternehmen.
  • Wir behalten die Schulden-Bremse im Grund-Gesetz.
  • Deshalb wollen wir keine Vermögens-Steuer.
  • Wir schaffen das Bürgergeld ab. Bürgergeld bekommen Menschen, die nicht arbeiten können und die kein Arbeitslosen-Geld bekommen. Stattdessen gibt es die Neue Grundsicherung. Wer die Neue Grundsicherung vom Staat bekommt, muss sich anstrengen, Arbeit zu finden. Wenn es Arbeit gibt, darf man die Arbeit nicht ablehnen. Sonst bekommt man weniger Geld aus der Neuen Grundsicherung.
  • Wir gründen die Frühstart-Rente. Frühstart-Rente heißt: Der Staat gibt Kindern und Jugendlichen jeden Monat 10 Euro. Der Staat zahlt das Geld aber nicht aus.
  • Wir helfen der Ukraine im Krieg gegen Russland. Wir liefern Geld, Hilfe für die Menschen und Waffen.
  • Wir führen wieder eine Wehrpflicht ein.
  • Wir wollen ein Gesellschafts-Jahr einführen. In dem Jahr sollen junge Menschen etwas für die Gesellschaft tun.
  • Wir geben immer genug Geld für die Bundeswehr aus.
  • Wir brauchen Unternehmen, die Waffen herstellen. Die Waffen sollen in Europa hergestellt werden. Wir stärken diese Unternehmen.
  • Wir bauen einen Schutz-Schirm vor Raketen auf.
  • Wir schaffen das deutsche Liefer-Ketten-Gesetz ab. Das Gesetz sagt: Unternehmen müssen erklären, wie ihre Produkte hergestellt werden. Wird bei der Herstellung die Umwelt verschmutzt? Wie sind die Arbeits-Bedingungen von den Menschen? Müssen für das Produkt Kinder arbeiten? ... Wir wollen weniger strenge Regeln in Deutschland machen.
  • Wir wollen das Klima schützen. Das Klima ändert sich. Die Menschen verbrennen Kohle, Öl und Erd-Gas. Dabei entstehen schädliche Abgase. Diese Abgase machen das Klima immer wärmer. Das ist nicht gut.  Deshalb dürfen nur noch wenige Abgase entstehen.... Firmen bekommen das Recht, eine bestimmte Menge Abgase zu machen. Sie können dieses Recht aber auch an andere Firmen verkaufen. Dann lohnt es sich für die Firmen, Abgase zu sparen.
  • Ein Gesetz soll in wenigen Jahren neue Autos mit Diesel-Motor oder Benzin-Motor verbieten. Dieses Gesetz schaffen wir ab.
  • In Zukunft sollen mehr verschiedene Bahn-Unternehmen die Bahn-Strecken nutzen können. Dann haben die Kunden und Kundinnen mehr Auswahl.
  • Wir ändern die Gesetze zum Daten-Schutz. Daten-Schutz regelt zum Beispiel, wofür persönliche Daten im Internet genutzt werden dürfen. Persönliche Daten sind zum Beispiel der Name und die Adresse. Und andere Informationen, die zu einer bestimmten Person gehören. Wir erlauben, die Daten für Forschung und Wirtschaft zu nutzen.
  • Wir machen Gerichts-Verfahren schneller. Dann bekommen Täter und Täterinnen schnell eine Strafe.
  • Wir setzen die elektronische Fuß-Fessel öfter ein.
  • Wir überwachen gefährliche Orte mit Video-Kameras. Wir setzen auch Computer-Programme ein, die Gesichter erkennen können.
  • Die Internet-Anbieter müssen deshalb IP-Adressen speichern. Mit IP-Adressen erkennt man, welche Computer oder Handys eine Internet-Seite aufgerufen haben.
  • Wir verbieten Cannabis wieder.
  • Wir nehmen niemanden mehr freiwillig in Deutschland auf. Auch keine Familien-Mitglieder von Menschen, die nur für eine bestimmte Zeit in Deutschland bleiben dürfen.
  • Wir wollen das Asyl-Recht in der Europäischen Union ändern. Die Asyl-Verfahren sollen außerhalb von Europa stattfinden.In anderen Ländern, in denen die Menschen in Sicherheit sind. Auch wer Schutz braucht, soll dann in diesen Ländern bleiben.
  • Wer in Deutschland leben will, muss sich integrieren. Das bedeutet: Er muss so leben, wie unsere Leit-Kultur das sagt.
  • Wir schaffen das Selbstbestimmungs-Gesetz wieder ab. [jdm]

Krieg statt Sozialstaat – Die Presse will Pistorius zum Kanzler hochschreiben

Vor der letzten Bundestagswahl 2021 haben die Medien die Grünen regelrecht hochgeschrieben. Die damalige "Kanzlerkandidatin" Annalena Baerbock wurde wie ein Superstar vermarktet und die Grünen wurden als neue Volkspartei dargestellt. Davon kann nach deren Leistung in der letzten Regierung, wo sie neben der FDP für Kriegseskalation und Sozialabbau zuständig waren, keine Rede mehr sein. Nur die von sich selbst besoffenen Grünen glauben, in Robert Habeck trotz oder wegen seiner vollkommen inhaltsleeren Reden auf dem Grünen-Parteitag einen neuen Heilsbringer gefunden zu haben.

Friedrich Merz und sein Adlatus Carsten Linnemann (beide CDU) können mit ihren Hassreden auf Bürgergeldempfänger und Migranten keinem Denkenden mehr deutlich machen, wo der Unterschied ihrer Positionen zu denen von der AFD zu finden ist. Außer bei eingefleischten Parteisoldaten ist ihr Sympathiefaktor sehr begrenzt.

Die Presse hat in diesem Wahlkampf deshalb eine neue Person ausgesucht, die ihrem Anspruch auf "Führung" - das bleibt weiterhin des Deutschen höchstes Glück - gerecht wird und die sich leicht tut, mit unbewiesenen Behauptungen eine "klare Sprache" zu sprechen. Anfangs konnte man meinen, dass nur die NOZ aus reinem Lokalpatriotismus den ehemaligen Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius zum Kanzlerkandidaten hochschreiben wollte. Aber mittlerweile ist die gesamte Presse darauf eingestiegen, so dass sich auch erste SPD-Hinterbänkler trauten, Olaf Scholz zu kritisieren.

Bei den beschädigten Internetkabeln in der Ostsee ist für Pistorius z. B. klar, dass es sich um Sabotage handeln muss und der Schaden nicht durch einen Unfall verursacht sein kann. Alles andere wäre undenkbar. Aber selbst die Tagesschau zitiert einen schwedischen Fachmann, der darauf hinweist, dass solche Schäden meistens genau durch solche Unfälle, z. B. durch Schleppnetze der Fischerboote, ausgelöst werden. Aber Fakten interessieren einen Pistorius nicht sonderlich. Für einen Kriegsminister gehört das ständige Malen von Bedrohungsszenarien zur Arbeitsplatzbeschreibung. Unbewiesene Annahmen sind das tägliche Brot der Nato-Kriegstreiber. Ein Beispiel dafür ist auch die Sichtung von nordkoreanischen Soldaten in Russland. Anfangs konnte die Nato keine entdecken, obwohl Selenskis scharfe Augen schon fündig geworden waren. Dann entdeckten die USA plötzlich, dass nordkoreanische Soldaten vermutlich in russische Uniformen gesteckt wurden. Und jetzt sprechen alle Medien und Kriegspolitiker von einer Tatsache, obwohl die Beweislage sich nicht verändert hat.

Aber reale Gefahren werden einfach negiert. Annalena Baerbock warnte angesichts der neuen russischen Nuklearstrategie nicht vor der erhöhten Gefahr eines Atomkriegs, sondern davor, sich von den Russen Angst machen zu lassen. Ein atomar hochgerüstetes Land, das damit droht, Atomwaffen notfalls taktisch einzusetzen, falls es sich zu stark bedrängt fühlt, einfach nicht ernst zu nehmen, zeugt von einer nicht zu überbietenden Dummheit. Einer Dummheit, der sich die führende Politikerkaste aber angeschlossen hat. Und die Presse, die einerseits Putin alles zutraut und ihm die schlimmsten Taten zuschreibt, macht dabei mit und schreibt, als ob sie glaube, dass Russland sich sehenden Auges vom Westen, der jetzt massenweise Waffensysteme zum direkten Angriff auf Russland liefert, besiegen lassen würde und sein Waffenarsenal nicht nutzen würde, um dieses zu verhindern.

Olaf Scholz scheint bei der Kriegspresse in Ungnade zu fallen, weil er sich noch immer gegen die Lieferung weitreichender Waffensysteme (die von deutschen Soldaten bedient werden müssten) wehrt. Es würde leichter fallen, Olaf Scholz hierfür zu loben, wenn er in der Vergangenheit nicht immer wieder bei wichtigen roten Linien umgekippt wäre.

Da ist es logisch, dass die Presse Pistorius zum Kanzler schreiben möchte, der die Deutschen kriegstüchtig machen möchte, die Jugend des Landes zwangsweise in die Armee eingliedern möchte und den Sozialstaat und die öffentliche Infrastruktur zu Gunsten des Militärs zugrunderichten möchte. [jdm]

Einkommensungleichheit und Armut haben deutlich zugenommen – Sorgen um Lebensstandard strahlen bis in Mittelschicht aus

Verteilungsbericht WSI 2024

Deutlich mehr als die Hälfte der Menschen in der unteren Einkommenshälfte, aber auch knapp 47 Prozent in der oberen Mittelschicht fürchteten im vergangenen Jahr, ihren Lebensstandard zukünftig nicht mehr halten zu können. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Mit materiellen Einschränkungen und Zukunftssorgen geht vor allem bei ärmeren Menschen eine erhebliche Distanz zu wichtigen staatlichen und politischen Institutionen einher, zeigt die Studie zudem: Weniger als die Hälfte der Armen und der Menschen mit prekären Einkommen findet, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniert. Sie sehen für sich auch nicht die Möglichkeit, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Rund ein Fünftel vertraut dem Rechtssystem allenfalls in geringem Maße.

Wie gleich oder ungleich die Einkommen verteilt sind, lässt sich über ein statistisches Maß ermitteln, das in der Wissenschaft häufig verwendet wird: den so genannten Gini-Koeffizienten. Der „Gini“ reicht theoretisch von null bis eins: Beim Wert null hätten alle Menschen in Deutschland das gleiche Einkommen, bei eins würde das gesamte Einkommen im Land auf eine einzige Person entfallen. Die Auswertung der neuesten verfügbaren Daten im Verteilungsbericht zeigt, dass sich der Anstieg der Ungleichheit ab 2010 weiter fortgesetzt hat – in leichten Wellenbewegungen, aber insgesamt mit eindeutiger Tendenz: 2010 lag der Gini-Wert noch bei 0,282. Bis 2021 kletterte er auf einen neuen Höchststand von 0,310.

Noch deutlicher zugenommen hat die Einkommensarmut, also die Quote der Haushalte deren bedarfsgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland beträgt. Sehr arm (Fachbegriff: „strenge Armut“) sind Personen, die nicht einmal 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Für einen Singlehaushalt entspricht das maximal 1.350 (Armut) bzw. 1.120 Euro (strenge Armut) im Monat.

Schon in den 2010er Jahren stieg die Armutsquote mit gelegentlichen jährlichen Schwankungen im Trend spürbar an, und die Entwicklung hat sich beinahe kontinuierlich fortgesetzt, zeigt der Verteilungsbericht: Im Jahr 2021 lebten 17,8 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut, 11,3 Prozent sogar in strenger Armut. 2010 lagen die beiden Quoten noch bei 14,2 bzw. 7,8 Prozent. Damit ist der „Anteil der Menschen in strenger Armut – relativ – noch stärker gestiegen als die Armutsquote“, schreiben die Autoren Dr. Dorothee Spannagel und Dr. Jan Brülle.

Die Daten, die die Forschenden analysieren, machen anschaulich, dass Armut auch in einem reichen Land wie der Bundesrepublik nicht selten mit deutlichen alltäglichen Entbehrungen verbunden ist. So konnten es sich bereits 2021, also vor der großen Teuerungswelle, 9,9 Prozent der Menschen in Armut nicht leisten, abgetragene Kleidung durch neue zu ersetzen. 42,8 Prozent der Menschen in Armut und 21,3 Prozent in der „prekären“ Einkommensgruppe haben keinerlei finanzielle Rücklagen. Knapp 17 Prozent der Armen können sich Freizeitaktivitäten wie einen Kinobesuch einmal pro Monat oder den Besuch einer Sportveranstaltung nicht leisten, knapp 14 Prozent fehlt das Geld, um wenigstens einmal im Monat Freunde zum Essen einzuladen. Die geringeren finanziellen Teilhabemöglichkeiten lassen sich auch nicht durch engere persönliche Kontakte ausgleichen, im Gegenteil: Menschen mit sehr niedrigen Einkommen sind häufiger alleinstehend und haben nach eigener Einschätzung seltener enge Freunde.

Beim Blick auf die Zukunft reichen Abstiegsängste bis weit in die Mittelschicht hinein, und sie haben in allen untersuchten Einkommensgruppen stark zugenommen. Das zeigen die Daten aus der Böckler-Lebenslagenbefragung für die Jahre 2020 und 2023. Im vergangenen Jahr äußerten fast 55 Prozent der Menschen in Armut große oder sehr große Sorgen ihren – ohnehin sehr niedrigen – Lebensstandard nicht dauerhaft halten zu können. Ein Anstieg um rund sechs Prozentpunkte gegenüber dem schon hohen Wert von 2020. Unter den Befragten in „prekären“ Einkommensverhältnissen befürchteten 2023 sogar gut 58 Prozent, wirtschaftlich abzurutschen – 14 Prozentpunkte mehr als drei Jahre zuvor. Nur wenig kleiner ist der Anteil mit großen oder sehr großen Abstiegssorgen in der unteren Mitte: Dort betrug er 2023 knapp 52 Prozent, ein Anstieg um rund 15 Prozentpunkte. Und selbst in der oberen Mittelschicht hat sich die Verunsicherung drastisch ausgebreitet: Die Quote der Befragten mit Sorgen um den künftigen Lebensstandard stieg von knapp 32 auf knapp 47 Prozent.

Verunsicherung spiegelt sich auch in der Identifikation mit der Demokratie und mit staatlichen Institutionen wider, und das besonders bei Personen mit niedrigen Einkommen, zeigen die Ergebnisse der Lebenslagenbefragung von 2023. Zwar ist in allen untersuchten Einkommensgruppen rund die Hälfte oder mehr der Befragten der Ansicht, dass die Demokratie in Deutschland im Großen und Ganzen gut funktioniere. Aber auch hier gibt es deutliche Abstufungen zwischen den Gruppen: Lediglich knapp 50 Prozent der Armen und der Menschen mit prekären Einkommen sind mit der Demokratie im Wesentlichen zufrieden. In der unteren Mitte sind es 52 Prozent, in der oberen Mitte fast 60 Prozent. Damit korrespondiert auch die Einschätzung, ob man selbst auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen kann: Hier steigt die Zustimmung von etwas über 44 Prozent bei den Armen auf knapp 52 Prozent in der oberen Mitte. 

Eine noch größere Entfremdung vom politischen Geschehen drückt sich in der Zuschreibung aus, „die regierenden Parteien betrügen das Volk“. Die Zustimmung dazu variiert ebenfalls deutlich entlang der Einkommensgruppen: Unter den Menschen in Armut und mit prekären Einkommen halten über ein Drittel diese Aussage für zutreffend, während es bei der oberen Mitte etwas mehr als ein Viertel ist. Ein deutlicher Zusammenhang zur wirtschaftlichen Situation zeigt sich auch beim Misstrauen gegenüber der Polizei oder Gerichten, das zwischen knapp 21 Prozent unter Menschen in Armut und elf bis zwölf Prozent unter Angehörigen der oberen Mittelschicht variiert. Ähnlich ist das Muster bei der Wahlbeteiligung: Unter den Armen erklären knapp 20 Prozent, bei der nächsten Bundestagswahl nicht wählen gehen zu wollen. Mit steigendem Einkommen sinkt der Anteil der potenziellen Nichtwähler*innen – bis auf knapp elf Prozent in der oberen Einkommensmitte.

Die Befunde seien als beunruhigend, zumal der problematische Trend nun schon über viele Jahre anhalte: Wenn mangelnde materielle Teilhabe und um sich greifende Verunsicherung dazu führten, dass in den Augen vieler Menschen auch ihre politische Teilhabe brüchig werde, „hat das negative Folgen für unser demokratisches System“, warnen sie. Eine verantwortungsvolle Politik müsse auf jeden Fall darauf verzichten, verschiedene Gruppen in der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen. Als warnendes Beispiel nennen sie die Debatte um das Bürgergeld in den vergangenen Monaten, in der die Leistungsempfänger als faul und arbeitsunwillig stigmatisiert wurden. Statt die ohnehin zu knappen Leistungen für Bürgergeldempfänger*innen weiter zu kürzen, um den Abstand zwischen Sozialleistungen und Erwerbseinkommen zu erhöhen, sei es „viel sinnvoller, Niedriglöhne wirksam zu bekämpfen und Tarifbindung zu stärken – Maßnahmen, die auch Menschen außerhalb des Grundsicherungsbezugs zugutekommen.“

Gesellschaftliche Teilhabe auch für die (untere) Mitte der Gesellschaft könne besonders durch Sozialversicherungssysteme gestärkt werden, „die eine angemessene Balance zwischen solidarischem Ausgleich und Sicherung des individuellen Lebensstandards finden“, schreiben die Fachleute. Hier gehe es etwa um ein stabiles Rentenniveau in Kombination mit einer auskömmlichen Grundrente. [PM WSI]

Arme gegen Ärmste ausspielen – das hilft, die Rüstungsmilliarden zu rechtfertigen

100 Mrd € für die Aufrüstung, 10 Mrd. € für die Aktienrente: das sind Peanuts (zu deutsch Kleinigkeiten) für unsere Politiker. Aber diese Geschenke für die Rüstungsindustrie und die Schattenbanken müssen finanziert werden. Und zwar von den Arbeitern und Angestellten, die dafür auf ein funktionierendes Gesundheitsssystem, funktionierende Eisenbahnverbindungen, schöne Schulen für ihre Kinder oder Brücken, die ihr Gewicht tragen können, verzichten müssen.

Da braucht es einen Sündenbock, dem man die Folgen der Kürzungen anlasten kann. Für die CDU/CSU/SPD/FDP/GRÜNE ist dies der Bürgergeldempfänger. Denn das hat sich unseren Politikern in ihrem Rhetorikgrundkurs ihrer jeweiligen Parteischule eingebrannt: Arme muss man gegen Ärmste ausspielen!

Bürgergeldempfänger sind in den Aussagen der Politiker nie Menschen, sondern Schmarotzer, die man bekämpfen muss. Schröder hat dafür die Parole "Fördern und Fordern" gefunden. Bürgergeldempfänger sind in den Aussagen der superverdienenden Volksvertreter nicht in ihre Situation geraten, weil sie krank geworden, weil ihre Firma pleite gegangen ist, weil sie Kinder oder pflegebedürftige Angehörige haben, weil sie in der Ausbildung stecken (ohne ein ererbtes Vermögen im Hintergrund) oder als anerkannter Flüchtling in Maßnahmen zur Integration und Ausbildung stecken. Nein, sie wollen einfach nicht arbeiten (was das Gros der Großerben vermutlich zum persönlichen Lebensmotto erklärt hat).

Jetzt sollen die Hilfeempfänger nach dem Willen der Ampelkoalition von den Jobcentern monatlich zu einem persönlichen Gespräch einbestellt werden können, wenn das für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich sei. Nun ist es so, dass die Fallmanager schon bisher engere Termine vereinbart haben, wenn das wegen der Bewerbungssituation erforderlich war. Dieser Beschluss der Regierung ändert also nichts, könnte man naiv denken. Aber tatsächlich wird er als neue Norm dazu führen, dass die Fallmanager sinnlose Termine durchführen, auch wenn es wegen der bereits geklärten Bedingungen nichts zu besprechen gibt. Der Regierung geht es nur um Schikane, um gegen die Ärmsten hetzen zu können. Die Fallmanager aber werden durch sinnlosen Termindruck davon abgehalten, ihre Arbeit vernünftig verrichten zu können.

Auch die Pseudodiskussion über die Durchhalteprämie von 1000 € dient nur der Diskriminierung. Bisher handelt es sich lediglich um einen Plan. Niemand hat das Geld bisher bekommen. Die Idee dahinter besteht darin, dass Langzeitarbeitslose nur wegen dieses Geldgeschenks ein Jahr Arbeit durchhalten würden. Also dieses vermeintliche Geschenk ist selbst ein Werkzeug der Diskriminierung. Und wird es noch einmal bei der Diskussion über die Ablehnung dieses Geschenks. [jdm}

Nachbarschaftliche Hilfe? Hetze gegen Migranten zeigt Wirkung

Einstürzende Brücken, marode Schulen, bankrotte Kliniken, eine marode Infrastruktur, zu wenig Wohnungen und zu hohe Mieten, eine marode, nicht funktionierende Bahn oder die mit der Aufrüstung verbundene Kriegsgefahr und De-Industrialisierung sind – wenn man Zeitung liest oder die Tagesschau verfolgt – dem Anschein nach kein Problem. Das Problem sind offensichtlich nur die Menschen, die vor den Kriegen, die der politische Westen entfacht hat, flüchten: die Migranten.

Dass die SPD/FDP/Grüne/CDU/CSU mittlerweile fast alle migrantenfeindlichen Positionen der AFD übernommen hat spielt trotz der ganzen Demonstrationen, zu denen genau diese Parteien nach dem Bericht über das Treffen der Rechtsextremen in Potsdam aufgerufen hatten, keine Rolle.

Und diese erbarmungslose Hetze gegen Migranten, z. B. eines Friedrich Merz, zeigt dann auch ganz konkrete Resultate im Verhalten gegenüber den Flüchtlingen. Ich betreue einen in Papenburg lebenden psychisch erkrankten Mann aus Guinea. Er lebt in einer Einzelwohnung und kann sich mit niemandem einen Internetanschluss teilen. Für die Kontaktpflege ist auch für ihn das Internet extrem wichtig. Er lebt von den Asylbewerberleistungen und kann sich deshalb keinen eigenen Internetvertrag leisten.

Wie auch bei anderen Menschen bat ich die Nachbarin, die mir mit einem kläffenden Hund auf dem Arm misstrauisch öffnete, ihm doch gegen einen Obolus von 10 € einen Gastzugang zu ihrem W-LAN zur Verfügung zu stellen. Dass Menschen Angst haben, damit liefen sie Gefahr, dass ihre privaten Angelegenheiten gehackt werden könnten oder dass sie für Kosten des W-LAN-Mitbenutzers haften müssen, ist normal. Diese Nachbarin hatte aber einen ganz anderen Grund, den Zugang zu verweigern. „Da bin ich prinzipiell dagegen. Wieso kann er sich das Internet nicht leisten. Die Asylbewerber kriegen doch mehr Geld vom Staat, als alle anderen!“

Ich frage, wo sie das denn her hat. Auf dem Konto meines Betreuten spiegelt sich das nicht wider. Der Regelsatz, von dem alles (Lebensmittel, Bekleidung, Strom, Handy, Reparaturen, usw.) außer Miete bezahlt werden muss, für einen allein stehenden Asylbewerber beträgt 460 €, ein allein stehender Bürgergeldempfänger hat einen Regelsatz von 563 Euro. Die Gegenfrage der Nachbarin: „Und woher haben die dann alle die schicken Autos? Und wir fahren mit einer alten Kiste.“ Mir sind unsere afrikanischen Mitbürger bisher nur dadurch aufgefallen, dass sie E-Roller benutzen.

Ich klingelte dann an der Tür des Hauses auf der anderen Seite. Hier öffnete eine Spanierin, die mein Anliegen freundlich, aber verständnislos anhörte, bis sie ihre Tochter herrief, die dann übersetzte. Nach Klärung der technischen Details, sagte sie, klar, das könne sie machen und sie stellte dann gleich auf dem Handy meines Betreuten die W-LAN-Verbindung her. Er solle erst mal probieren, ob der Empfang auch klappt, dann könne man weiter sehen. Ich hinterließ meine Handynummer und verabschiedete mich dankend. Und war froh, dass die Sprachbarriere diese Frau daran hindert, von deutschen Medien und deutschen Presseerzeugnissen darauf geeicht zu werden, dass ihr hilfebedürftiger Nachbar das größte Problem in Deutschland darstellt. [jdm]

Merz und Linnemann (CDU): Mit Populismus für mehr Rüstung

Die CDU hat das Problem, dass sie mit der unsozialen Kriegspolitik der Bundesregierung einverstanden ist, aber doch gerne Kritik üben möchte, um sich die Wählerstimmen zu sichern. Da sie den Kriegskurs nicht kritisieren möchte, und sie als so genannte Volkspartei nicht noch offener als die FDP dafür werben kann, den Reichen die Staatsknete zuzuschustern, zieht sie sich auf bewährte Sozialdemagogie zurück.

Ihr Generalsekretär Carsten Linnemann wollte in einem Interview in der Sendung Lanz Bürgergeldempfängern, die nicht arbeiten, das Bürgergeld ganz entziehen. Damit wollte er dann die Bundeswehr finanzieren. Gefragt, wieviel Geld er denn mit der Bürgergeldkürzung freischaufeln wolle, hatte er keinen blassen Schimmer, um welche Summen es eigentlich geht (ab 8. Minute). Dass es in Deutschland praktisch niemanden gibt, der Bürgergeld bezieht, obwohl er arbeiten könnte, wurde auf Hallo-Wippingen mehrfach thematisiert.

Dass Linnemanns Forderung nach mehreren Verfassungsgerichtsurteilen verfassungswidrig ist, schert Linnemann nicht. Er verfährt nach der populistischen Erfolgsmasche, sich eine wehrlose Gruppe zu suchen, auf die man den Volkszorn lenken kann. Die Nazis haben dies mit den Juden gemacht, die AFD macht dies mit Migranten, Trump genauso. Hinzu kommt, dass die CDU wie die libertären autoritären Gallionsfiguren der Neoliberalen Bolsonaro (Brasilien) und Milei (Argentinien) die Abschaffung des Sozialstaates fordert.

Auch Friedrich Merz hat mehrfach Bürgergeldkürzungen zugunsten des Militärhaushaltes gefordert. Weil ihn sonst fast nichts von der Bundesregierung trennt, nimmt er die neue Cannabisgesetzgebung aufs Korn. Das Gesetz wolle die CDU als erstes abschaffen. Er will sich nicht zuerst um das Wohnungsproblem kümmern, nicht um das marode Straßennetz, das unterfinanzierte Gesundheitssystem, die marode Bahn, das unterfinanzierte Bildungssystem oder den Frieden sichern! Dieser Millionär will sich zuerst um das Cannabisgesetz kümmern! Weil uns allen dieses Gesetz am meisten auf den Nägeln brennt?

Nein, weil er nur populistisch ein Reizthema aufgreift, um sich und die CDU ins Gespräch zu bringen. Aber inhaltlich hat er nichts besseres als die Bundesregierung zu bieten: Sozialabbau, Umverteilung von Arm nach Reich, weiteren Verfall der Infrastruktur und die Steigerung von Rüstung und Kriegsgefahr. [jdm]

IFO-Chef Fuest: Lügner, inkompetent oder Schwafler?

Was ist davon zu halten, wenn der Präsident des IFO-Instituts Clemens Fuest im Interview mit der NOZ sagt, „Insgesamt wird der Druck, Löhne zu erhöhen, eher noch zunehmen, weil Arbeitskräfte immer knapper werden.“ und auf die nächste Frage antwortet „Druck zu Reformen dürfte eher dadurch entstehen, dass die Einkommen nur sehr langsam wachsen. Falls mittelfristig Sozialversicherungsbeiträge und Steuern erhöht werden, um die Renten, die Gesundheitsversorgung und die Pflege einer wachsenden Zahl älterer Menschen zu finanzieren, werden vor allem die Nettoeinkommen stagnieren. Das wird es erschweren, junge Menschen zu motivieren, zu arbeiten.“?

Kann man annehmen, dass Clemens Fuest gar nicht weiß, was er sagt? Er sagt, die Löhne werden steigen, aber die jungen Leute wollen nicht mehr arbeiten, weil sie immer weniger verdienen. Solche widersprüchlichen Aussagen kann er nur machen, weil er seine Antworten danach auswählt, was ihm für irgendeine unternehmerfreundliche Maßnahme gerade passt. Kann es sein, dass er und sein Institut mit Wissenschaft nichts zu tun haben?

Die erste Antwort (die Löhne steigen) soll das Märchen vom demografischen Wandel, unter dem die Unternehmer leiden und mit dem der Sozialabbau gern begründet wird, unterstützen. Die zweite Antwort (die Löhne sinken) dient dem gleichen Zweck: damit sollen Kürzungen speziell bei der Rentenversicherung und bei der Gesundheitsversorgung begründet werden.

Und weil Fuest schon mal dabei ist, sich etwas aus dem Finger zu saugen, kann ein Angriff auf das Bürgergeld nicht fehlen. Angeblich lohne es sich wegen dem Bürgergeld nicht, zu arbeiten. Hallo-Wippingen hat hier und hier berichtet, warum diese Aussage nicht stimmt.

Und Fuest versteift er sich sogar zu einer handfesten Lüge. Er spricht vom „Bürgergeld, … in Kombination mit anderen Sozialleistungen.“ Eine solche Kombination gibt es nicht. Wer Bürgergeld bekommt, bekommt kein Wohngeld. Alle anderen Sozialleistungen mindern den Bürgergeldanspruch. Ist Fuest über diese einfachen Regeln des Sozialrechts nicht informiert? Fuest ist somit entweder ein Lügner, vollkommen inkompetent oder einfach ein Schwafler. Aber ein Schwafler, der weiß, dass bei solchen unwahren Behauptungen am Stammtisch immer etwas hängen bleibt. Das kann man schon daran sehen, dass die NOZ diese "Kritik" am Bürgergeld zum Titel des Artikels in der Druckausgabe erkor.

Clemens Fuest sieht seine Aufgabe darin, staatliche Transferleistungen für die Armen, Alten und Kranken möglichst zu senken, aber die Steuersenkungen für die Unternehmer sind natürlich immer drin.

Und da kommt schon die nächste Lüge „Die Steuern sind in Deutschland so hoch, dass lieber viele Investoren ins Ausland gehen.“ Sogar die Unternehmenslobbyorganisation „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) schreibt auf ihrer Homepage „Die deutsche Steuer- und Abgabenquote lag bei 37,9 Prozent und damit im oberen Mittelfeld der OECD-Länder. Dänemark erreicht mit 47,1 Prozent den Höchstwert, gefolgt von Frankreich mit 45,3 Prozent. Mexiko liegt mit 17,8 Prozent am Ende der Verteilung. Irland und die USA sind mit 19,9 Prozent und 25,8 Prozent ebenfalls Länder mit niedrigen Steuern und Abgaben im Verhältnis zur Wirtschaftskraft. Betrachtet man die reine Steuerquote – also ohne Sozialversicherungsabgaben – so liegt Dänemark mit 47,1 Prozent an der Spitze. Deutschland liegt mit 22,9 Prozent etwa im OECD-Durchschnitt.“

Klar ist, dass große Unternehmen immer potentielle Steuerflüchtlinge sind. Aber die derzeitige Abwanderungswelle hat eher mit den hohen Energiepreisen zu tun, die eine Folge der Sanktionspolitik des Westens sind.

Das vollkommen unnütze IFO-Institut, ein privater Verein, wird fast ausschließlich über Steuermittel finanziert. Sein somit aus Steuergeldern hochdotierter Präsident sieht sich aber nicht in der Pflicht, wirtschaftliche Forschung zum Wohle seiner Finanziers, der Steuerzahler, zu betreiben, sondern betreibt stattdessen Lobbyarbeit für die Unternehmer. [jdm]

Aktienrentenfonds: sinnlos, aber teuer

Mit der Aktienrente wollten Finanzminister Lindner und Sozialminister Heil die Rente retten. Es lohnt sich wirklich, das Interview mit dem DIW-Experten Johannes Geyer in der heutigen NOZ durchzulesen, um die Absurdität des Plans der beiden Minister zu begreifen.

Da soll mit geliehenem Geld, das etwa 3 Prozent Zinsen kostet, ein Kapitalstock von zunächst 200 Mrd. € aufgebaut werden, aus dem man ab 2030 etwa eine Rendite von 5 Prozent erhofft. Das ergibt dann etwa einen Ertrag von 10 Mrd. €. Im letzten Jahr wurden 375 Milliarden € an Renten ausgezahlt. Da wären die 10 Mrd. € etwa 2,6 Prozent des benötigten Geldes. Das soll dann ins Gewicht fallen, wobei noch niemand weiß, ob dieser Kapitalstock auch die erwartete Rendite abwirft.

Da verkaufen und privatisieren die neoliberalen Staatsvertreter den ganzen Besitz des Staates, wo sie nur können und zerstören damit allenthalben die Infrastruktur. Derzeit hat Lauterbach die Krankenhäuser im Visier; in Berlin wird gerade die S-Bahn verscherbelt, um ein paar Einnahmen zu bekommen. Und gleichzeitig wird hier ein Staatsbesitz in Form von Aktien angesammelt, mit dem der Staat nichts anfangen kann, außer auf einige Zinseinnahmen zu hoffen. Und für diese Aktienverwaltung wird es natürlich viele neue teuer bezahlte Beamten und "Experten" geben müssen, die mit staatlichen Milliarden an der Börse zocken und sich wichtig vorkommen dürfen. Aber für die Menschen im Land werden sie keine andere Bedeutung als die Maden im Speck haben.

Würden diese 200 Mrd. € stattdessen zum Beispiel in den Bau von staatseigenen Wohnungen investiert (nicht in die übliche Konzern-Subvention per "Sozialem" Wohnungsbau) könnte der Staat damit tatsächlich ein soziales Problem lösen. Es würde nicht nur Wohnraum geschaffen, der dringend benötigt wird, es würden auch die derzeitigen Mietsteigerungen beendet. Das würde wiederum viele Rentner (und viele andere) vor Altersarmut bewahren. Und das würde die Ausgaben für den Sozialbereich drastisch verringern. Denn zurzeit werden die Vermieter über die garantierten Wohnungskosten für Bürgergeld und Grundsicherung kräftig subventioniert, was wiederum die Preise für diese Wohnungen in die Höhe treibt.

Nebenbei: Dass die demografische Entwicklung die Renten gefährde ist ein Ammenmärchen, dass schon seit Beginn der Sozialversicherung erzählt wird. Bisher hat es die Entwicklung der Produktivkräfte immer ermöglicht, die nicht arbeitenden Menschen mit zu ernähren. Außerdem hat es in der deutschen Geschichte noch nie einen so hohen Anteil an Erwerbstätigen gegeben wie heute. Die Rente leidet darunter, dass der Staat viele seiner Aufgaben auf die Beitragszahler abgewälzt hat, und dass bis heute ein besonders gut verdienender Teil der Erwerbstätigen nicht in die Rentenversicherung einzahlt. Und Heil und Lindner und ihr Stand haben auch weiterhin nicht vor, ihren Beitrag zu leisten. Da verkaufen sie lieber ein Windei wie die Aktienrente als großen Wurf. [jdm]

Heils Krieg gegen die Armen

Durch die ZDF-Dokumentation "Die geheime Welt der Superreichen – Das Milliardenspiel" leuchtete ganz kurz mal auf, wer die Hauptverantwortlichen für die Finanzprobleme des deutschen Staates sind.

Jetzt ist eine große Koalition von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Vertretern der CDU z. B. Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner und der gesamten CSU-Landesgruppe im Bundestag angetreten, um im Stil der AFD gegen die Ärmsten in unserem Land, gegen die Bürgergeldempfänger, zu hetzen. Heil will sogenannten „Arbeitsverweigerern“ für zwei Monate vollständig das Geld zum Leben verweigern; die CSU möchte das gern auf unbegrenzte Zeit. Im Politikerdeutsch sollen „Fehlanreize“ im Sozialsystem abgebaut werden.

Dass ausgerechnet bei den Ärmsten das meiste Geld zu holen ist, glaubt ja im Ernst niemand. Bei AFDlern, deren ganze Grundhaltung auf der Feigheit des Radfahrers (nach unten treten, nach oben buckeln) aufbaut, kann man das Treten auf Schwächere sozusagen „verstehen“.

Aber was versprechen sich die SPD und die CDU/CSU davon?

Wie der Münchener Merkur berichtet, erreichte die Erwerbstätigkeit in Deutschland im letzten Jahr einen neuen Höchststand. 45,9 Millionen Menschen hätten laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) in Deutschland 2023 im Schnitt gearbeitet. Das sei der höchste Wert seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990.

Der Präsident des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider bezeichnete die Diskussion über die Leistungsverweigerer als infam. Er verwies darauf, dass es gerade mal bei 3% der Bürgergeldbezieher zu Sanktionen komme, zumeist wegen eines verschusselten Termins. Das Problem der Leistungsverweigerung gebe es ganz einfach nicht.

Der Münchener Merkur sieht einen Grund in der Diskussion darin, dass der Abstand zwischen Mindestlohn und Bürgergeld im Januar 2024 nochmal kleiner geworden sei. Zum 1.1.24 stieg der Mindestlohn um 42 Cent auf 12,42 Euro.

Viele der Bürgergeldbezieher sind Arbeitnehmer, die in Subunternehmen der Industrie, der Logistik und im Dienstleistungsbereich arbeiten und dort so wenig verdienen, dass sie als Aufstocker auch noch Bürgergeld brauchen. Und es gibt die vielen, die ganz knapp mehr verdienen als Bürgergeldempfänger. Und ganz im Sinne von „Teile und Herrsche“ soll diesen armen Arbeitnehmern weis gemacht werden, dass ihre bedauernswerte Situation nicht durch die niedrigen Löhne ausgelöst wird, sondern durch die noch ärmeren Bürgergeldempfänger, die nicht arbeiten würden. Heils Mission und die der CDU/CSU ist es also, analog zur Denkweise der AFD einen Sündenbock zu präsentieren, um schlecht bezahlte Arbeitnehmer von Forderungen gegen ihre Arbeitgeber abzuhalten.

Heil und die CDU/CSU wollen die Armut in diesem Lande zementieren und die Unternehmen vor Ansprüchen der Arbeitnehmer schützen. Natürlich nur im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des „Standorts Deutschland“, nicht um die Reichen reicher zu machen.

Vor der Einführung von Hartz IV bestand das deutsche Sozialsystem entwickelt aus dem früheren Armenrecht aus der Sozialhilfe und dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe. Die Sozialhilfe war für alle zuständig, die aus verschiedenen Gründen nicht arbeiten konnten, weil sie alt, erwerbsunfähig, krank, pflegebedürftig, Kinder oder Alleinerziehende waren. Das Arbeitslosengeld sicherte Arbeitslose zunächst über ihre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung ab. Bei längerer Arbeitslosigkeit trat die verkürzte Arbeitslosenhilfe in Kraft.

Dieses System sicherte so ab, dass Arbeitnehmern die große Angst vor der Arbeitslosigkeit genommen wurde. Arbeitnehmer organisierten sich in den Gewerkschaften, Azubis trauten sich, ihre Interessen im Betrieb zu vertreten.

Das erklärte Ziel von Hartz IV war, dieses Selbstbewusstsein der Arbeiter zu brechen und einen Niedriglohnbereich zu schaffen und deutschen Export-Konzernen als Billiglohnland Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Deutschland wurde „Exportweltmeister“ auf Kosten der Niedriglohnarbeiter im eigenen Land.

Hartz IV wird zwar vor allem mit der ersten Koalition der SPD und den Grünen verbunden. Aber es gab schon lange vorher Konzepte der CDU, die ausdrücklich den Billiglohnsektor, den es immer schon gab, erheblich ausweiten sollten. Diese Überlegungen firmierten unter der Bezeichnung „Kombilohn“, also der Kombination von staatlichen Leistungen mit einem Niedriglohn. Erfolgreich war die CDU damit nicht, weil offensichtlich war, dass sich die Unternehmer ihre Arbeitnehmer zum Teil vom Staat bezahlen lassen wollten. Erst die Schröder/Fischer-Regierung mit ihrem betrügerischen Motto vom „Fordern und Fördern“ konnte das dahinter steckende Modell erfolgreich verstecken.

Die derzeitige Kampagne von Heil (SPD) und der CDU/CSU gegen den „Missbrauch“ von Bürgergeld ist angesichts der tatsächlichen Verhältnisse eine reine Phantom-Veranstaltung. Sie zielt darauf ab, anderen von dem derzeitigen Sozialabbau zugunsten der Ausgabenexplosion für Krieg und Waffen Betroffenen einen Sündenbock zu präsentieren. Und gleichzeitig soll das untere Drittel der Bevölkerung in Armut gehalten werden, um den Konzernen Billiglohnarbeiter zuführen zu können. Die Existenz von Armut entsolidarisiert zudem alle noch gut verdienenden Arbeitnehmer, denen vor Augen geführt werden soll, was ein Verlust des Arbeitsplatzes für sie bedeuten könnte.

Der Krieg, den Deutschland mit seiner Militärmacht nach außen führt, wird bezahlt durch einen Krieg nach innen gegen die Rechte der Arbeitnehmer. [jdm]

Bundeshaushalt 2024: Umlage der arbeitenden Menschen für die Finanzierung von Tod und Waffen

Dass Krieg und die Ausgaben für den Krieg immer schlechte Zeiten für die Arbeitenden bedeuten, zeigen die Beschlüsse der Bundesregierung zum Bundeshaushalt.

Angeblich sollen 30 Mrd. € eingespart werden – aber die Ausgaben für den Krieg werden weiter erhöht. Die für den Verteidigungshaushalt 2024 vorgesehenen Ausgaben steigen auf 51,8 Milliarden Euro. Aus dem Sondervermögen Bundeswehr (in Wirklichkeit Sonderschulden) stehen darüber hinaus rund 19,2 Milliarden Euro bereit.

Die Orientierung der EU, vor allem Deutschlands, und der USA auf Verlängerung des Ukrainekriegs kostete in der Ukraine vermutlich jetzt schon über 10.000 Zivilisten und etwa 100.000 Soldaten das Leben. Hinzu kommen die unzähligen Verletzten und Verkrüppelten. Auf der russischen Seite desgleichen. In der Ukraine ist schon eine ganze Generation junger Männer getötet worden; jetzt sollen 500.000 weitere, ältere Männer eingezogen werden, Wofür? Für nichts. Ein Land wird für die Ambitionen eines Schauspielerpräsidenten und die Rüstungsindustrie der Nato ausgeblutet.

In Deutschland sollen für diesen Rüstungswahn nicht die Reichen, die aktuell immer reicher werden, zahlen, sondern im Einzelnen sind das:

  • Die Rentner: Die Gesetzliche Rentenversicherung erhält 600 Millionen Euro weniger vom Bund. Die angebliche Garantie des Rentenniveaus von 48 Prozent bis zum Jahr 2039 ist reine Fiktion.
  • Die Verkehrsteilnehmer: 380 Millionen Euro muss das Verkehrsministerium streichen.
  • Die Bahnkunden: Der Bund kürzt 350 Millionen Euro bei den Regionalisierungsmitteln, die die Bundesländer zur Finanzierung des Schienenverkehrs erhalten.
  • Die Stromkunden: 5,5 Milliarden Euro zur Absenkung der Netzentgelte beim Stromnetz fallen weg
  • Das Klima: Die Programmausgaben des Sondertopfs für Klimaschutz werden um 12,7 Milliarden Euro reduziert.
  • Alle Mieter und Hausbesitzer: Der CO2-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit steigt zum Jahreswechsel statt auf 40 nun auf 45 Euro pro Tonne CO2
  • Die Bauern: Für Fahrzeuge in der Land- und Forstwirtschaft soll künftig Kfz-Steuer fällig werden. Das soll 480 Millionen Euro bringen. Weitere 440 Millionen Euro soll die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bringen.
  • Auszubildende, Schüler und Studenten: 200 Millionen weniger für das Bildungsministerium.
  • Hilfe für die Dritte Welt: Dem Auswärtigen Amt, dem Wirtschaftsministeriums und dem Entwicklungsministeriums werden zusammen 800 Millionen Euro gestrichen.
  • Bürgergeldempfänger: Von Fördern wird immer gern gesprochen, aber 250 Millionen Euro fallen bei der Weiterbildung weg.

Die Reichen: Nein, die zahlen nichts. Deren Steuervergünstigungen bleiben unangetastet. [jdm]

Spahns Rücktritt wäre eine echte Schuldenbremse

Jens Spahn kann man vertrauen. In einem Interview in der NOZ vom letzten Samstag, hat sich der stellvertretende Fraktionschef der CDU-Bundestagsfraktion so präsentiert, wie er ist.

Um alle Menschen in der Corona-Krise mit Masken zu versorgen, haute er die Staatsknete nur so raus. Für insgesamt 9 Mrd. € (9.000.000.000 €) ließ sein Gesundheitsministerium überteuerte Masken kaufen, davon allein für 670 Millionen Euro unter Beteiligung von Töchtern politischer Freunde, der Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler, Andrea Tandler, und der vorbestraften Monika Hohlmeier, Tochter der CSU-Legende Franz Josef Strauß. Andrea Tandler wurde dafür gerade zu 4,5 Jahren Haft verurteilt.

Deshalb weiß Spahn auch so gut Bescheid, dass man die Schuldenbremse unbedingt einhalten muss – vor allem dadurch, dass man den Ärmsten, die auf Bürgergeld angewiesen sind, ihre Mittel kürzt und indem man noch ärmere, die aus ihrer Heimat geflohen sind, in zwei Länder nach Afrika entsorgt.

Und Spahn ist ein großer Wirtschaftsexperte. So polemisiert er gegen Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums zum Umstieg auf erneuerbare Energien. „Der Staat muss den Rahmen setzen. Ich teile die Grundthese, der sich der Mainstream angeschlossen hat, nicht, dass es milliardenschwere Zuschüsse für die so genannte Transformation braucht. Ich möchte, dass wir unsere Wirtschaft in die Lage versetzen, durch niedrige Energiekosten, durch niedrige Steuern, durch weniger Bürokratie, durch mehr Freihandel, durch eigene Stärke, die notwendigen Investitionen selbst zu stemmen.“

Ach? Im Januar 2023, als Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck ein Chip-Werk im Saarland mit einer halben Milliarde € bezuschussen wollten, war Jens Spahn das zu wenig. „Ob Magdeburg, Dresden oder Saarlouis: Die Ampel ist in der Pflicht, in Brüssel beim European Chips Act (ECA) Tempo zu machen, damit die angekündigten Ansiedlungen zum Erfolg werden“, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn dem Handelsblatt. Dazu sollte man wissen, dass der European Chips Act insgesamt 43 Mrd. € - hauptsächlich Steuergelder – an die IT-Konzerne verteilen will. Das Chip-Werk von Intel in Magdeburg soll 10 Mrd. € Steuergelder geschenkt bekommen.

Die Subventionen im IT-Bereich oder auch beim Ausbau den Internetnetzes zeigen deutlich, dass die weitere Entwicklung digitaler Technologien auf der Ebene von einzelnen Konzernen und Unternehmen nicht mehr rentabel möglich ist. Hier sind Investitionen erforderlich, die die Hilfe des Staates nötig machen. Die EU mit dem ECA und die Bundesregierung mit der Subventionierung der Chipfabriken sorgen auf Kosten der Steuergelder der Arbeiter für die Modernisierung der Produktion und gleichzeitig sorgen sie durch die Praxis der verlorenen Zuschüsse dafür, dass die Gewinne ausschließlich bei den Konzernen landen und die Arbeiter, die das finanziert haben, ihre Arbeit verlieren und von Leuten wie Spahn dann noch um ihr Arbeitslosengeld gebracht werden.

Und weil Spahn – wie oben ausgeführt - Experte für sinnlose Investitionen ist, fordert er endlich mehr Geld für die Kernfusion zu versenken. Das hilft zwar keine Energie zu produzieren, aber es gibt genug Konzerne, die die Fördergelder für sinnlose Forschungen abgreifen wollen. Oder geht es hier um militärische Forschung für die deutsche atomare Teilhabe? Wenn ja, wäre das natürlich geheim. Wir leben schließlich in einer Demokratie, wie soll man sonst unter sich bleiben können.

Und die Flüchtlinge, die hier Schutz suchen? Die müssen einfach weg. „Nach meinem Wissen hat sich niemand ernsthaft um ein solches Abkommen bemüht. Ruanda wäre wohl dazu bereit. Ghana möglicherweise auch. Auch mit osteuropäischen Ländern wie Georgien, Moldawien sollten wir sprechen.“ Diese Aufzählung zeigt zumindest, dass Spahn einen Atlas mit einem Verzeichnis der ärmsten Länder hat. Und als deutscher Herrenreiter denkt er, es wäre doch gelacht, wenn man die korrupten Staatsführungen in solchen Ländern nicht für ein Bakschisch dazu bringen könnte, Flugzeuge mit unbeliebtem Menschenmaterial aus Deutschland zu entladen. Hat Großbritannien ja auch geplant. Und das Grundgesetz? Wie zitierte Franz-Josef Degenhardt in seinem Lied „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“ den Kammervorsitzenden? „Fangen sie schon wieder an? Ist doch Politik. Hat doch mit Gewissen nichts zu tun: Ja, Grundgesetz, ja, Grundgesetz, ja, Grundgesetz. Sie berufen sich hier pausenlos aufs Grundgesetz. Sagen sie mal, sind sie eigentlich Kommunist?“ [jdm]

Erfolgreich für eine allseitige Verschlechterung durch echte Teamarbeit

Wie hat man sich das Morgen-Briefing in einem beliebigen deutschen Bundesministerium vorzustellen? Der Bundesminister kommt in den Besprechungsraum und die Staatssekretäre, Abteilungsleiter und persönlichen Referenten schauen ihm erwartungsvoll entgegen. „Hallo liebe Freunde, was können wir heute verschlechtern, um unsere Lobbyisten zu erfreuen?“ läutet der Minister die kreative Runde ein.

Im Gesundheitsministerium berichtet eine Abteilungsleiterin, dass die Hausarztversorgung und vor allem die Facharztversorgung schon sehr lückenhaft seien. Aber Sorgen machen die Krankenhäuser, von denen es in den meisten Regionen noch ausreichend gibt. „Jetzt wollten wir durch den staatlichen Online-Atlas für Leistungen und Behandlungsqualität der Krankenhäuser kleine Krankenhäuser schlecht reden, damit man sie dann leichter schließen kann. Aber beim Krankenhaustransparenzgesetz ist uns ja der Bundesrat in die Quere gekommen“, verteidigt die Abteilungsleiterin ihr Scheitern. Aber Gesundheitsminister Lauterbach zeigt volles Verständnis: „Das ist zwar blöd, aber über die Krankenhausfinanzierung hungern wir die kleinen Krankenhäuser schon aus. 1000 Krankenhäusern sollte das mindestens das Leben kosten.“

Im Bundesverteidigungsministerium prahlt der eine Staatssekretär damit, dass man durch die permanente Ausweitung der Nato ja schon den Krieg Russland gegen Ukraine geschaffen habe. Und die ersten Kriegsschiffe kreuzten ja auch schon im südchinesischen Meer herum. Das seien viel versprechende Ansätze auf dem Weg zum nächsten Weltkrieg. Widerspruch kommt von einem Unterabteilungsleiter, der kritisiert, dass der Krieg in der Ukraine auf der Stelle trete und sich in der Welt überall die Stimmen mehrten, es müsse endlich verhandelt werden. Das bringt den bis dahin versonnen über seine Beliebtheitswerte beim letzten Politbarometer lächelnden Boris Pistorius um seine gute Laune: “Das sind alles verdammte Weicheier. Wir müssen endlich kriegstüchtig werden! Und das gilt auch für die verdammten Ukrainer. Die sollen endlich kämpfen. Was kann schöner sein als der Tod auf dem Felde der Ehre!? Schicken wir den Weicheiern noch mal 1,3 Milliarden Euro.“ Dann brummelt er noch was von Luftabwehrsystemen vom Typ Iris T-SLM und Artilleriemunition, aber der Mann vom Beschaffungswesen ist schon unterwegs, um das Geld vom Lindner zu holen, bevor der das eventuell der Familienministerin für ihre Kindergrundsicherung geben kann.

Im Familienministerium war man vor kurzem auch etwas unglücklich. Ein Sechstel der Kinder in Deutschland lebte ja schon in Armut. Wo wollte man da noch etwas verschlechtern. Doch dann war man froh über die Hilfe von der Grünen Partei. Die Kindergrundsicherung war hier das Stichwort. Endlich konnte man das in die Jahre gekommene und bewährte Kindergeld angreifen. „Juchhu“, jubelten die Fachleute im Ministerium. „Damit kommen wir auf der Hitliste der Verschlechterungen ganz nach oben.“ Das Kindergeld wurde umbenannt in Kindergarantiebetrag und der Regelsatz für Kinder beim Bürgergeld heißt jetzt Kinderzusatzbetrag. Und weil in Zukunft alles völlig unbürokratisch laufen soll, weiß jetzt keiner, wer wofür zuständig ist. Und für die Umstellung braucht man jede Menge neue Vorschriften und Verordnungen. Das sichert Arbeitsplätze im Ministerium. „Und das Schönste“, verkündet der Pressesprecher, „weil der Kinderzusatzbetrag jetzt angeblich das Bürgergeld nicht vermindern darf, glauben die Menschen, die Bürgergeldbezieher hätten mehr Geld. Da können alle wieder richtig hetzen. Dabei haben wir die Beträge fast vollständig auf das alte Niveau angepasst.“

Im Verkehrsministerium herrscht dagegen eine ruhige Atmosphäre, hat man doch schon eine jahrzehntelange Erfahrung bei der Verschlechterung der Verhältnisse. Tiefensee, Ramsauer, Dobrindt, Scheuer und jetzt Wissing: Im Ministerium ist man stolz auf diese Ahnenreihe von unfähigen Ministern. Tiefensee hatte den Börsengang der Deutschen Bahn vorangetrieben und den DB-Vorständen wunderschöne Bonuszahlungen bewilligt. Ramsauer hatte die wunderbar gescheiterten Projekte Ausländermaut, die Großbaustelle Stuttgart 21 und den Flughafen Berlin Brandenburg mit ausgeheckt; wer kann Größeres leisten? Dobrindt beförderte auch die Ausländermaut und vertuschte so gut er konnte den VW-Abgasskandal. Leider war er nur kurz im Amt, so dass seine Leistungen durch Andreas Scheuers Agieren vergessen wurden. Scheuer konnte die Ausländermaut endlich zu dem Finanzdebakel bringen, das auch in der Öffentlichkeit gewürdigt wurde. Scheuer gelangen auch kleine Dinge, wie z. B. 2020, als eine Novellierung der Straßenverkehrs-Ordnung so schlampig gemacht wurde, dass sie sogar wieder außer Kraft gesetzt werden musste. Dem jetzigen Verkehrsminister Volker Wissing gelingt es, die Modernisierung der Bahn so zu steuern, dass sie daran zu Grunde geht. Die Bahnstrecken müssen erneuert werden und international üblich ist es, diese Erneuerung laufend durchzuführen. Volker Wissing hat aber herausgefunden, wie es mehr Ärger für die Bahnkunden gibt. Es werden Strecken ganz still gelegt, dann wird daran herumgebaut bzw. ganz neu gebaut. Und wenn  sich dann die Verkehrsströme neue Wege suchen, kann man damit sogar neue Autobahnen begründen. Und wenn keiner mehr an die stillgelegte Bahnstrecke denkt, wird sie wieder eröffnet. Und alles läuft dort super, weil es erst mal kaum Kunden gibt. Weil hier wahre Profis an der allseitigen Verschlechterung arbeiten, ist das morgendliche Meeting im Verkehrsministerium schon fast langweilig.

Das Bundeswirtschaftsministerium ist allerdings auch nicht untätig. Durch den Boykott billigen russischen Erdgases hat man die Energiekosten ordentlich erhöht. Die Deindustrialisierung schreitet voran und die Inflation ist auch gut gelungen. Bei dem Brückenstrompreis für energieintensive Industrien hätte Bundeswirtschaftsminister Habeck fast einen Fehler gemacht und die Subventionen an Fortschritte bei der Umstellung auf erneuerbare Energien gebunden. Aber glücklicherweise haben seine MinisterkollegInnen geholfen und  stattdessen eine Subvention für alle Industriebetriebe ohne Bedingungen daraus gemacht. Und für den Bürger wird es keine verlängerten Energiepreissubventionen mehr geben.

Trotz dieser unbestreitbaren Verschlechterungen zeigte sich der Bundesminister im Morgenbriefing unwirsch. Er hätte gern eine Verschlechterung, die man nur mit ihm in Verbindung bringt. Der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller hat einen netten Vorschlag für seinen Chef. „Robert, ich hab da eine Idee. Die Deutsche Post bringt ihre Briefe immer noch nach ein bis zwei Tagen zum Empfänger. Das ließe sich ganz einfach verschlechtern, wenn wir das Postgesetz ändern.“ Robert Habeck weiß, dass auf seine Zuarbeiter aus der grünen Partei Verlass ist: „Au fein, dann kommen die Briefe jetzt erst nach drei oder vier Tagen. Jetzt muss die Post nur noch Extrapreise für schnellere Briefe einführen, dann haben wir die Kacke am Dampfen“. Müller kann Habeck da beruhigen: „Klar, Robert. Das ist schon in der Mache!“ Und so endet auch das Morgenmeeting im Bundeswirtschaftsministerium in voller Harmonie. [jdm]