Die Gedenkstätte Esterwegen lädt zu den Einweihungen von "Geschichts- und Erinnerungstafeln" in Geeste und Großringe/Neugnadenfeld ein.
Seit Beginn des Schuljahres 2024/25 beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums an der Vechte in Emlichheim intensiv mit der Geschichte der Emslandlager und konkret dem Lager XV Alexisdorf sowie der Kriegsgräberstätte Großringe/Neugnadenfeld. Während eines Schulprojektes recherchierten sie u.a. zu den historischen Hintergründen und Einzelschicksalen der NS-Opfer, welche ab 1942 auf dem historischen Lagerfriedhof bestattet wurden.
Sie erstellten Informationstafeln, die an die Geschichte der Emslandlager und die Auswirkungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim erinnern.
Die Einweihung auf der Kriegsgräberstätte Großringe/Neugnadenfeld (Sportplatzweg, 49824 Ringe).findet am 20. Mai 2025, 14:00 Uhr, statt.
Auch Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule in Geeste beschäftigten sich seit Beginn des Schuljahres 2024/25 intensiv mit der Geschichte der Emslandlager und konkret dem Lager XII Dalum sowie der Kriegsgräberstätte Dalum. Während eines Schulprojektes recherchierten sie u.a. zu den historischen Hintergründen und Einzelschicksalen der NS-Opfer, welche ab 1941 auf dem historischen Lagerfriedhof bestattet wurden. Die Neubeschilderung vermittelt Besucherinnen und Besuchern zusätzliche Informationen zu der Geschichte des historischen Ortes und etabliert die Kriegsgräberstätte als außerschulischen Lernort.
Die Einweihung auf der Kriegsgräberstätte Dalum (Rull 32, 49744 Geeste) findet am 21. Mai 2025, 14:00 Uhr, statt.[PMGedenkstätte Esterwegen]
Lager II (Aschendorfermoor) Der rote Standortpfeil zeigt den Standort Oldenburger Straße
Im April 1945 befreiten britische, kanadische und polnische Einheiten u.a. mehrere Kriegsgefangenenlager in der Grafschaft Bentheim und im Emsland. Sowohl die Soldaten wie auch die Kriegsgefangenen dokumentierten die letzten Kriegstage und die ersten Tage und Wochen in Freiheit, sei es in Tagebüchern, filmisch oder in späteren Erinnerungsberichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Während andere Lager aufgelöst und die Gefangenen auf Märsche geschickt wurden, übernahm im Strafgefangenenlager Aschendorfermoor der angebliche Hauptmann Willi Herold das Kommando und richtete in den letzten Kriegstagen ein Massaker an.
In einer Veranstaltung der VHS Papenburg in Kooperation mit Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager berichtet Kurt Buck in einem Vortrag über die Zeit "Vor 80 Jahren - März/April 1945: Räumung, Befreiung und Massenmord - Das Ende der Emslandlager".
Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 6. März 2025, um 19:30 Uhr in der Volkshochschule Papenburg, Hauptkanal rechts 72, 26871 Papenburg, Raum V 1.06, Saal (barrierefrei), statt.
Um Anmeldung wird gebeten unter 04961/9223-17. Den Betrag von 10 EURO zahlen Sie bitte an der Eintrittskasse, die um 19 Uhr öffnet. [jdm/Grafik: lizenzfrei]
Insbesondere präzisiert er die Erkenntnisse der Autoren zu den im Artikel erwähnten Erschießungsanlagen, sowie zu dem Weg, den die kanadischen Panzer bei der Befreiung von Meppen nahmen. Hier seine Anmerkungen:
1. Erschießungsanlagen in Fullen, Versen, Wesuwe-Siedlung Wir sind einem Hinweis eines italienischen Internierten gefolgt, der dies als Amphitheater beschreibt und als solches auch den Fullener Zeitzeugen bekannt geworden ist. Eher ein Zufall ist es, dass wir eine ähnliche Anlage direkt neben dem Lagerfriedhof in Wesuwe-Siedlung fanden. Zwar findet sich auf S. 58 im Buch "Schüsse in der Stille" eine Beobachtung meiner Mutter. Aber wo diese Stelle war, dass habe ich erst vor kurzem durch ein Vorstandsmitglied des Versener Reitervereins gesagt bekommen. Man muss sich diese Anlage unter einem halbrunden ca. 15 m im Durchmesser angelegten ca. 2 m hohen Sandwall vorstellen. Seine Funktion war zum einen der Kugelfang und zum anderen ein Schalldämpfer im sonst der so ebenen baumlosen Heide- und Moorlandschaft. Seine Einsatzzeit ist wohl begrenzt auf den Zeitraum von Ende 1941 - Anfang 1942, als nach dem Überfall auf die Sowjetunion eine so große Menge an Kriegsgefangenen hier ankam, dass die Selektion nach besonders "unwertem Leben" (z. B. jüdische Soldaten, Politkommissare) nicht mehr direkt hinter der Front, sondern u. a. in den Emslandlagern stattfand. Eine weitere Untersuchung (z.B. Kugeln im Sandwall als Beleg der Anwendung) darf nur von damit beauftragten, speziell ausgebildeten Sondengängern durchgeführt werden.
2. Details zur Route der kanadischen Alliierten Durch die Sichtung der Details ist es uns gelungen den Weg der kanadischen Panzerkolonne zu beschreiben. Sie sind über Twist, Schöninghsdorf, Tuntel, Groß Fullen über die Sommerfeldstraße nach Meppen-Esterfeld gefahren. (nicht über das ca. 3 km vom Tuntel entfernte Dorf Versen). Aufgrund der wiedererkannten Estermühle in einer Szene kann nun auch die doppelte Anlage von Schützengräben in der Esterfelder Flutmulde näher analysiert werden. Denn bislang war lediglich bekannt, dass der Meppener Bevölkerung im Winter 1945 - 46 erlaubt wurde, das Holz aus den Schützengräben zu holen, um es zum Heizen zu verfeuern.
3. Umfangreiches Feedback Neben verschiedenen Terminen freuen wir uns besonders über den Besuch von sechs Nachkommen ehemaliger KZ-Häftlinge aus dem Lager Versen. Sicherlich wird ein Höhepunkt die gemeinsame Gestaltung einer Gedenkfeier am 14.3. um 14 Uhr auf dem Lagerfriedhof Versen sein? Dort erwartet unsere Gäste eine besondere Überraschung. Ich habe einen ca. 100seitigen Bericht eines dänischen KZ-Häftlings aus dem Lager Versen ins Deutsche übersetzt. Da ich die Gegend schon aus meiner Kindheit her kenne, konnte ich seine geografischen Hinweise über die Stätten der Zwangsarbeit gut einordnen. Dazu werden Bilder/Aquarelle, die die Arbeit am Friesenwall und das Lagerleben integriert und in gebundener Formen den Dänen übergeben. Es ist ein besonders wertvolles Zeugnis, weil der Verfasser darin passende Worte findet und auch die Schockstarre nach der Inhaftierung im Lager Neuengamme, die Brutalität der Nazis und den täglichen Überlebenskampf schildert. Wir meinen, dass dies auch den Deutschen bei der Suche auf die Frage, warum unsere Eltern und Großeltern dazu fast nichts unternommen haben, sehr viele Antworten liefert.
Es ist wohl ein sehr ambitioniertes Ziel ein Folgebuch noch in diesem Jahr heraus bringen zu wollen. Stoff dafür ist aber schon jetzt vorhanden durch die übergroße Unterstützung, die wir durch das immer größere Netzwerk erfahren. [Günter Kathmann]
v. l. Hermann Krüssel, Moderatorin Margret Koers, Günter Kathmann
Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, dem 27. Januar, stellten Hermann Krüssel und Günter Kathmann im Heimathaus Twist ihr Buch „Dät wuss du nich wäten! – Oder doch?“ vor. Laut Untertitel geht es um die Lager und Friedhöfe von Fullen und Versen, sowie um ein Plädoyer für eine Erinnerungskultur.
Die Erinnerung an die Emslandlager fokussiert sich stark auf die Lager in den Orten Börgermoor und Esterwegen, sowie auf den KZ-Friedhof in Bockhorst an der B401. Das hat historische Gründe: in Börgermoor entstand das Moorsoldatenlied, das Buch „Die Hölle im Moor“ berichtete schon 1936 über Börgermoor und das KZ Esterwegen wurde durch seinen Insassen Carl von Ossietzky bekannt. In Papenburg entstand das Dokumentations- und Informationszentrum und in Esterwegen die Gedenkstätte Esterwegen.
Die Rolle der anderen 13 Lager im Emsland ist den meisten Menschen nicht klar. Das liegt zum Teil daran, dass diese im Laufe der Nazi-Herrschaft immer mal wieder ihre Funktion wechselten. Mal waren sie Strafanstalten der Justiz, in die die Gestapo und die Gerichte die Opfer des Faschismus schickten, mal waren sie Kriegsgefangenenlager, mal waren sie Arbeitslager.
Aber zum Teil ist das Unwissen auch das erfolgreiche Ergebnis von gezielten Versuchen in der Nachkriegszeit, die Untaten in diesen Lagern vergessen zu machen. Vom Lager Fullen ist heute nichts mehr zu sehen und auf dem Lagerfriedhof in Fullen ist kaum etwas davon zu bemerken, dass hier 136 namentlich bekannte und ca. 1.500 unbekannte sowjetische Kriegsgefangene sowie ein unbekannter Albaner bestattet liegen. Eine Rasenfläche mit einzelnen Grabsteinen erinnert eher an einen aufgelassenen Friedhof in einer beliebigen Stadt, der jetzt als Park dient. Eine ähnliche Anmutung gibt es auf dem Lagerfriedhof Versen. Auf dem ehemaligen Lagergelände existiert heute die JVA, was allein schon den Kurzschluss zulässt, dass das vorher bestehende Emslandlager in Versen wohl auch der Rechtspflege diente.
Für Krüssel als gebürtigen Fullener und Kathmann als Versener auf dem Tuntel, also in unmittelbarer Nähe geboren, ist diese Situation so nicht hinnehmbar. Für Kathmanns Beschäftigung mit dem Naziregime war der Wuppertaler Auschwitzprozess gegen Gottfried Weise wohl eine Art Initialzündung. Kathmann berichtete, wie er den Prozess Mitte der 1980er Jahre beobachtet habe. Bewegt erinnerte sich Kathmann in Twist an die im Prozess genannten Greuel des SS-Aufsehers, der als Wilhelm Tell von Auschwitz bekannt war. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte einen Prozess gegen Weise jahrelang vereitelt bis sich ein junger Staatsanwalt doch der Sache annahm. Weise sei zwar zu lebenslänglich verurteilt worden, habe sich aber durch Flucht und den Beschluss des damaligen nordrhein-westfälischen Innenministers Franz-Josef Kniola auf Haftverschonung aus gesundheitlichen Gründen der Strafe entziehen können. Für ihn sei ein solches Umgehen mit den Verbrechen der Nazis nicht hinnehmbar.
Hermann Krüssel führte die Beschäftigung mit der Geschichte der beiden Lager in seiner Heimat zur Beschäftigung mit den Zeugnissen der internierten italienischen Soldaten. Auf dem Lagerfriedhof Fullen waren vor ihrer Umbettung ursprünglich 751 italienische Militärinternierte bestattet.
Das Buch stützt sich vor allem auf die Tagebücher und Berichte der Italiener. Aber auch Berichte der anderen Opfergruppen werden von Krüssel auf Bezüge zu Fullen und Versen hin ausgewertet. Deshalb besteht das Buch zum großen Teil aus der Darstellung des Aufenthaltes dieser Menschen in den Lagern. Dann wieder wird der Blick angehoben und es folgen Berichte darüber, wie und warum die Opfer in die Fänge der Nazis gerieten, z. B. als der deutsche Militärkommandeur in den Niederlanden nach einem Attentat in Putten auf ein Wehrmachtsauto alle 900 männlichen Bewohner in das KZ Neuengamme deportieren und das Dorf abbrennen ließ.
Das erklärte Ziel des Buches ist es, auch eine Außensicht der Lager durch die Bewohner der Umgebung darzustellen. Dass ist aber nur teilweise gelungen und kann auch kaum noch gelingen, weil Zeitzeugen in der Regel höchstens Kindheitserinnerungen beitragen können oder als Zweitzeugen von Berichten der Älteren dienen können. Dokumente aus der Zeit gibt es kaum. Es wurde weder innerhalb noch außerhalb der Lager fotografiert. Und bei den Berichten der Erstzeugen aus zweiter Hand ist neben einer Ungenauigkeit der Erinnerung auch zu berücksichtigen, wie Verschweigen und Selbstrechtfertigung die Berichte beeinflusst haben.
Kathmann beschrieb, dass es außerhalb der Lager wohl Exekutionsplätze gegeben habe. Es gibt aber nur Andeutungen darüber, z. B. dass von dort Schüsse zu hören gewesen seien oder in den Erinnerungen der internierten Italiener über die im Lager umlaufenden Gerüchte. Kathmann fand eine Beschreibung eines solchen Exekutionsplatzes in einem anderen KZ und daraufhin „wenn der Blick einmal geschärft ist“ im Eingangsbereich der Friedhöfe halbkreisförmige Wälle, die den genannten Beschreibungen ähnelten. Beweise gibt es nicht.
Bei der Darstellung der verhinderten Lynchjustiz an den Lagerleiter in Fullen, Feldwebel Gehring, fällt es schwer, Krüssels in Twist geäußerte Bewertung zu glauben, Gehring sei zwar Täter, aber auch ein Opfer der Nazis gewesen, weil er ja keinen anderen Job gefunden habe. Hier führte Krüssel als Beleg eine Aussage der Tochter des Lagerleiters an.
In den letzten Kriegstagen gab es Angriffe auf die vorrückenden kanadischen und britischen Panzer, die von diesen dann mit Beschuss der Dörfer beantwortet wurden. Solches geschah auch in Versen. Es werde allgemein behauptet, dass diese deutschen Angriffe von SS-Leuten zu verantworten seien. Kathmann glaubt aber Beweise gefunden zu haben, dass es sich um Wehrmachtsangehörige gehandelt habe und dass die Geschichte von den SS-Angriffen der Entlastung der Wehrmacht dienen solle.
Insgesamt ist das Buch ein Lesebuch über die beiden Lager mit vielen Beschreibungen von Einzelschicksalen und Begebenheiten. Es ist zu würdigen, dass sehr viel Recherche-Arbeit in dem Buch steckt und es besonders schwierig ist, angesichts der dürftigen Quellenlage eine stringente Darstellung zu erstellen. Die Autoren haben mit vielen Zweitzeugen Kontakte gehalten und gesprochen, um nicht nur die verstreut verschriftlichten Erinnerungen zusammenzuführen, sondern auch besser einordnen zu können. Gerade durch diese Struktur wird deutlich, dass es eine Geschichte der Opfer ist, die kaum einer kennt. Die Geschichte der Täter ist hinlänglich dokumentiert.
Die Autoren haben angedeutet, dass sie bei dieser Arbeit so viel Material gefunden haben und für sie Neues entdeckt haben, dass sie schon ein weiteres Buch vorbereiten. Darauf darf man durchaus gespannt sein. [jdm]
Die heutige Eröffnung der Sonderausstellung „Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas 1933 – 1945“ in der Gedenkstätte Esterwegen traf auf so viel interessiertes Publikum, dass die Veranstaltung aus Platzgründen im Anschluss gleich in einer zweiten Schicht erneut stattfand.
Dr. Sebastian Weitkamp
Co-Gedenkstättenleiter Dr. Sebastian Weitkamp stellte den Bezug der Ausstellung zu den Opfern in den Emslandlagern her. Die Gedenkstätte widme die Veranstaltung zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, der morgen stattfindet, jeweils einer Opfergruppe. In diesem Jahr stelle man mit der Sonderausstellung die Verfolgung und den Widerstand der Zeugen Jehovas in den Mittelpunkt. Weitkamp stellte das Schicksal der Familie Dickmann aus Dinslaken vor. Heinrich Dickmann wurde bereits im Juni 1935 wegen der Verweigerung des Hiltlergrußes verhaftet, zwei Wochen später wurde sein Bruder Friedrich wegen der Werbung für die Zeugen Jehovas verhaftet und zu 4 Monaten Haft verurteilt. Ein Mithäftling berichtete, wie Friedrich in Esterwegen mit Schlägen misshandelt wurde und sein Kopf mit dem Kopf eines anderen Häftlings zusammen geschlagen wurde. Ein Wärter habe es bei seinen Quälereien besonders auf Juden und Zeugen Jehovas abgesehen.
Der jüngere Bruder August Dickmann schließlich sei wegen Kriegsdienstverweigerung in das KZ Sachsenhausen gekommen. Heinrich Dickmann war schließlich über eine Internierung im KZ-Lager Walchum im KZ Sachsenhausen gelandet, wo er im September 1939 die Hinrichtung seines Bruders August mitansehen musste. Heinrichs Frau Änne Dickmann war für ihre religiöse Überzeugung fast acht Jahre im Konzentrationslager inhaftiert, von Oktober 1937 bis zum Februar 1938 war sie im Frauen-KZ Moringen.
Michael Tsifidaris
Der Sprecher der Zeugen Jehovas in Norddeutschland, Michael Tsifidaris, stellte in seiner Rede darauf ab, dass die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten ohne ethnische, politische, religiöse oder soziale Grenzen schon die ersten Christen zur Ablehnung jeder kriegerischen Gewalt geführt habe. Schon in der Römerzeit hätten sich die Christen in politischen Konflikten neutral verhalten. Sie seien aufgefallen, weil sie dem Kaiser nicht dienen wollten.
Das sei auch ein Wesensmerkmal der Zeugen Jehovas, die sich in Deutschland seit 1897 als Zeugen dem Urchristentum verpflichtet fühlten. Sie hätten den Hitlergruß abgelehnt, seien keine Parteimitglieder geworden, hätten sich gegen den Antisemitismus der Nazis gestellt und den Militärdienst verweigert. Die evangelische und die katholische Kirche hätten schon in der Weimarer Zeit das Verbot der Zeugen Jehovas gefordert, das dann die Nazis beschlossen hätten.
Auch heute würden die Zeugen noch verfolgt. In Russland sei ihre Organisation seit 2017 wieder verboten. In Deutschland werde sie als Sekte diffamiert, obwohl es sich bei ihrer Organisation wie bei den großen Kirchen um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele. Aber der Deutsche Bundestag habe sich im vergangenen Jahr für die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der Nazizeit entschuldigt und beschlossen, den Opfern in Berlin ein zentrales Denkmal zu widmen.
Christoph Wilker
Christoph Wilker, der Autor und Kurator der Ausstellung, berichtete, dass es 1933 in Deutschland etwa 25.000 Zeugen Jehovas gegeben habe. Sie wurden noch als Bibelforscher bezeichnet -.eine Selbstbezeichnung, die 1931 von ihnen geändert wurde. 10700 Zeugen erlitten Verfolgung, 8800 wurden inhaftiert, 1149 wurden ermordet.
Diese kleine Gemeinschaft habe aber mit ihren Flugblattaktionen in den Jahren 1936 und 1937 „Propagandacoups, wie sie in diesem Umfang keine andere illegale Gruppe zustande brachte“, gelandet. Die Zeugen seien verfolgt worden, aber sie hätten auch Widerstand geleistet.
Wilker zählte fünf Konfliktbereiche mit den Nazis auf:
seien sie allein wegen der Missionstätigkeit verfolgt worden
habe ihr offener und Aufsehen erregender Widerstand zu Verhaftungswellen geführt
sei der Führerkult abgelehnt worden, der sich durch den Deutschen Gruß oder Ergebenheitsadressen an Hitler manifestierte
wurde die Verweigerung des Kriegsdienstes hart bestraft. Die weit überwiegende Mehrzahl der Todesurteile gegen Kriegsdienstverweigerer betraf Zeugen Jehovas.
Die Ablehnung des Antisemitismus war nicht nur ein mutiges Bekenntnis, sondern wurde auch praktisch umgesetzt beim Schutz einzelner verfolgter Juden und als Thema und Anklage in der Öffentlichkeitsarbeit der Zeugen Jehovas.
Wilker zitierte Thomas Mann, der 1938 im Schweizer Exil über ein dort von Jehovas Zeugen über deren NS-Verfolgung herausgegebenes Buch schrieb: „Die Sprache versagt längst vor dem Gesinnungsabgrund, der sich in diesen Blättern auftut, welche von den entsetzlichen Leiden unschuldiger und ihrem Glauben mit Festigkeit anhangender Menschen berichten. […] mir scheint, einen stärkeren Appell an das Weltgewissen kann es nicht geben“
Schon 1934 schrieben aus allen Ortsgruppen Deutschlands Mitglieder insgesamt 1000 Briefe an Adolf Hitler, in denen sie die Verfolgung der Zeugen anklagten. Wilker bezeichnete diese Aktion als einen Akt kompromissloser Selbstbehauptung, der eine Verhaftungswelle auslöste.
Mit der Flugblattaktion vom 12.12.1936 protestierten die Zeugen Jehovas erneut gegen ihre Verfolgung und erklärten, sie würden sich nicht an das Verbot ihrer Organisation halten. Der Inhalt des Flugblattes war als „Resolution“ bei einem Kongress in Luzern verabschiedet worden. Martin Pötzinger gehörte zu den Organisator*innen für die Verbreitung in München. In seiner Wohnung stellte er 4000 Flugblätter her; weitere 10.000 kamen aus dem Ausland. Am 11.2.1937 wurde die Resolution in München und vielen anderen Orten im Reich nochmals verteilt.
Weil keine positive Antwort des Regimes kam, wurde am 20.6.1937 ein neues Flugblatt „Offener Brief“ mit mehr Details zur Verfolgung verteilt, obwohl inzwischen viele Zeugen Jehovas bereits inhaftiert waren. Die Münchnerin Elfriede Löhr organisierte die Aktion für ganz Bayern und betraute Anna Gerig mit der Koordination für München.
Wilker zog aus dieser Geschichte der Zeugen Jehovas den Schluss, dass es möglich war „Nein“ zu sagen und dass dies auch lohnenswert sei, wenn man nicht auf der Seite der Täter landen wolle.
Die Ausstellung zeigt mit vielen historischen Dokumenten die Entwicklung der Verfolgung und des Widerstands und stellt exemplarisch das Schicksal einzelner Personen und Familien vor. Sie ist noch bis 22. April 2025 zu sehen. Der Eintritt ist frei. [jdm]
Hermann Krüssel und Günter Kathmann haben zu den Emsland-Lagern in Versen und Fullen, sowie den KZ-Friedhöfen, recherchiert. Die Autoren stammen aus Versen und Fullen. In einer Arbeitsteilung versucht Krüssel in dem Buch darzustellen, wie die Internierten das Lagerleben erlebten und Kathmann nähert sich der Frage, welche Erinnerungen die Bewohner des Emslandes weitergegeben haben.
Am Montag, den 27. Januar 2025 um 19.00 Uhr findet im Heimathaus Twist, Flensbergstr. 11, Twist eine Lesung aus ihrem Buch „Dät wuss du nich wääten!“ statt. Anmeldung bei der Gemeinde Twist, Mario Korte: korte@twist-emsland.de oder 05936-933084 ist erwünscht.
Am 27. Januar 2025 jährt sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Der Gedenktag lädt ein, nachzudenken über Völkerhass und Krieg. Eine Befreiung aus barbarischer Machtausübung gab es auch in den 15 Emslandlagern. Zum Morgen des 6. April 1945 hielt ein in Fullen internierter italienischer Unterleutnant fest: „Ja, es war wahr! Die Deutschen waren geflohen, alle Gefangenen waren frei, endlich!“ [jdm]
In einem Newsletter bezeichnet Kurt Buck, Vorstandsmitglied im AK für ein DIZ Emslandlager e.V., es als eine wichtige Grundlage für die weitere Arbeit des Vereins und des DIZ, dass im Dezember von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (SnG) in Celle die Finanzierung der beiden Stellen von Tessa Hesener und Joscha Hollmann im DIZ auch 2025 in voller Höhe gesichert wird.
Im Jahr 2025 wird die erste Veranstaltung des DIZ das Seminar „Brüche und Kontinuitäten um 1945“ vom 14. bis 16. Februar in der HÖB sein. Das jährliche Seminar der Historisch-Ökologischen Bildungsstätte (HÖB) in Papenburg in Kooperation mit der Interessengemeinschaft niedersächsischer Gedenkstätten und Initiativen zur Erinnerung an die NS-Verbrechen (IG) hat mittlerweile schon Tradition. Die Teilnahmegebühr beträgt 95,00 Euro (einschl. Unterkunft und Verpflegung).
Das Jahr 1945 wird oft als Stunde Null bezeichnet. Auf der anderen Seite haben viele Überlebende aus KZs und Gefängnissen des Nazi-Regimes erfahren, dass ehemalige Nazis auch in der Nachkriegszeit in Politik, Wirtschaft und Justiz weiter bestimmend tätig waren. Im Seminar sollen die zwei Tendenzen rund um das jahr 1945 diskutiert werden.
Die Interessengemeinschaft (https://gedenkstaetten-niedersachsen.de/) wurde vor genau 25 Jahren, im Januar 2000, als nicht-eingetragener Verein konstituiert, um u.a. die Zusammenarbeit der in der regionalen und lokalen Erinnerungsarbeit tätigen Einrichtungen und Initiativen zu intensivieren und deren Interessen zu vertreten. Das DIZ-Vorstandsmitglied Corinna Bittner, Co-Leiterin des HÖB-Seminars, ist Mitglied im siebenköpfigen Sprecher:innenrat. [jdm]
Das Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager e. V. hat seinen dritten Newsletter in diesem Jahr herausgegeben. Im Zentrum der Ausgabe steht der Umzug des DIZ, aber auch aktuelle Themen aus dem Tätigkeitsbereich des DIZ werden berichtet. [jdm]
Das Lager X Fullen als Teil der Emslandlager der Nazizeit wurde 1938 von der Justiz als Strafgefangenenlager für 1.000 Gefangene eingerichtet. Hier bestand schon vorher ein vom Reichsarbeitsdienst (RAD) errichtetes Lager.
Die Häftlinge dieses Lagers sollten die Kultivierung der linksemsischen Moorgebiete leisten. Die Kultivierungsarbeiten waren angesichts der fürchterlichen Lebensbedingungen der Gefangenen kläglich. Im September 1938 war das Lager bereits mit 1200 Strafgefangenen belegt. Im September 1939 wurde das Lager vom Oberkommando der Wehrmacht übernommen und als Zweiglager des Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (Stalag) VI B Versen eingerichtet.
1940 waren in Fullen französische Kriegsgefangene untergebracht. Im Juni 1940 kamen ca. 400 Polen in das Lager Fullen. Am 1. September 1941 waren im Lager Fullen 1.700 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht. Von September 1943 bis 1945 waren hier italienische Militärinternierte untergebracht. Am 20. September ordnete Hitler an, die Kriegsgefangenen zukünftig als „italienische Militärinternierte“ zu bezeichnen. Damit unterlagen sie nicht mehr dem Schutz der für Kriegsgefangene geltenden internationalen Abkommen und des Internationalen Roten Kreuzes.
In den Kriegsgefangenenlagern mussten Italiener bei schlechtester Ernährung und unzureichender medizinischer Versorgung unter ungewohnten klimatischen Verhältnissen schwerste Arbeiten in landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben verrichten. Hier wurden sie deutlich schlechter behandelt und verpflegt als die Angehörigen der anderen Nationen, mit Ausnahme der sowjetischen Kriegsgefangenen. Zwischen September 1943 und März 1945 verstarben 872 Italiener in den emsländischen Lagern, davon etwa 404 im Jahr 1944. Im Lager Fullen befand sich das sogenannte „Hospital“ für die Italiener. Seine 1946 im italienischen Bergamo erschienenen Erinnerungen betitelte P. E. Ettore Accorsi bezeichnenderweise mit „Fullen – Il Campo Della Morte“ (Fullen - das Feld des Todes).
Nach der Befreiung wurde das Lager am 21. August 1945 niedergebrannt, um einer Seuchengefahr vorzubeugen. Die Fläche ging in landwirtschaftliche Nutzung über. Lediglich das Wasserwerk blieb längere Zeit in Betrieb. Es wurde jedoch später durch eine modernere Anlage auf der gegenüberliegenden Straßenseite ersetzt. Heute erinnert nur noch eine Informationstafel an die frühere Bedeutung dieses Ortes. Auf dem Feld des ehemaligen Lagers sind keine Spuren mehr zu finden.
Für den Friedhof Groß Fullen existieren Gräberlisten, die ausweisen, dass auf diesem Friedhof 136 namentlich bekannte und ca. 1.500 unbekannte sowjetische Kriegsgefangene sowie ein unbekannter Albaner ruhen; zudem waren hier 751 italienische Militärinternierte bestattet, die im Laufe der 1950er Jahre exhumiert wurden. 77 von ihnen wurden nach Italien gebracht, die anderen auf den Cimitero militare italiano d’onore in Hamburg-Öjendorf umgebettet, der als zentraler Ehrenfriedhof für 5.839 italienische NS-Opfer in Norddeutschland angelegt wurde.
Auf einem besonderen Teil des Friedhofs sind 145 polnische Männer, Frauen und Kinder bestattet, die vom Juli 1945 bis Januar 1948 in der polnischen Enklave Maczków (Haren/Ems) gestorben waren. Durch die Umbettung der polnischen Toten von Haren auf diesen abgelegenen Friedhof sollte die Erinnerung an die polnische Besetzung Harens gelöscht werden.
Auch die Form der Erinnerung an die ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen auf dem Friedhof wurde durch die staatliche Behandlung des Friedhofs deutlich. Zunächst erstellten sowjetische Behörden Denkmäler für die Sowjetsoldaten, die auch Symbole der Sowjetunion enthielten. Die englischen Besatzer sorgten für die Pflege der Anlage. Nachdem die Verantwortung auf die deutschen Behörden und den Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge übergegangen war, gab es zunächst eine Umgestaltung für die man den Ex-Nazi Langerhans als Landschaftsarchitekten beauftragte. Die sowjetischen Symbole wurden entfernt und stattdessen das russisch-orthodoxe Zweibalkenkreuz auf den Steinen verwendet. Mit dieser religiösen Symbolik sollte die Erinnerung an den Weltkrieg jede politische Dimension verlieren. Während des Kalten Kriegs verlotterte der Friedhof und entwickelt sich langsam zu einem Wald. Erst mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion wurde der Friedhof wieder gepflegt.
Im Rahmen des Projekts „Namensziegel“ des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge haben Schüler*innen der Anne-Frank-Schule in Meppen seit 2013 mehr als 160 Namen von sowjetischen Kriegsgefangenen recherchiert und sie in Tonziegel gebrannt. Diese wurden auf der Kriegsgräberstätte in Metallgestellen aufgestellt, die von Schüler*innen der Berufsbildenden Schulen Meppen dafür gebaut wurden. [jdm]
Update vom 28.01.2025: In der ersten Version hatten wir geschrieben "Nach der Befreiung wurde das Lager für internierte Nazis, später als Teil der emsländischen Strafanstalten benutzt. 1951 erfolgte die Schließung der Strafanstalt Fullen und die Nutzung der Baracken als Flüchtlingsunterkunft. Die Gebäude des ehemaligen Stalag sind Anfang der 1950er Jahre allesamt abgerissen worden. ... So wie durch die Einebnung des Lagers Fullen die Erinnerung an das Lager ausgelöscht werden sollte, so sollte die Umbettung der polnischen Toten von Haren auf diesen abgelegenen Friedhof die Erinnerung an die polnische Besetzung Harens löschen."
Diese Informationen waren falsch. Andere Lager erfuhren nach der Befreiung solche Nutzungen. Das Lager Fullen als Lager für kranke Internierte wurde nach Angaben von Güter Kathmann sehr bald nach der Befreiung am 21. August 1945 abgebrannt, um einer Seuchengefahr vorzubeugen. Im Lager Fullen hatte eine Baracke für Typhuskranke bestanden. Aber auch viele andere Insassen waren daran erkrankt. [jdm]
Das Albrecht-Weinberg-Gymnasium in Rhauderfehn startete mit der 12. Stufe im Schuljahr 2023/24 ein „Erinnerungstafel“-Projekt. Die Schülerinnen und Schüler haben sich gemeinsam mit ihrem Lehrer, Igor Kukowski, der Thematik der „Emslandlager“ und ganz konkret dem Lager II Aschendorfermoor und der Kriegsgräberstätte gewidmet.
Gruppenbild, Lehrer Igor Kukowski 2. v. r.
Unterstützt wurden sie dabei durch Kristina Seibel, Bildungsreferentin des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge (Bezirk Weser-Ems), und Jacqueline Meurisch, Gedenkstättenpädagogin und Historikerin der Gedenkstätte Esterwegen. Zum Projektabschluss wurden heute die Erinnerungstafeln auf der Kriegsgräberstätte Aschendorfermoor feierlich enthüllt.
Martin Koers
Der Leiter der Gedenkstätte Esterwegen verwies in seiner Begrüßung auf eine Begebenheit, die ein überlebender Insasse des Lagers Aschendorfermoor, Heinrich Scheel, berichtet hat. Ein Mitgefangener, der mit seinen Kräften am Ende war, überschritt in offensichtlich suizidaler Absicht die von den Wachen gezogene Grenze und wurde vom Kommandoführer mitleidlos mit mehreren Schüssen erschossen. Dies sei nur einer der Morde gewesen, die in Aschendorfermoor geschehen seien.
Maria Wiltfang
Kristina Seibel
Nach einem hebräischen Lied "Shalom", das die Schülerin Maria Wiltfang mit einer beeindruckenden Stimme vortrug, sagte Kristina Seibel in ihrem Wortbeitrag, Kriegsgräberstätten erzählten Geschichten, Sie seien deshalb Orte zum Lernen, die sich jede Generation wieder neu erschließen müsse, damit die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Erinnerung gebracht werden. Im Projekt seien individuelle Lebenswege erforscht worden und ans Licht gebracht worden.
v. l.: Maja Reens und Leni Utrecht
Die beiden Schülerinnen Maja Reens und Leni Utrecht aus dem Seminarfach Erinnerungskultur hielten das Weitererzählen des Geschehenen für nötig, um das Vergessen zu verhindern. Freiheit und Menschlichkeit seien keine Selbstverständlichkeit. Deswegen bestehe eine Verantwortung zur Arbeit gegen Hass und Gewalt.
v. l.: Jan Woldinga und Lasse Jaksas, Maria Wiltfang
Die beiden Schüler Jan Woldinga und Lasse Jaksas sahen die Arbeit an der Entwicklung der Infotafeln als eine Möglichkeit, sich ihrer Verantwortung zu stellen und das Erinnern möglich zu machen. Denn auch damals habe man gedacht, so etwas kann es doch hier in Norddeutschland nicht geben. Dass im Zusammenhang mit dem Lager Aschendorfermoor immer an die Vebrechen des falschen Hauptmanns Willi Herold erinnert werde, sollte einen nicht davon abhalten, vor allem der Opfer zu gedenken und nicht des Täters. Denn hinter jedem Namen eines Opfers stünden Personen und deren Familien, die unter den schrecklichen Erfahrungen und dem schrecklichen Ende gelitten hätten.
Stefan Schipporeit
Stefan Schipporeit, der Verantwortliche im Niedersächsischen Innenministerium für die Kriegsopferstätten, zitierte den ehemaligen Präsidenten des Internationalen Auschwitz Komitees, Noach Flug, der gesagt hat: "Erinnerung hat kein Verfallsdatum." Man könne sie nicht per Beschluss für bearbeitet oder für beendet erklären. Der Holocaust sei nicht vergleichbar und in seiner Ungeheuerlichkeit ein singuläres Ereignis. Geschichte wiederhole sich auch nicht einfach, aber man könne aus ihr lernen. Und das sei offensichtlich notwendig, wenn man heute feststelle, dass sich in Niedersachsen die antisemitischen Vorfälle um 61% erhöht hätten. Schipporeit nannte auch das Beispiel der John-F.-Kennedy-Schule in Berlin mit internationalen Schülern, unter denen auch ca. 100 jüdische Schüler seien, die von ihren Mitschülern zum Teil mit Gewalt bedroht worden seien.
Im Anschluss an die Reden wurden die Infotafeln enthüllt und die Schüler stellten sich mit ihren Lehrern zu einem Gruppenbild der Kamera. [jdm]
Fahnenappell im Lager VI in Oberlangen nach der Befreiung der kriegsgefangenen Polinnen
Anlässlich des 79. Befreiungstages des Emslandlagers Oberlangen findet am Sonntag, 14. April, um 15 Uhr die Eröffnung der Ausstellung „Die 1. Polnische Panzerdivision und die Befreiung des Emslandes 1945“ in der Gedenkstätte Esterwegen, Hinterm Busch 1, statt. Die Ausstellung zeigt 130 Fotografien der polnischen Einheit, die 1942 in Schottland gegründet worden war und von August 1944 bis Mai 1945 an der Seite der Alliierten in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland gekämpft hatte.
Dabei befreite die polnische Panzerdivision unter dem Kommando von General Stanislaw Maczek am 12. April 1945 auch das Emslandlager Oberlangen. In dem Kriegsgefangenenlager waren zum Zeitpunkt der Befreiung etwa 1.700 polnische Frauen inhaftiert, die am War-schauer Aufstand mitgekämpft hatten. Neben den Fotografien wird die Ausstellung von Seiten der Gedenkstätte durch Film- und Videoexponate ergänzt. Die Ausstellung wird in der Gedenkstätte Esterwegen vom 14. April bis 4. August zu den Öffnungszeiten der Einrichtung (dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr) zu sehen sein. Der Eintritt ist frei. (Landkreis Emsland/Foto: Kreisarchiv Emsland PH 9 Nr. 541)
Bei diesem Konzept geht es darum, einen angemessenen Umgang mit der vorhandenen Fülle der seit 1933 entstandenen Selbst- und Lebenszeugnisse zu den Häftlingen und Gefangenen der Emslandlager zu finden.
Bisher dient dieses Material vor allem dazu, einen Platz als Exponat in der Dauerausstellung zu finden. Es könnte aber noch erweitert werden und auf andere Weisen erschlossen werden.
Schniers‘ Eintrag im „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ im Gedenkraum der KZ-Gedenkstätte Dachau
Man stelle sich als Wippinger den Umgang mit dem Nachlass des in Dachau verstorbenen Heinrich Schniers vor. In Dachau erfährt man im ausgestellten „Gedenkbuch für die Toten des Konzentrationslagers Dachau“ im Gedenkraum der KZ-Gedenkstätte Dachau die Lebensdaten des dort ermordeten Pfarrers. Aber warum die Nazis ihn dort internierten, wie er dies verkraftet hat bzw. wie es ihn zerbrochen hat oder wie sein Tod auf seine Gemeindemitglieder in Leer und auf die Menschen und Verwandten in seinem Herkunftsort Wippingen gewirkt hat, erfährt man nicht. Schniers wurde als Pfarrer nach dem Krieg sofort als Opfer der Nazis anerkannt. Aber viele überlebende KZ-Insassen wurden nach der Befreiung von der Naziherrschaft noch als Kriminelle stigmatisiert oder wurden wie im Fall der kommunistischen Gefangenen oder im Fall der homosexuellen Naziopfer weiterhin vom jetzt demokratischen Staat verfolgt.
Den Lebensweg von Schniers haben seine beiden Kirchengemeinden in Leer und Lingen schriftlich festgehalten und gelegentlich in Veranstaltungen, Flyern und Ausstellungen den Menschen nahe gebracht. Schniers ist insofern eine Ausnahme.
Für die vielen Opfer der Emslandlager könnte das Haus der Erinnerungen Ähnliches leisten und eigene Vermittlungsformen wie Wechsel- und Wanderausstellungen, Veranstaltungen, Publikationen, Bildungsmaterialien und digitale Anwendungen entwickeln.
Das Aktionskomitee stellt sich das Haus als einen lebendigen, kommunikativen Raum des entdeckenden, vertiefenden Lernens, der Begegnung und des Austauschs vor, der die Begegnung mit Überlebenden und den Angehörigen der Verfolgten ermöglicht.
Die in der Sammlung befindlichen Quellen und Objekte dokumentieren dabei auch, wie von den Verfolgten ihr Schicksal bereits von 1933 an erinnert worden ist – im Lager, im Geheimen oder im Exil (wie Wolfgang Langhoffs „Die Moorsoldaten“), gegen das Beschweigen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik (etwa mit dem ersten „Moorsoldatentreffen“ 1956) oder als Bestandteil der Arbeit des DIZ durch den intensiven Austausch mit ehemaligen Häftlingen und Gefangenen und bei zahlreichen persönlichen Begegnungen. Mit der Sammlung Volker Schröder gehört nach Angaben des Aktionskomitees neuerdings ein umfassendes Medienarchiv zahlreicher Gespräche und Besuche von Überlebenden und Angehörigen seit den 1990er Jahren zur Sammlung des DIZ. Viele künstlerische und andere Zeugnisse der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Emslandlager, die nicht von Verfolgten stammen, ergänzen die Bestände des DIZ.
Die Gedenkstätte Esterwegen ermöglicht derzeit mit der Dauerausstellung und dem Angebot an Veranstaltungen eher einen musealen Zugang zum Thema und weniger zu den Opfern selbst.
Im Konzept heißt es: Angesichts des Verlustes der Stimmen der Zeitzeugen bietet ein „Haus der Erinnerungen“, das sich die Begegnung mit den bereits seit 1933 entstandenen Selbstzeugnissen der Verfolgten zu seiner Kernaufgabe macht, eine herausragende Chance, die Erinnerung an die Verfolgten in herausgehobener und einzigartiger Weise wach zu halten und sichtbar zu machen sowie die Kontakte zu ihren Angehörigen und deren Erinnerungen zu pflegen. In einer solchen Institution würde nicht nur ihr Gedächtnis dauerhaft bewahrt, sondern Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Erinnerung in ihren politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen vermittelt, diskutiert und reflektiert werden. Das „Haus der Erinnerungen“ soll ein Ort gelebter Demokratie werden, der bewusst macht, woher sie kommt, was sie trägt und wodurch sie gefährdet wird. [jdm]
Der Reichstag steht in Flammen! Fast einen Monat nach der Kanzlerschaft Adolf Hitlers brannte in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 das Reichstagsgebäude in Berlin. Obwohl die Nationalsozialisten selbst im Verdacht standen, das Feuer gelegt zu haben, machten sie die politische Opposition – vor allem die Kommunisten – dafür verantwortlich. In den folgenden Wochen kam es zu Verhaftungen von Zehntausenden Gegnerinnen und Gegnern der NSDAP. Auch im Emsland veranlasste das preußische Innenministerium ab März 1933 den Bau von Konzentrationslagern und die Zwangsarbeit der Häftlinge zur Moorkultivierung.
In Erinnerung an den Reichstagsbrand vor 90 Jahren eröffnet die Gedenkstätte Esterwegen am Dienstag, dem 28. Februar, um 18 Uhr, die Sonderausstellung „Auftakt des Terrors. Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus“. Sie beleuchtet Rolle und Funktion der frühen Konzentrationslager als zentrales Terrorinstrument zur Zerstörung der Demokratie und zum Aufbau der NS-Diktatur. [Landkreis Emsland]
Auf der Begräbnisstätte in Esterwegen wurden von den Rotary Clubs aus Brake-Unterweser und dem niederländischen Groningen gemeinsam mit dem Team der Gedenkstätte Esterwegen zwischen Zuwegung vom Parkplatz und dem Haupttor Infotafeln aufgestellt. Das Projekt sollte „den Toten einen Namen geben“.
Diese Infotafeln stellen neben einem Kurzabriss der Geschichte des Emslandlagers auch die Geschichte der Begräbnisstätte dar, die ja in der Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre davon geprägt war, die Verbrechen in den Emslandlagern zu bagetellisieren und die Fiktion eines normalen Strafvollzugs zu beschwören. Die Gedenkstätte Esterwegen hat zuletzt am 20.09.2022 mit einem Vortrag von Dr. Ann Katrin Düben an diese Form der Erinnerungskultur erinnert.
Auf dem Lagerfriedhof Börgermoor, der heutigen Begräbnisstätte Esterwegen/Bockhorst, wurden die Verstorbenen der Konzentrationslager Börgermoor, Esterwegen und Neusustrum und die Toten aller Strafgefangenenlager im Emsland beerdigt. Die Gräberliste gilt als verschollen, aber 813 der 1343 Einzelgräbern können aufgrund der Recherchearbeit der ehrenamtlichen Helfer noch Namen zugeordnet werden. Diese Namen sind seit 2018 in einem Online-Gedenkbuch der Gedenkstätte Esterwegen öffentlich zugänglich.
Die übrigen Arbeiten am Versammlungsplatz und der vorgesehenen Rekonstruktion des Begräbnisplatzes sind noch nicht weiter gekommen.. Das Niedersächsische Innenministerium hatte erklärt, die Arbeiten in diesem Jahr anzugehen. Es sieht aber nicht so aus, dass dort etwas passiert. Aktuell liegt auf dem Versammlungsplatz und auf dem Parkplatz noch Schotter; Baufahrzeuge waren nicht vor Ort. [HM/jdm]
1953 sollte die Natur die Erinnerung an die sowjetischen Kriegsopfer verdecken
In den Kriegsgefangenenlagern im Emsland und der Grafschaft Bentheim starben im Zweiten Weltkrieg über 20.000 sowjetische Soldaten an den unmenschlichen Bedingungen der Gefangenschaft. Sie kamen aus Russland, der Ukraine, dem Kaukasus und vielen anderen Teilrepubliken der damaligen Sowjetunion. Ihre Leichname wurden in der Nähe der Lager auf Friedhöfen bestattet, die heute als Kriegsgräberstätten erhalten werden. Insgesamt gibt es sieben von ihnen im Emsland und der Grafschaft Bentheim.
In der Nachkriegszeit geriet diese Opfergruppe durch den Ost-West-Konflikt lange Zeit in Vergessenheit und die Erinnerung sowie Gestaltung der ehemaligen Lagerfriedhöfe durchlief unterschiedliche Phasen von Verdrängung und Aufarbeitung. Darüber berichtet am Dienstag, 20. September, um 18.30 Uhr, Dr. Ann Katrin Düben in der Gedenkstätte Esterwegen (Seminarraum 2). Der Eintritt ist frei.
Erinnerung ist kein gerader Weg, besonders nicht, wenn es sich um die gesellschaftliche Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus handelt. Unterschiedliche Akteure setzten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Akzente. Dies galt und gilt ebenso für die Erinnerung an die Emslandlager und ihre Opfer.
Wie sich hierzu seit Kriegsende 1945 verschiedene Formen von Memorialkulturen ausgebildet haben, zeigt jetzt Dr. Ann Katrin Düben in ihrer neuen wegweisenden Studie „Die Emslandlager in den Erinnerungskulturen 1945 - 2011“. Sie widmet sich dabei den Akteuren, die um die Erinnerung an die Emslandlager zwischen 1945 und 2011 stritten, und legt einen Schwerpunkt auf die überlebenden Moorsoldaten. Diese kämpften in Zeiten des Kalten Krieges hartnäckig gegen die Widerstände konservativer Lokal- und Landespolitiker und indifferenter Zeitgenossen um die Anerkennung ihres Schicksals.
Die Studie schließt damit eine große Lücke in der Forschung um die Lager im Emsland und der Grafschaft Bentheim. Das Buch ist nun im Buchhandel und ebenfalls in der Gedenkstätte Esterwegen erhältlich. [Landkreis Emsland/Vandenhoeck & Ruprecht Verlage]