Binnennachfrage und gute Wirtschaftsbeziehungen könnten helfen – Genau das will die Bundesregierung nicht
Deutschland befindet sich seit zwei Jahren in einer Rezession, da die Wirtschaftsleistung in aufeinanderfolgenden Quartalen zurückgegangen ist. Alle Ökonomen sind sich einig, dass derzeit eine Deindustrialisierung in Deutschland stattfindet.
Deutschlands Wirtschaftsmodell beruhte darauf, als „Exportweltmeister“ seine Produkte ins Ausland zu verkaufen. Seit der Agenda 2010 war das Hauptmittel, um die Konkurrenz zu schlagen, die Lohnstückkosten in Deutschland zu senken. Dieses Lohndumping war eine Zeit wirtschaftlich erfolgreich, aber ging zu Lasten der „Partner“ in der EU und auch in den USA. Vor allem Frankreich, aber auch andere Länder in der EU, gerieten dadurch in Bedrängnis. Durch die schicksalhafte Verbundenheit im gemeinsamen Euro-Raum konnten sich die anderen Länder nicht gegen Deutschlands unfaire Wirtschaftspolitik wehren.
Ein weiteres Standbein der deutschen Wirtschaft war die billige Energie, die aus Russland bezogen wurde.
Die USA verfolgten schon unter Trumps Vorgänger Biden eine Strategie, die Deutschlands Handelsbilanzüberschüsse senken sollte. Die EU-Staaten konnten aber gegen Deutschland nichts machen. Die EU drohte allen Staaten mit einer Austeritätspolitik, wie sie am extremsten gegen Griechenland angewendet wurde.
Seit dem Beginn des Ukrainekriegs haben Deutschlands Regierenden selbst den wirtschaftlichen Abstieg herbeigeführt. Im ersten Schritt schnitt die deutsche Politik unser Land von dem Bezug billiger Energie ab, indem untätig zugesehen wurde, wie ukrainische und/oder US-Terroristen die Northstream II sprengten. Den Rest erledigten die vielen Sanktionspakete gegen Russland. Dies wurde zum Teil mit der Energiewende weg von fossilen Brennstoffen begründet, aber statt der billigen russischen Energie wurde teure Energie in Form von Frackinggas aus den USA eingeführt. Die Energiewende fand tatsächlich nicht statt. Die Technologien waren zum Teil schon Jahre vorher verloren gegangen, wie die Herstellung von Photovoltaikanlagen. Auch die Aufstellung von Windkraftanlagen stagnierte ausgerechnet, als man sie am dringendsten gebraucht hätte.
Im zweiten Schritt entledigte sich Deutschland in völligem Gehorsam gegenüber den USA seiner Absatzmärkte. Russland als Absatzmarkt war schnell verloren. Der Konfrontationspolitik der USA gegenüber China folgte Deutschland auch, so dass China als Absatzmarkt immer fragiler wird.
China selbst ist auch eine Art Exportweltmeister. Die USA glaubten, China durch Störung der Importe in die USA ihren Willen aufzwingen zu können. Doch China ist es gelungen, sich in Asien und Afrika neue Märkte zu erschließen. Und zweitens nutzte China die Situation, um den Fokus mehr auf die Binnennachfrage zu legen und die soziale und infrastrukturelle Entwicklung des Landes zu stärken. Das heißt, die chinesische Wirtschaft ist nicht so exportabhängig, wie sich die deutsche präsentiert.
Auch der deutschen Wirtschaft würde eine verstärkte Binnennachfrage helfen. Aber sowohl den international ausgerichteten Wirtschaftsbossen, als auch den deutschen Regierungen ist eine allgemein florierende Wirtschaft in Deutschland egal. Ihnen gilt es als Erfolgsmaßstab, dass die deutschen Dax-Konzerne ihre Gewinne steigern konnten. Nur erwirtschaften diese Konzerne ihre Gewinne nicht (überwiegend) in Deutschland, sondern weltweit. Dem deutschen Staat und den Arbeitern in Deutschland kann das egal sein. Es schafft keine Arbeitsplätze, wenn die Aktionäre der Dax-Konzerne genug Geld haben, um in Dubai Golf zu spielen. Die Agenda-Politik seit Schröder hat die Binnennachfrage in Deutschland schrumpfen lassen.
In dieser Situation wäre es doch von Interesse, was die deutsche Bundesregierung zu tun gedenkt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat sich dafür einen Beraterkreis angeschafft. Das ist das, was diese Regierung ausweislich ihres Koalitionsvertrages am besten kann.
Und dieser Beraterkreis aus vier Wirtschaftswissenschaftlern hat am 17. September 2025 „Eine Wachstumsagenda für Deutschland“ veröffentlicht. Das Gutachten kommt zu 5 Schlussfolgerungen, die allesamt keine Antwort auf die Deindustrialisierung geben:
1. Innovation und Strukturwandel zulassen. 2. Staatliche Investitionen strategisch ausrichten. 3. Systematische Deregulierung. 4. Sozialleistungen und Unternehmenssteuern senken. 5. Europäische Integration vertiefen.
Die beiden konservativen Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup und Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, beurteilten dieses Gutachten so: „Diese Wachstumsagenda ist konsistent – aber nur für einen weisen Diktator geeignet“, kritisiert Rürup. Hüther ergänzt: „Es wird so getan, als könnte man mit einer Ordnungspolitik für die Normalität argumentieren. Diese Normalität haben wir aber nicht.“
Die fünf Punkte des Gutachtens wollen einfach die gute alte Zeit wiederherstellen. Das Sozial- und Lohndumping soll weitergeführt werden und die Unternehmer sollen keine Steuern zahlen, dann werde alles wieder gut. Nicht einmal die Ausgaben für Rüstung kann das Gutachten adäquat beurteilen. Rürup sieht in den staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Bundeswehr kein Mittel, um das Wachstum wieder anzukurbeln. Das ist auch logisch, denn Rüstungsausgaben sind wirtschaftspolitisch einfach Konsum, der keine Folgeinvestitionen auslöst.
Wenn die Deindustrialisierung aufgehalten werden soll, braucht es Menschen, Organisationen und Länder, die Produkte aus Deutschland kaufen wollen. Solche Produkte sind vorstellbar bei der Energiewende, beim Wohnungsbau, bei der Verkehrswende, bei guten Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Ländern, um etwas herzustellen, was diese brauchen, aber nicht haben. So hat vor dem Sanktionsregime Wirtschaft funktioniert. Die fünf Punkte des Gutachtens nehmen das überhaupt nicht zur Kenntnis. Katherina Reiche und die Merz-Regierung haben als Lösung die alte Leier vom Sozialabbau und mehr Gewinnen, sprich Steuersenkungen, für Unternehmen. Hinzu kommt die so genannte Entbürokratisierung, also der Abbau von Sicherheiten und Schutzrechten. Eine Firma baut aber keine Produktion auf, weil Regulierungen zur Produktsicherheit abgebaut wurden, sondern weil die Chance besteht, die Produkte zu verkaufen.
Diese Regierung hat also überhaupt keine Strategie, der Deindustrialisierung Deutschlands etwas entgegen zu setzen. [jdm]