Trumps 20-Punkte-Plan zur Befriedung von Gaza wird von den meisten islamischen Staaten, aber auch von der deutschen Bundesregierung begrüßt. Die dpa-Meldung in der gedruckten NOZ fasst den Inhalt des Plans so zusammen: „Inhalt der indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas sind eine rasche Waffenruhe und Freilassung der verbliebenen Geiseln im Gegenzug für palästinensische Gefangene in einem ersten Schritt. Weitere Fragen sind jedoch noch umstritten, darunter die in dem Plan vorgesehene Entwaffnung der Hamas, die die Terrororganisation bislang ablehnt, sowie Israels Truppenrückzug.“

Damit wird der Charakter des Plans nur sehr schematisch beschrieben. Der Plan ist kaum geeignet, dauerhaft den Frieden in Gaza und auch in der Westbank zu sichern. Aber er kann wenigstens einer sofortigen Waffenruhe dienen und das blutige Vorgehen der israelischen Armee in Gaza stoppen. Dass die Hamas entwaffnet werden soll, ist ein notwendiger Teil jeder Friedenslösung. Aber der Plan gibt den Palästinensern keine positive Perspektive über den Waffenstillstand hinaus.

Der Plan enthält keine demokratische Teilhabe der Bevölkerung an der Entwicklung in ihrem Land. Die Hamas-Diktatur wird durch eine von außen eingesetzte Experten-Regierung ersetzt, die ihrerseits diktatorische Vollmachten hat und ihre Macht ausschließlich auf eine Friedenstruppe baut, die nicht von der Uno eingesetzt wird und sich von anderen Militärdiktaturen durch ihre hehren Ziele unterscheidet. Praktisch sind solche Friedensbemühungen durch ein Überstülpen von gutgemeinten Strukturen in Afghanistan, dem Kosovo oder in Bosnien gescheitert. Wenn die demokratische Teilhabe der Palästinenser nicht innerhalb kurzer Zeit gelingt und diese Teilhabe nur durch von außen aufgedrückte Organisationsstrukturen gewährleistet wird, wird es die im Plan dargestellte rosige Zukunft nicht geben – auch nicht, wenn die Hamas vollkommen entmachtet worden ist. Wenn es schlecht läuft, wird es neue Kampforganisationen geben, wenn es gut läuft, wird es weiterhin ein von außen abhängiges staatliches Gebilde geben, das den Menschen keine Heimat bieten wird.

Der drittletzte Punkt, der einen interreligiösen Dialogprozess vorsieht, suggeriert vollkommen realitätsfern, dass es sich beim israelisch-palästinensischen Konflikt um eine religiöse Frage und nicht um eine neokoloniale Frage handele. Damit wird die Sicht der rechten Gruppen Israels, aber auch der fundamentalistischen politischen Basis von Trump in den USA zu einer legitimen Geschäftsgrundlage erhoben, der sich die Welt anzuschließen hat.

Die 20 Punkte des Plans sind (zusammengefasst):

  • Gaza wird eine deradikalisierte, terrorfreie Zone.
  • Gaza wird wiederaufgebaut,
  • Der Krieg wird sofort beendet. Die israelischen Streitkräfte ziehen sich bis zu einer vereinbarten Linie zurück, um die Freilassung von Geiseln vorzubereiten. Alle militärischen Operationen werden eingestellt und die Kampflinien bleiben eingefroren.
  • Innerhalb von 72 Stunden nach Israels öffentlicher Annahme dieses Abkommens werden alle Geiseln – lebend und verstorben – zurückgeführt.
  • Sobald alle Geiseln freigelassen sind, wird Israel 250 zu lebenslanger Haft Verurteilte sowie 1700 nach dem 7. Oktober 2023 inhaftierte Palästinenser freilassen.
  • Hamas-Mitglieder, die sich zur friedlichen Koexistenz verpflichten und ihre Waffen abgeben, erhalten Amnestie oder Hamas-Mitglieder können Gaza verlassen.
  • Es wird sofort umfassende Hilfe in den Gazastreifen geschickt einschließlich der Sanierung von Infrastruktur (Wasser, Strom, Abwasser, Straßen), Krankenhäusern und Bäckereien.
  • Hilfslieferungen und deren Verteilung erfolgen über die Vereinten Nationen, den Roten Halbmond und andere internationale Organisationen, die in keiner Weise mit einer der beiden Parteien verbunden sind.
  • Gaza wird unter der vorübergehenden Übergangsverwaltung eines technokratischen, unpolitischen palästinensischen Komitees unter der Leitung des ehemaligen britische Premierminister Tony Blair regiert, das aus qualifizierten Palästinensern und internationalen Experten bestehen wird Dieses Komitee wird den Rahmen setzen und die Finanzierung für den Wiederaufbau von Gaza verwalten, bis die Palästinensische Autonomiebehörde in der Lage ist, die Kontrolle über Gaza sicher und effektiv zu übernehmen.
  • Ein wirtschaftlicher Entwicklungsplan von Trump zum Wiederaufbau und zur Belebung Gazas wird durch die Einberufung eines Expertengremiums erstellt.
  • Eine Sonderwirtschaftszone wird eingerichtet.
  • Niemand wird gezwungen, Gaza zu verlassen, und diejenigen, die gehen möchten, können dies frei tun und auch frei zurückkehren.
  • Die Hamas und andere Kampfgruppen stimmen zu, keinerlei Rolle in der Verwaltung Gazas zu übernehmen
  • Regionale Partner werden garantieren, dass die Hamas und die Kampfgruppen ihre Verpflichtungen einhalten.
  • Die Vereinigten Staaten werden mit arabischen und internationalen Partnern zusammenarbeiten, um eine temporäre Internationale Stabilisierungstruppe (»International Stabilization Force« – ISF) zu entwickeln, die sofort in Gaza eingesetzt wird. Die ISF wird mit Israel und Ägypten zusammenarbeiten, um die Grenzgebiete zu sichern, gemeinsam mit neu ausgebildeten palästinensischen Polizeikräften.
  • Israel wird Gaza weder besetzen noch annektieren, sondern das von ihr besetzte Gebiet im Gazastreifen schrittweise an die ISF übergeben.
  • Falls die Hamas diesen Vorschlag verzögert oder ablehnt, werden die oben genannten Maßnahmen in den terrorfreien Gebieten umgesetzt, die von der IDF an die ISF übergeben wurden.
  • Ein interreligiöser Dialogprozess wird auf den Werten von Toleranz und friedlichem Zusammenleben aufgebaut, um die Denkweisen und Narrative von Palästinensern und Israelis zu verändern.
  • Während der Wiederaufbau Gazas voranschreitet und das Reformprogramm der Palästinensischen Autonomiebehörde gewissenhaft umgesetzt wird, könnten endlich die Voraussetzungen für einen glaubwürdigen Weg zur palästinensischen Selbstbestimmung und Staatlichkeit geschaffen werden
  • Die Vereinigten Staaten werden einen Dialog zwischen Israel und den Palästinensern einleiten. [jdm]