Nur ein Drittel der befragten IGBCE-Mitglieder glaubt es bis zur Rente zu schaffen
„Die Rente ist sicher.“ Dieser berühmte Satz des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm hat sich mittlerweile überholt, zumindest wenn es nach dem Großteil der IGBCE-Mitglieder geht. Mit Sorge blicken sie auf die gesetzliche Rente – zeigt das Ergebnis einer großen Mitgliederumfrage.
Die Industriebeschäftigten in den Branchen der IGBCE haben das Vertrauen in das staatliche Rentensystem verloren. Vier von fünf Befragten (83 Prozent) gehen davon aus, dass ihre gesetzliche Altersvorsorge im Ruhestand nicht ausreichen wird, den eigenen Lebensstandard zu sichern. Gleichzeitig hält es angesichts stetig wachsender Arbeitsbelastung nicht einmal jede und jeder Dritte für denkbar, ihrer oder seiner Arbeit überhaupt bis zum Erreichen des regulären Renteneintritts nachgehen zu können.
Das sind zwei zentrale Ergebnisse einer aktuellen IGBCE-Umfrage unter ihren Mitgliedern. An ihr haben sich mehr als 4600 Personen aus allen Branchen im Organisationsbereich der zweitgrößten Industriegewerkschaft beteiligt – vor allem aus Chemie-, Pharma-, Energie-, Kunststoff- und Kautschukindustrie. Die Ergebnisse sind damit aussagekräftig und valide mit Blick auf die Gewerkschaftsmitglieder und die Industriebeschäftigten insgesamt.
„Wenn nicht einmal die arbeitende Mitte, die im Kern unser Rentensystem finanziert, im Ruhestand von ihrer gesetzlichen Altersversorgung leben kann, sollte das in der Politik alle Alarmglocken läuten lassen“, sagt der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis. „Wir brauchen Reformen, die das System als Ganzes endlich nachhaltig stärken – und keine neuen Debatten über eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit“, forderte Vassiliadis. „Wer von der Rente mit 70 Jahren fabuliert, der oder dem empfehle ich ein Praktikum am Chemie-Cracker, im Kautschuk-Mischsaal oder am Glasofen.“
In der Umfrage gaben lediglich 32 Prozent an, in ihrem Job („voll und ganz“ oder „eher ja“) bis zum Erreichen des regulären Renteneintrittsalters arbeiten zu können. Im Bereich der Produktion waren es sogar nur 21 Prozent. Oft sind es psychische oder körperliche Gründe, die dies verhindern. Fast 34 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass sie es sowohl körperlich als auch psychisch nicht bis zur Rente schaffen werden („eher nein“ oder „auf keinen Fall“). In der Produktion war es fast jede und jeder Zweite (48 Prozent).
Zwar unterstützt eine überwältigende Mehrheit von 90 Prozent den Vorstoß der Bundesarbeitsministerin, das System zu einer Erwerbstätigenversicherung umzubauen, in die dann auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete einzahlen würden. Gut 70 Prozent halten es allerdings gleichzeitig für unrealistisch, dass es auch dazu kommt.
Allerdings fordern gleichzeitig 43 Prozent den Ausbau der Aktienrente. Vermutlich spielt hier die Kampagne der Gewerkschaft für die so genannte „zweite Säule“ der Altersvorsorge, die Betriebsrente, die die IGBCE in allen großen Branchen ihres Organisationsbereichs tariflich durchgesetzt hat, eine Rolle. Die Gewerkschaftsleitung unterstützt die Pläne für die Aktienrente. [jdm]