Gedenkstätte Esterwegen kündigt dem DIZ – ein „geschichtspolitischer Skandal“

Die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen hat dem seit 1985 bestehenden Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager kurzfristig zum 15. Juni sein Büro in der Gedenkstätte Esterwegen gekündigt. Diese plötzliche Entscheidung wird bundesweit als einmaliger und unfreundlicher Akt gegenüber einem langjährigen Partner in der Gedenkstättenarbeit betrachtet.

Nicht nur die Mitglieder des Trägervereins, dem Aktionskomitee für ein DIZ Emsland, sondern auch Verfolgtenverbände und GedenkstättenvertreterInnen über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus, äußerten ihre Empörung. Hedwig Ahrens berichtete in einem Beitrag bei NDR 1, dass die Journalisten Hermann Vinke und Gerhard Kromschröder, die in den 1960er Jahren zu den ersten Journalisten gehörten, die sich intensiv mit den Emslandlagern – damals als Redakteure der Ems-Zeitung – beschäftigten, die Stiftung Gedenkstätte aufgefordert haben, im Interesse der Gedenkstättenarbeit zu einer Einigung mit dem DIZ zu kommen.

Die Gedenkstätte teilte dem DIZ mit, die Mitarbeiter des DIZ könnten doch wie jeder andere Besucher einfach die Bibliothek der Gedenkstätte für ihre Arbeit nutzen. Laut der Pressemitteilung des Aktionskomitees gibt es auf dem Gedenkstättengelände genug Gebäude, die kurzfristig zu Büroräumen umgestaltet werden könnten.

Offiziell hatte der Landrat Marc-André Burgdorf noch im Dezember 2019 erklärt, dass die „Zusammenarbeit von Stiftung und DIZ, das auch zukünftig mit eigenem Personal die Arbeit der Gedenkstätte mitgestalten wird“ fortgesetzt werden sollte. Die Erklärung wurde nach dem Abschied des langjährigen DIZ-Leiters Kurt Buck abgegeben. Das DIZ hatte bereits 25 Jahre in ihrer Einrichtung in Papenburg Erinnerungsarbeit an die Häftlinge und Gefangenen der Emslandlager gestaltet. Als die Bundeswehr ihre Kaserne auf dem ehemaligen Gelände des Konzentrationslagers Esterwegen aufgab, setzte der damalige Landrat Hermann Bröring sich für den Aufbau einer Gedenkstätte an diesem historischen Ort ein. Bröring gründete dazu die landkreiseigene Stiftung Gedenkstätte Esterwegen. Für die inhaltliche Arbeit holte er das DIZ wegen ihrer ausgewiesenen Expertise dazu ins Boot. Es wurde eine partnerschaftliche Zusammenarbeit vereinbart.

Viele Gedenkstätten können die Gedenkstättenarbeit fast nur auf der Basis der baulichen Überreste der Schreckensorte durchführen. In jahrelanger Forschungsarbeit konnte das DIZ die  Opferperspektive in die Gedenkstättenarbeit einbringen. In der Sammlung des DIZ gibt es von über 1000 ehemaligen Häftlingen Informationen, Selbstzeugnisse und andere Exponate , die ihre Erfahrungen vor Ort sichtbar machen. Das DIZ beleuchtete auch die gesellschaftliche Verdrängung der Opfergruppen an den Rand der Gesellschaft, die sowohl die kommunistischen Verfolgten, als auch die jüdischen Verfolgten, Homosexuelle, Zeugen Jehovas oder auch die von den Nazis als Kriminelle bezeichneten Verfolgten, wie z. B.  Deserteure, in der jungen Bundesrepublik erlebten. Das führte in den Anfangsjahren des DIZ immer wieder zu Anfeindungen aus der hiesigen Politik.

Die Sammlung des DIZ stellt eine absolute Besonderheit der Gedenkstätte Esterwegen dar. Die Dauerausstellung wurde mindestens zur Hälfte mit Exponaten des DIZ bestückt. So bekommen die Besucher nicht nur einen rein musealen Zugang zum KZ Esterwegen –da war die Wache, da war die Baracke, usw. – sondern über die Lebensgeschichten der Opfer auch einen Sinn dafür, welche Funktion die KZs im Nazistaat hatten. Umso unverständlicher, wenn dieses Potential von der Stiftung Gedenkstätte und vom Landrat Burgdorf einfach missachtet und möglicherweise zerstört wird.

Prof. Dr. Habbo Knoch, Vorsitzender des Aktionskomitees, ist sich sicher, dass die jetzige Kündigung nur dem Ziel dient, dass sich das DIZ selbst auflöst. Burgdorf sei in den letzten zwei Jahren nicht bereit gewesen, mit dem DIZ über die Form der Zusammenarbeit zu sprechen. Stattdessen habe er die Selbstauflösung des DIZ durch das Aktionskomitee gefordert. Wie Knoch gegenüber Hallo-Wippingen berichtete, plane die Gedenkstätte eine Neukonzipierung der Dauerausstellung. Das sei nicht zu beanstanden, aber in diesem Zusammenhang sei auch geäußert worden, man brauche die Exponate des DIZ dafür nicht.

Möglicherweise zeigt das einfach eine gewisse Ignoranz gegenüber der Arbeit des DIZ und soll einfach das DIZ schwächen. Aber es könnte auch bedeuten, dass es dem Landrat und der Gedenkstätte darum geht, genau die Opferperspektive aus der Gedenkstättenarbeit zu verbannen. Möchte der Landrat vielleicht die Gedenkstätte zu einem rein musealen Angebot, das sich für gelegentliche Sonntagsreden eignet, umgestalten und jede gesellschaftliche Relevanz, die sich aus den Geschichten der verschiedenen Opfergruppen herleiten lässt, unterdrücken?

Knoch möchte sich zu solchen Spekulationen nicht verleiten lassen. Er bewertet die Kündigung als eine gravierende Missachtung des Vertrauensschutzes für einen bürgerschaftlichen Verein und einen offensichtlichen Wortbruch durch die kommunalen Verantwortungsträger für die Gedenkstätte und spricht von einem "geschichtspolitischen Skandal". „Jede andere Gedenkstätte hätte sich die Finger geleckt, angesichts eines Vereins, der junge und alte Fachleute in die Gedenkstättenarbeit einbringen will.“ Vom Landrat werde dieses Angebot nicht nur ignoriert, sondern aktiv abgelehnt.

Auch die Frage von Hallo-Wippingen, ob der Landrat mit dieser Kündigung sagen könne, die feindliche Übernahme des DIZ sei erfolgreich abgeschlossen, will Knoch so nicht bejahen. Er habe tatsächlich in der letzten Zeit häufig eine solche Einschätzung gehört, aber zumindest  2011, als mit Landrat Bröring die Zusammenarbeit vereinbart wurde, habe es diesen Übernahmewunsch nicht gegeben, sondern man habe einfach und ehrlich zusammengearbeitet.

Der Landkreis Emsland hat heute auf die Vorwürfe des DIZ mit einer Pressemitteilung reagiert. Darin weist Burgdorf die Vorwürfe des Aktionskomitees zurück. Insbesondere, dass man „das kulturelle Gedächtnis der Opfer der 15 Emslandlager aus der Gedenkstätte und von einem historischen Ort ihres Leidens verweisen“ wolle, sei absurd. In der PM verweist der Landkreis darauf, dass es unnötige Doppelstrukturen in der Gedenkstätte gebe, die eine Belastung darstellten. Habbo Knoch wiederum findet es seltsam, Doppelstrukturen zu beklagen, wenn man gleichzeitig nicht bereit sei, mit dem DIZ über die Arbeit zu sprechen.

Burgdorf unterstellt dem DIZ eine Verweigerungshaltung und äußert seinerseits den Willen zur Zusammenarbeit. Das lässt hoffen; es bleibt dann aber die Frage, warum eine solche kurzfristige Kündigung ausgesprochen wurde.

Und es bleibt die Frage, warum das DIZ als eigenständige Forschungseinrichtung in der Gedenkstätte ein Problem darstellen sollte. Habbo Knoch: „In die Gedenkstätte wurde das Kloster als eigenständige Einrichtung einbezogen, weil man es thematisch an diesem historischen Ort richtig fand. Warum sollte das DIZ als Einrichtung, die sich mit dem Ort und den anderen Emslandlagern beschäftigt, keinen Platz in dieser Einrichtung haben?“ [jdm]

„Moor-SA“ und Strafgefangenenlager – Buchvorstellung mit Autor David Reinicke in der Gedenkstätte Esterwegen.

Der 3. April 1946 war für Werner Schäfer sicherlich kein Tag wie jeder andere. Der frühere Kommandeur der „Moor-SA“ und der Strafgefangenenlager im Emsland wurde nach seiner Festnahme durch die britischen Besatzungsbehörden in das Lager Esterwegen gebracht. Damit wurde Schäfer zum Internierten in seinem ehemals „eigenen“ Strafgefangenenlager. Die Briten führten zwar doch kein Verfahren gegen den ehemaligen SA-Oberführer durch, aber das Landgericht Osnabrück verurteilte ihn 1950 wegen Körperverletzung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu vier Jahren Haft. Verfahren und Urteile gegen nicht wenige seiner Wachmänner folgten in den kommenden Jahren.

David Reinicke hat nun eine Studie über die Männer der „Moor-SA“ erarbeitet, deren Gewaltpraxis die Gefangenen ab 1934 in den nationalsozialistischen Strafgefangenenlagern im Emsland ausgesetzt waren. Die „Moor-SA“ entwickelte die Ansprüche, die „Erziehung“ der Strafgefangenen durchzuführen und zugleich die Region zu modernisieren. Hierzu wurden die Gefangenen in einem großangelegten Siedlungsprojekt zur Zwangsarbeit in der Moorkultivierung eingesetzt. Die gleichzeitige Inszenierung als „Gemeinschaft“ versicherte den SA-Männern, dass sie als zukünftige Siedler selbst von ihrem Einsatz profitieren würden. Als Ende der 1930er Jahre aber ein Bedeutungsverlust der „Moor-SA“ einsetzte, zerfiel auch deren Zusammenhalt.

Die Gedenkstätte Esterwegen lädt ein zur Buchvorstellung mit Autor David Reinicke am Donnerstag, 13. April 2023, um 19 Uhr, in der Gedenkstätte Esterwegen. Der Eintritt ist frei. [PM Gedenkstätte]

Gedenkstätte Esterwegen: Einladung zur Veranstaltung „1933 – Folterkeller im Wohnquartier“ – TV-Dokumentation und Dskussion

Einladung zum Film mit Diskussion am 12.03.2023 um 15 Uhr

Im Rahmen der Sonderausstellung „Auftakt des Terrors. Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus“ zeigt die Gedenkstätte Esterwegen am Sonntag, dem 12. März um 15 Uhr bei freiem Eintritt die Radio Bremen-Fernseh-Dokumentation „1933 – Folterkeller im Wohnquartier“ von 2022 und lädt ein zur anschließenden Diskussion mit der Film-Autorin Susanne Brahms und Gedenkstätten-Co-Leiter Sebastian Weitkamp. Susanne Brahms arbeitet seit 1989 als Journalistin im Bereich Fernsehen und Radio und greift dabei immer wieder historische Themen auf.

Anfang 1933: Die frisch an die Macht gekommenen Nationalsozialisten überziehen Deutschland unmittelbar mit einer beispiellosen Terrorwelle. Politische Gegnerinnen und Gegner verschwinden ohne Prozess, auf unbestimmte Zeit, in Folterkellern, die schnell zu einer frühen Form von Konzentrationslagern werden. Prominente Regimegegner wurden in den frühen KZ besonders gequält. Die TV-Dokumentation zeigt, wie Tausende solcher Terrorzentralen im ganzen Reich entstehen, oft mitten in Wohnquartieren, vor aller Augen. Die Schreie der Gefolterten wehen zu den Wohnungen der Anwohner hinüber.

Die Erinnerung an diese frühen Lager wurde nicht selten überdeckt von den Verbrechen in den riesigen Vernichtungslagern im Osten während des Zweiten Weltkriegs. Doch will man wissen, wie der Rechtstaat ausgehebelt wurde, muss die Geschichte der frühen Lager in den Fokus rücken – auch wegen der zahlreichen Opfer, die in den Lagern ihr Leben ließen oder physisch und psychisch gebrochen wurden. Die frühen Lager waren Lager der politischen Rache, ihre Zeit ging bis etwa 1935/36. Bis dahin war der Widerstand gegen die Nazis weitgehend gebrochen und der Terror suchte sich neue Opfer. [PM Gedenkstätte Esterwegen]

Sonderausstellung „Auftakt des Terrors. Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus“

Der Reichstag steht in Flammen! Fast einen Monat nach der Kanzlerschaft Adolf Hitlers brannte in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 das Reichstagsgebäude in Berlin. Obwohl die Nationalsozialisten selbst im Verdacht standen, das Feuer gelegt zu haben, machten sie die politische Opposition – vor allem die Kommunisten – dafür verantwortlich. In den folgenden Wochen kam es zu Verhaftungen von Zehntausenden Gegnerinnen und Gegnern der NSDAP. Auch im Emsland veranlasste das preußische Innenministerium ab März 1933 den Bau von Konzentrationslagern und die Zwangsarbeit der Häftlinge zur Moorkultivierung.

In Erinnerung an den Reichstagsbrand vor 90 Jahren eröffnet die Gedenkstätte Esterwegen am Dienstag, dem 28. Februar, um 18 Uhr, die Sonderausstellung „Auftakt des Terrors. Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus“. Sie beleuchtet Rolle und Funktion der frühen Konzentrationslager als zentrales Terrorinstrument zur Zerstörung der Demokratie und zum Aufbau der NS-Diktatur. [Landkreis Emsland]

Lesung in Gedenkstätte Esterwegen über die „Tänzerin von Auschwitz“

Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2023 lädt die Gedenkstätte Esterwegen, Hinterm Busch 1, in Esterwegen zu einem Vortrag ein. Der Niederländer Paul Glaser, Autor des Buchs über seine Tante Roosje "Die Tänzerin von Auschwitz: Die Geschichte einer unbeugsamen Frau“, wird am Sonntag, 29. Januar, ab 15 Uhr in der Gedenkstätte (Seminarraum 2), über seine Veröffentlichung sprechen.

Während eines Besuchs in der Gedenkstätte Auschwitz entdeckte Glaser in einer Vitrine einen Koffer mit seinem Familiennamen. Für ihn ist dies der Augenblick, ein Familiengeheimnis zu enthüllen; das verschwiegene Schicksal seiner jüdischen Tante Roosje. Er schreibt ein Buch und beginnt, in Vorträgen die Geschichte zu erzählen.

Die temperamentvolle und emanzipierte Tänzerin Roosje Glaser musste ihren Lebensmut im Zweiten Weltkrieg gegen den nationalsozialistischen Terror verteidigen. Sie wurde in den deutsch besetzten Niederlanden das Opfer des Verrats ihres eigenen Mannes.

Das Buch entstand aus Roosjes Tagebüchern, Briefen und Fotos, Gesprächen und Recherchen in niederländischen Archiven. Die Teilnahme an der Lesung ist kostenfrei. Eine Einführung zu Roosje Glaser und dem Buch von Paul Glaser gibt dieses kurze Video auf Youtube: http://youtu.be/RCma2kvAjbk . Das Buch ist in der Gedenkstätte Esterwegen erhältlich. [Landkreis Emsland]

Neue Info-Tafeln auf der Begräbnisstätte Esterwegen; von Renovierung noch nichts zu sehen

Neue Infotafeln auf der Begräbnisstätte Esterwegen

Auf der Begräbnisstätte in Esterwegen wurden von den Rotary Clubs aus Brake-Unterweser und dem niederländischen Groningen gemeinsam mit dem Team der Gedenkstätte Esterwegen zwischen Zuwegung vom Parkplatz und dem Haupttor Infotafeln aufgestellt. Das Projekt sollte „den Toten einen Namen geben“.

Diese Infotafeln stellen neben einem Kurzabriss der Geschichte des Emslandlagers auch die Geschichte der Begräbnisstätte dar, die ja in der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre davon geprägt war, die Verbrechen in den Emslandlagern zu bagetellisieren und die Fiktion eines normalen Strafvollzugs zu beschwören. Die Gedenkstätte Esterwegen hat zuletzt am 20.09.2022 mit einem Vortrag von Dr. Ann Katrin Düben an diese Form der Erinnerungskultur erinnert.

Auf dem Lagerfriedhof Börgermoor, der heutigen Begräbnisstätte Esterwegen/Bockhorst, wurden die Verstorbenen der Konzentrationslager Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum und die Toten aller Strafgefangenenlager im Emsland beerdigt. Die Gräberliste gilt als verschollen, aber 813 der 1343 Einzelgräbern können aufgrund der Recherchearbeit der ehrenamtlichen Helfer noch Namen zugeordnet werden. Diese Namen sind seit 2018 in einem Online-Gedenkbuch der Gedenkstätte Esterwegen öffentlich zugänglich.

Schotter auf Parkplatz der Begräbnisstätte Esterwegen
Versammlungsplatz auf der Begräbnisstätte Esterwegen

Die übrigen Arbeiten am Versammlungsplatz und der vorgesehenen Rekonstruktion des Begräbnisplatzes sind noch nicht weiter gekommen.. Das Niedersächsische Innenministerium hatte erklärt, die Arbeiten in diesem Jahr anzugehen. Es sieht aber nicht so aus, dass dort etwas passiert. Aktuell liegt auf dem Versammlungsplatz und auf dem Parkplatz noch Schotter; Baufahrzeuge waren nicht vor Ort. [HM/jdm]

Die Emslandlager in den Erinnerungskulturen – Vortrag von Dr. Ann Katrin Düben in Gedenkstätte Esterwegen

Kriegsgräberstätte Dalum 1953 - Die Natur sollte die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsopfer verdecken
1953 sollte die Natur die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsopfer verdecken

In den Kriegsgefangenenlagern im Emsland und der Grafschaft Bentheim starben im Zweiten Weltkrieg über 20.000 sowjetische Soldaten an den unmenschlichen Bedingungen der Gefangenschaft. Sie kamen aus Russland, der Ukraine, dem Kaukasus und vielen anderen Teilrepubliken der damaligen Sowjetunion. Ihre Leichname wurden in der Nähe der Lager auf Friedhöfen bestattet, die heute als Kriegsgräberstätten erhalten werden. Insgesamt gibt es sieben von ihnen im Emsland und der Grafschaft Bentheim.

In der Nachkriegszeit geriet diese Opfergruppe durch den Ost-West-Konflikt lange Zeit in Vergessenheit und die Erinnerung sowie Gestaltung der ehemaligen Lagerfriedhöfe durchlief unterschiedliche Phasen von Verdrängung und Aufarbeitung. Darüber berichtet am Dienstag, 20. September, um 18.30 Uhr, Dr. Ann Katrin Düben in der Gedenkstätte Esterwegen (Seminarraum 2). Der Eintritt ist frei.

Düben ist sie Leiterin der Gedenkstätte Breitenau. Im Frühjahr 2022 erschien beim Verlag Vandenhoek & Ruprecht ihre Studie „Die Emslandlager in den Erinnerungskulturen 1945 – 2011". [Landkreis Emsland]

Sonderausstellung „Dimensionen eines Verbrechens. Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg“

Am 22. Juni 1941 überfällt das Deutsche Reich die Sowjetunion. Bis Kriegsende nimmt die Wehrmacht etwa 5,7 Millionen Angehörige der Roten Armee gefangen, mehr als drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene kommen um.

Die zweisprachige Ausstellung des Museums Berlin-Karlshorst gastiert in der Gedenkstätte Esterwegen und will die Geschichte der sowjetischen Kriegsgefangenen einem breiten Publikum nahebringen. Die Wanderausstellung unter dem Titel „Dimensionen eines Verbrechens. Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg“ wird am Sonntag, 26. Juni, eröffnet und ist zu sehen bis zum 14. Dezember. Mehr dazu hier auf der Homepage der Gedenkstätte. [Landkreis Emsland]

Andrea Röpke auf Gedenkkundgebung Esterwegen: Vieles ist sagbar geworden, was früher nicht denkbar war.

Die Organisatoren der Kundgebung, links der Redner Jörg Meinke

Am 7. Mai wurde in der diesjährigen Feierstunde auf der Begräbnisstätte des ehemaligen KZ Esterwegen der Befreiung vom Faschismus vor 77 Jahren gedacht.

Als Vertreter der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) begrüßte Jörg Meinke die Bürgermeister der Gemeinde Esterwegen und der Samtgemeinde Nordhümmling, sowie die ca. 150 Versammelten. Er erinnerte an den Schwur von Buchenwald: „Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“ Nun müsse entsetzt festgestellt werden, dass mit dem Krieg in der Ukraine bewaffnete Auseinandersetzungen wieder in Europa traurige Realität seien. Und er frage sich: „Haben wir genug getan, um diesen Krieg zu verhindern?“ Es sei notwendig, jetzt nicht zu resignieren und sich nicht der allgemeinen Kriegshetze zu ergeben. Deutsche Außenpolitik werde zunehmend aggressiver, beginnend mit Boykottmaßnahmen. Alle bisherigen Grundsätze diplomatischen Handelns würden über den Haufen geworfen. Stattdessen: Immer mehr Waffen, immer mehr Tote. Krieg löse keine Probleme, wie am Beispiel Afghanistans deutlich zu sehen sei. Daher müsse jetzt gelten: Die Waffen nieder! Schluss mit der militärischen Eskalation!

Zum Abschluss seiner Rede verlas er Brechts Rede von 1952 „Für den Frieden“.

„Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Die Beschreibungen, die der New Yorker von den Gräueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig. Der Hamburger ist noch umringt von den Ruinen, und doch zögert er, die Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht nass, sagen viele.

Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute wie Tote vor, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, sowenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."

Als zweite Rednerin trat Andrea Röpke auf, eine deutsche Diplom-Politologin und mehrfach ausgezeichnete freie Journalistin mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus. In verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zur rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund war sie als Sachverständige geladen. Sie erinnerte an die Millionen Opfer des Eroberungskrieges und rassistischen Vernichtungskrieges Nazideutschlands, davon allein im Emsland ca. 30 000 Menschen.

Viel zu wenige Deutsche hätten die nötige Zivilcourage, um sich dem Nationalsozialismus entgegen zu stellen. Aber es hat sie gegeben, und vor diesen mutigen Menschen könne man sich nur verneigen. Es dauerte 40 Jahre, bis der Begriff „Befreiung“ für das Ende der Naziherrschaft und damit das Ende des Zweiten Weltkriegs allgemein in Deutschland Einzug hielt, nämlich mit der öffentlichen Erklärung des damaligen Bundespräsidenten von Weizsäcker: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung“.

Inzwischen wird seitens ultrarechter und faschistischer Gruppierungen alles getan, um in einem von rechts dominierten Kulturkampf die Shoah zu relativieren. Mit der AfD sitzt eine faschistische Partei im Bundestag. AfD-Mitglied Björn Höcke fordert eine 180-Grad-Wende bei der Beurteilung des Nationalsozialismus und warnt öffentlich vor einer „Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung“. Diese Kampfrhetorik, die im Übrigen mit Aufrufen zu echter Männlichkeit, was immer das sein möge, unterfüttert werde, sei leider sehr ernst zu nehmen. Björn Höcke stehe nicht alleine da. Er werde unterstützt von diversen rechtsextremen Organisationen mit hohem akademischem Anteil, die hierzulande die Meinungshoheit wieder erlangen wollten. Ziel: Deutschland als heldenhaftes Land deutscher Elite.

Umso gefährlicher werde es, wenn jetzt die alten Widerstandskämpfer*innen wegsterben.

Vieles sei inzwischen sagbar geworden in Bundeswehr und Polizei, was früher nicht denkbar war. Das rechtsextreme Blatt „Compact“ kann an jedem Kiosk gekauft werden mit Slogans wie: „Das Reich wird Pop.“ Und bei den sogenannten „Querdenkern“ wird ganz selbstverständlich die Reichskriegsflagge geschwenkt. Der Ruf „Wir sind das Volk“ sei vor diesem Hintergrund nicht nur Selbstermächtigung, sondern Selbstanmaßung.

Andrea Röpke berichtete dann über die lange und noch immer im nationalistischen Sinne tätige Traditionslinie rechter Überzeugungen über die „Stille Hilfe“ (für Nazitäter), die in Wilhelmshaven gegründete „Wikingjugend“, nach dessen Verbot die „Heimattreue deutsche Jugend“, kurz: „HDJ“ mit ihren Mut- und Messerproben und weiteren Kampfes-Ertüchtigungen. Aus diesen und weiteren Jugendverbänden seien heutige rechte Eliten hervorgegangen, die den gesamten Erinnerungsdiskurs im nationalistischen Sinne umkehren wollten.

Sticker mit der Rednerliste

Eine vom Soziologen Wilhelm Heitmeyer so genannte „Rohe Bürgerlichkeit“ gewinnt nach Ansicht Frau Röpkes Bedeutung und Brisanz, insbesondere, wenn Konkurrenz groß und Solidarität klein geschrieben wird. Dies führt zur Schwächung der Demokratie und sozialen Schwächung der Bevölkerung vor dem Hintergrund der Ökonomisierung der gesamten Gesellschaft.

Die „Desiderius-Erasmus-Stiftung“, die im Jahre 2017 von der AfD gegründet wurde und von Erika Steinbach, (seit kurzem AfD-Mitglied, zuvor lange CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des „Bund der Vertriebenen“) geleitet, dient der politischen Bildung, Forschung und Beeinflussung im Sinne rechtsextremer Ideologie, ein wichtiger Beitrag nazistischer Elitenbildung.

In diesem Zusammenhang fordert Andrea Röpke ein tragfähiges Stiftungsgesetz, das die weitere staatliche Förderung dieser demokratiefeindlichen Organisation in Millionenhöhe unterbindet.

Weitere Rednerinnen waren Margot Nohr, Tochter des ehemaligen KZ-Häftlings Adolf Härtl, und Martine Letterie, Präsidentin der Amicale Internationale KZ Neuengamme. Nohr berichtete von Ihrem Vater, der als armes Halbwaisenkind auf einem Bauernhof in einem kleinen niederländischen Dorf das harte Dasein eines schon als Schulkind ausgebeuteten Knechtes erlebte, im ersten Weltkrieg zur niederländischen Armee eingezogen wurde, ins Ruhrgebiet auswanderte und schließlich als Gewerkschafter und Kommunist von den Nazis eingekerkert wurde.

Martine Letterie berichtete von ihrem Opa, der in den Niederlanden in verschiedenen sozialistischen Organisationen aktiv war und 1941 am Februarstreik beteiligt war, dem einzigen Streik im besetzten Europa gegen die Judenverfolgung. Nach dem Einfall Nazi-Deutschlands in die Sowjetunion nahmen die Nazis in den Niederlanden Kommunisten und Sozialisten fest und konnten dabei auf die Listen des damaligen niederländischen "Verfassungsschutzes" zurückgreifen.

Hervorzuheben ist, last, but not least, der Chor “Kanaljerood” aus Hengelo, der die Veranstaltung sehr beeindruckend mit antifaschistischen Liedern bereicherte. [Maria Deters/Fotos HM]

Gedenkstätte Esterwegen: #StolenMemory zeigt letzten Besitz von KZ-Häftlingen

Die Arolsen Archives und die Gedenkstätte Esterwegen eröffnen am Donnerstag, 28. April, um 16 Uhr in Esterwegen die Open-Air Wanderausstellung #StolenMemory, die in einem aufklappbaren Übersee-Container letzte Besitztümer von Inhaftierten der Konzentrationslager in den Mittelpunkt rückt. „Die Gedenkstätte Esterwegen ist ein europäischer Gedenkort, der an diese 15 nationalsozialistischen Emslandlager und ihre Opfer erinnert.

Vor diesem historischen Hintergrund war es uns besonders wichtig, die #StolenMemory-Ausstellung nun auch hier in Esterwegen zeigen zu können“, betont Landrat Marc-André Burgdorf, zugleich Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen. Die Ausstellung wird bis zum 17. Mai während der Öffnungszeiten (dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr) zu sehen sein. Weitere Informationen sind im Internet unter #StolenMemory: https://stolenmemory.org zu finden. [Landkreis Emsland]

Gedenkstätte Esterwegen wieder geöffnet

Einzelbesucherinnen und -besucher sowie Familien (maximal 5 Personen aus zwei Haushalten; Kinder unter 14 Jahren nicht mitgezählt) können die Gedenkstätte Esterwegen ab sofort wieder besuchen. Eine telefonische Anmeldung ist notwendig, da neben Hygiene- und Abstandsregelungen auch nur eine beschränkte Personenzahl zur gleichen Zeit die Ausstellung besuchen kann.  Während der üblichen Öffnungszeiten ist die Gedenkstätte dafür unter den Telefonnummern 05955/988950 bzw. 05955/9879323 zu erreichen. [Landkreis Emsland]

„Luxemburg im Zweiten Weltkrieg“ – Sonderausstellung in der Gedenkstätte Esterwegen

Eine Wanderausstellung mit dem Titel „Luxemburg im Zweiten Weltkrieg: Zwangsrekrutierung – Streik – Umsiedlung“ ist nun in der Gedenkstätte Esterwegen anlässlich des 80. Jahrestages des Kriegsbeginns 1939 eröffnet worden. Für die Station in Esterwegen wurde die luxemburgische Ausstellung eigens um neue Inhalte über die Zwangsrekrutierten in den „Emslandlagern“ erweitert. Die Ausstellung ist bis zum 9. Februar 2020 in der Gedenkstätte Esterwegen zu sehen, der Eintritt ist frei. Mehr ... [Landkreis Emsland]