Wie das Pfeifen des Ängstlichen im Walde mutet der Beschluss der EU-Außenminister an, ein „Sondertribunal zum russischen Angriffskrieg“ einzurichten. Den Internationalen Gerichtshof konnten sie noch dazu bringen, den russischen Präsidenten mit einem Haftbefehl zu bedrohen. Aber spätestens nachdem die westliche „Wertegemeinschaft“ sich weigert, den Haftbefehl desselben Gerichtes gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wegen seines Vernichtungskriegs gegen die Gaza-Bevölkerung zu befolgen, weiß die ganze Welt, was die westlichen Werte wirklich wert sind.

An der Parade zum 80. Tag des Sieges in Moskau nahmen 27 Staats- und Regierungschefs teil, u. a. aus China, Brasilien, Vietnam, Kongo, Kuba, Simbabwe, Burkina Faso, mehreren ehemaligen sowjetischen Republiken, Slowakei, Serbien, Ägypten, Laos usw. Die Frankfurter Rundschau versuchte die Gästeliste klein zu reden: Viele Staatsgäste kämen „aus autoritär regierten Ländern oder langjährigen russischen Verbündeten.“ Michael Clasen stellt in seiner Reportage aus Moskau in der NOZ fest: „An Putins Liste der Ehrengäste lässt sich die heraufziehende neue, künftig multipolare Weltordnung ablesen, in der nicht mehr die USA der Weltpolizist sind und auch nicht zwei Blöcke sich monolithisch gegenüberstehen, sondern mehrere Machtzentren mit globaler Bedeutung bestehen. Die meisten davon haben keine Probleme mit Putin.“

Allein, dass unsere Lokalzeitung endlich mal einen Redakteur nach Moskau schickt, um aus eigener Anschauung zu berichten, zeigt schon, dass sich etwas verändert. Zwar stellt Clasen im Artikel heraus, dass Putin den 80. Jahrestag des Kriegsendes zur Kriegsshow nutze, was sicher stimmt. Aber angesichts der 27 Millionen sowjetischen Menschen, die durch den Vernichtungskrieg der Deutschen ihr Leben verloren, ist es in Russland und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ein großes allgemeines Bedürfnis, den Tag des Sieges zu begehen.

Putin erinnerte in seiner Rede daran: „Die Sowjetunion hat die heftigsten und gnadenlosesten Schläge des Feindes auf sich genommen. Millionen von Menschen, die nur friedliche Arbeit kannten, griffen zu den Waffen und stellten sich auf allen Höhen, Brückenköpfen und Grenzen in den Dienst des Todes, bestimmten den Ausgang des Zweiten Weltkriegs durch bedingungslose Siege in den großen Schlachten von Moskau und Stalingrad, an den Wällen von Kursk und am Dnjepr; durch den Mut der Verteidiger von Weißrussland, die dem Feind als erste gegenüberstanden; die Tapferkeit der Teilnehmer an der Verteidigung der Festung Brest und Mogilev, Odessa und Sewastopol, Murmansk, Tula, Smolensk; den Heroismus der Einwohner des belagerten Leningrads, die Tapferkeit all derer, die an der Front, in den Partisaneneinheiten und im Untergrund kämpften, die Tapferkeit derer, die die Fabriken des Landes unter feindlichem Beschuss evakuierten, die in der Nachhut arbeiteten, ohne sich zu schonen, bis an die Grenze ihrer Kräfte. Die Pläne der Nazis zur Eroberung der Sowjetunion wurden durch die wahrhaft eiserne Geschlossenheit des Landes durchkreuzt. Der Heroismus des Volkes war gewaltig, alle Republiken trugen die gemeinsame, schwere Last des Krieges.“

Die Staaten, die nicht von der Nato dominiert werden, wollen eine Weltordnung, in der sie selbst über ihre Partner entscheiden können. Sie wollen sich nicht von den USA und der EU erpressen lassen und vorschreiben lassen, mit wem sie Handel betreiben.

Die europäischen Außenminister haben das noch nicht begriffen. Sie setzen ihre Politik der maßlosen Arroganz fort und setzen alles daran, ein Ende des Krieges in der Ukraine hinauszuzögern. Die EU hat gerade ein beispielloses Aufrüstungsprogramm in Gang gesetzt. Und sie wollen nicht riskieren, dass ihnen ein Feind abhanden kommt und der Frieden ausbricht. Sie fühlen sich im Wort gegenüber den Rüstungskonzernen, aber dass sie das Vertrauen der Menschen verlieren, ist ihnen egal. [jdm]