Vom Emsland ins Sportwagencoupé – Anwendungsmöglichkeiten von Hanf sind schier endlos – Niederländische und deutsche Kommunalpolitiker informierten sich

Gemeinsam mit Mitgliedern der CDA-Verbände Pekela & Veendam besuchten Mitglieder des CDU-Ortsverbandes Wippingen das Betriebsgelände der Fa. „HempFlax“ im niederländischen Oude Pekela, einem führenden Unternehmen im Bereich Anbau und Verarbeitung von Industriehanf. Ziel war es, sich über die innovative Produktion und die nachhaltigen Projekte des Unternehmens zu informieren sowie den Austausch zwischen deutschen und niederländischen Vertretern zu fördern. So wurde der Termin durch das ‚Interreg-Programm Deutschland-Nederland‘ sowie seinen Programmpartnern ermöglicht und von der Europäischen Union kofinanziert.
Geschäftsführer (CEO) und Miteigentümer Mark Reinders informierte im Rahmen der Betriebsbesichtigung über die Entwicklung des 1993 gegründeten Unternehmens hin zum Marktführer in der Industriehanfproduktion. So findet das umfangreichen Produktportfolio in rund 1.000 Erzeugnissen Anwendung. Dies reicht von CO2-negativen und schadstofffreien Baumaterialien aus Industriefaserhanf mit hoher Wärme- und Schalldämmung über Lebensmittel wie Hanfsamen und Nahrungsergänzungsmittel bis hin zu Industrieanwendungen, welche beispielsweise im Autobau zum Einsatz kommen. So sind Fahrzeugverkleidungsteile aus Hanf leichter und sicherer als Teile aus Glasfaser, weshalb renommierte Marken wie Mercedes-Benz, Bugatti oder Jaguar zum Kundenstamm gehören. Auch hochwertige Einstreuprodukte für die Tierhaltung oder Gartenbauprodukte gehören zur Angebotspalette.
Die Fa. „HempFlax“ verfügt über drei Betriebsstandort: neben der besichtigten Fabrik in den Niederlanden außerdem über Werke in Bayern und in Rumänien. Insgesamt greift das Unternehmen auf ca. 3.175 ha Hanf- und Flachsanbaufläche in den drei Ländern zurück, davon rund 2.500 ha in Deutschland. Während am rumänischen Standort eigene Flächen bearbeitet werden, arbeitet das Unternehmen in Deutschland mit hiesigen Landwirten als Vertragspartner zusammen. So wächst auch ein großer Teil des verarbeiteten Hanfes auf emsländischen Böden (rd. 750 ha).
Der von der Fa. „HempFlax“ verwendete Industriehanf hat einen THC-Gehalt von ~0,05% und kann damit nicht zur Herstellung von Suchtmitteln verwendet werden (der Grenzwert lt. EU-Verordnung für Nutzhanf liegt bei max. 0,3%). Reinders zog hierzu einen Vergleich zu alkoholfreiem Bier: dies sähe aus und schmecke wie normales Bier, jedoch könne man gar nicht so viel davon trinken, um betrunken zu werden. Ebenso wenig könnten seine Pflanzen dazu genutzt werden, um einen Rauschzustand zu erreichen.
Maßgebend für das Unternehmen ist der Aspekt der Nachhaltigkeit. So implizieren nicht nur die Produkte einen hohen ökologischen Anspruch. Auch der Anbau von Hanf, welcher sich hervorragend als Ruhekultur eignet und als guter Vordünger gilt, trägt zur Verbesserung der Ackerbodenqualität und die pestizidfreie Bewirtschaftung zu mehr Artenvielfalt und einer besseren Wasserqualität bei. Um frei von fossilen Energieträgern zu sein, wurde zur Versorgung des besichtigten Werks eine 1,9 MW-Solaranlage installiert. Darüber hinaus wird an den Betriebsstandorten eine abfalllose Produktion realisiert, d. h. alles der Pflanze kann verarbeitet werden.
Geschäftsführer Reinders nutzte die Gelegenheit auch für einen Appell an die Politik und sprach so manche Hürde an, mit welchen er zu kämpfen hat. Beispielsweise deckt die 1,9 MW-Solaranlage auf dem Fabrikdach nicht nur den Strombedarf für den Produktionsprozess, sondern kann auch noch Strom ans örtliche Netz abgeben. Diese Einspeisung ist aber begrenzt, um Netzüberlastungen zu verhindern – bis hin zur Erhebung eines Negativpreises, wonach der Solaranlagenbetreiber für den eingespeisten ökologischen Strom sogar noch bezahlen muss. Dies habe dem Unternehmen im vergangenen Jahr mehrere Zehntausend Euro gekostet. Das Problem der fehlenden Stromnetzstabilität und mangelnden Netzinfrastruktur sehen dann auch sowohl die niederländischen auch als deutschen Besucher als ein gravierendes Hemmnis zur Realisierung einer gelungenen Energiewende. Ziel müsse es sein, die Förderung erneuerbarer Energien zu stärken und Anreize für eine CO2-reduzierte Stromerzeugung zu schaffen, anstatt sie durch solche unverständlichen Preisgestaltungen zu konterkarieren.
Auch unterschiedliche nationale Gesetzgebungen verkomplizieren die Arbeit des Unternehmens: so könnten zum Beispiel in den Niederlanden bestimmte Teil der Hanfpflanze nicht geerntet, wohl aber verkauft werden, während wiederum in Deutschland diese Pflanzenteile zwar geerntet, aber nicht verkauft werden dürfte. Klarheit und eine einheitliche Umsetzung europäischer Vorschriften könnte hier Abhilfe schaffen.
Während der Besichtigung entstand ein intensiver Austausch zwischen den niederländischen und deutschen Christdemokraten. Besonders Fragen der regionalen Wirtschaft und die sich gleichenden Herausforderungen, vor der beide Seiten stehen, standen im Mittelpunkt der Gespräche. „Deshalb lohne sich immer ein Blick über die Grenze, um voneinander zu lernen“, so Wippingens Bürgermeister Martin Hempen. So wurden die niederländischen Parteifreunde auch bereits ins Emsland eingeladen, um den Austausch fortzusetzen.
Das Projekt „Die Industriehanfverarbeitung und ihre Perspektiven” wird durch das Interreg-Programm Deutschland-Nederland sowie seinen Programmpartnern ermöglicht und von der Europäischen Union kofinanziert (#interregdnl). [Hubert Jansen]