Angebliche russische Kampagne ist in Wahrheit Kampagne der rumänischen Regierungspartei – Demokratie ade?
In Rumänien wurde Anfang Dezember die erste Runde der Präsidentschaftswahl vom dortigen Verfassungsgericht annulliert. Das Gericht befand, dass der Wahlsieger Călin Georgescu falsche Angaben zur Finanzierung seiner Wahl gemacht habe und dass eine Kampagne auf Tik-Tok als aggressiver russischer hybrider Angriff zu werten sei. Ein TikTok-Account hatte in einem Monat über 350.000 Euro an Influencer bezahlt. Einzige Quelle für diese Behauptung der russischen Beeinflussung: der rumänische Geheimdienst SRI.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb: „Auch wenn Fachleute eine russische Urheberschaft der teuren Kampagne über soziale Medien wie Tiktok für plausibel halten: Seit der Entscheidung des Verfassungsgerichts vor zwei Wochen lieferte Bukarest bislang keine Erklärung, wer hinter der ausländischen Einmischung stehen soll. Nun erklärte Johannis während einer Pressekonferenz am Mittwochabend in Brüssel, auf diplomatischer Ebene sei es „äußerst kompliziert, mit dem Finger zu zeigen und zu sagen: Sie waren es.“
Jetzt hat die rumänische Recherche-Website „Snoop“ herausgefunden, dass die genannte Tik-Tok-Kampagne nicht wie behauptet von „den Russen“ oder von Călin Georgescu bezahlt wurde, sondern ausgerechnet von der Nationalliberalen Partei (PNL) des bisherigen Präsidenten Klaus Johannis. Johannis stammt aus Siebenbürgen und ist als „Volksdeutscher“ ein Liebling der deutschen Presse.
In Rumänien ist Wahlwerbung auf Tik-Tok verboten. Deshalb beauftragte die liberale Partei eine mit ihr personell verbundene Firma Kensington Communication damit, unpolitische Influencer dafür zu bezahlen, in ihren Filmchen ohne Nennung des Namens von Călin Georgescu Werbung für ihn zu machen. Dazu erhielten die Influencer, deren Themen normalerweise Mode, Kochen oder irgendwelche Challenges sind, Formulierungsvorschläge für ihre Moderationen.
Die rumänische Finanzbehörde ermittelt jetzt wegen dieser illegalen Vorgehensweise und wird die Wahlaufsichtsbehörde informieren.
Jetzt rätselt die rumänische Öffentlichkeit, warum die Partei von Johannis diese Kampagne finanzierte. Dabei gibt es – wenn man nicht davon ausgeht, dass sie tatsächlich Werbung für die Konkurrenz machen wollte – drei unehrenhafte Motive:
Erstens wollte sie eigentlich für sich selbst (illegale) Werbung machen, was ihr gründlich misslungen ist. Zweitens wollte sie Călin Georgescu ins Zwielicht setzen, was ihr auch misslungen wäre. Und drittens ging es ihr vielleicht von Anfang an darum, Călin Georgescu und Russland eine illegale Kampagne in die Schuhe schieben zu können.
Fazit ist jedenfalls, dass der Beschluss, die Wahl von Călin Georgescu zu annullieren auf falschen Angaben des Geheimdienstes und des amtierenden Präsidenten basieren. Während die Tagesschau und Co. über die Annullierung der Wahl und die angebliche russische Kampagne groß und prominent berichteten, ist von der jetzigen Aufdeckung der Machenschaften des liberalen Präsidenten Johannis zur Aushebelung der Demokratie nichts zu hören. [jdm]