Menschen mit einer psychiatrischen Erkrankung, die bisher mit Seroquel Prolong Retardtabletten behandelt wurden, haben derzeit ein Problem: Das Medikament ist in Deutschland nicht lieferbar. Ihnen wird stattdessen meist die unretardierte Form verschrieben. Es handelt sich zwar um denselben Wirkstoff Quetiapin, aber der wird vom Körper sehr schnell aufgenommen, statt über einen längeren Zeitraum in geringerer Dosis zu wirken. Die erwünschte gleichmäßige Wirkung wird nicht mehr erreicht und der Patient verfällt in Unruhe; ein Zustand dem das Medikament ja entgegenwirken soll.

Weil der Wirkstoff an sich noch verfügbar ist, ist dieses Medikament in der Liste der 549 Lieferengpässe auf dem Portal „Lieferengpassmeldungen“ des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte noch nicht einmal enthalten.

Die Informationen auf dem Portal stammen vom pharmazeutischen Unternehmer und werden durch Daten aus der Arzneimittel- und Antrags-Datenbank (AmAnDa) des Bundes ergänzt. Die Unternehmer sind laut Beschluss des Pharmadialogs 2016 per Selbstverpflichtung verpflichtet, Lieferengpässe zu Arzneimitteln, die einen Wirkstoff enthalten, welcher auf der Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe geführt wird, sowie Arzneimittel mit verschreibungspflichtigen Wirkstoffen, die einen Marktanteil von 25% und mehr haben, zu melden.

Eine Lieferengpassmeldung ist notwendig, wenn über voraussichtlich zwei Wochen hinaus den im üblichen Umfang anfallenden Auslieferungen nicht nachgekommen werden kann oder eine deutlich erhöhte Nachfrage besteht, der nicht angemessen nachgekommen werden kann.

Ein geplantes EU-Gesetz über kritische Arzneimittel soll den Zugang zu den Medikamenten zu einem erschwinglichen Preis sicherstellen. Hier geht es allerdings um Arzneimittel, die zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen eingesetzt werden oder für die es nur wenige Alternativen gibt. Das Gesetz soll mit 83 Mio. Euro in den nächsten zwei Jahren Investitionen in die Herstellung von wichtigen Arzneimitteln und Inhaltsstoffen innerhalb der EU ankurbeln und die Abhängigkeit von externen Anbietern verringern.

Weil diese Summe zu wenig ist, haben elf EU-Gesundheitsminister sich dafür ausgesprochen, dieses Programm aufzustocken und aus dem bevorstehenden EU-Verteidigungsfinanzierungsprogramm zu finanzieren. Das zeigt, dass die Prioritäten sich vollkommen verschoben haben: Rüstung wird immer finanziert, drum lass uns etwas davon für zivile Gesundheitssorge abzwacken. [jdm]