Screenshot von der EZ-Facebook-Seite
Screenshot von der EZ-Facebook-Seite

Der Umgang mit den Corona-Verstößen im Landkreis Cloppenburg zeigt, wie leichtherzig derzeit allgemein Grundrechtseinschränkungen hingenommen werden. Auch über die Existenzbedrohung für Selbständige, die ihr Einkommen mit eigener Arbeit erwirtschaften, wird leichtherzig hinweggegangen. Ein Kommentar auf der Facebookseite der Ems-Zeitung fordert gar „Lizenzentzug, auf Zeit oder dauerhaft, vielleicht schreckt das ab und die Betreiber nehmen die Sache mal ernst. Außerdem sollte die Datenerfassung irgendwie digitalisiert werden mit Fotoabgleich.“

Es ist unwürdig, wenn die Polizei in eine Privatwohnung eindringt und neun junge Leute, die sich nicht an die Coronabeschränkungen gehalten haben, aus Verstecken innerhalb dieses Privatraums hervorzerrt, um ihnen Bußgelder von 200 € anzukündigen.

Die Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg trat am Samstagabend um Mitternacht in Kraft. Jedermensch mit einem Minimum an Kontakt zur Bevölkerung und Jugendlichen hatte wissen können, dass es sinnvoller gewesen wäre, das Inkrafttreten auf die Morgenstunden des Sonntags zu verlegen, um sinnlose Konflikte zu vermeiden. So wurde nur ein Vorwand für ein repressives Vorgehen geschaffen, aber nichts für die Gesundheit getan.

Allgemeinverfügungen sind Verwaltungsakte, die sich an die Allgemeinheit richten. Sie berechtigen nicht dazu, das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung einfach zu missachten. Das wird aber derzeit offensichtlich praktiziert und allgemein für richtig gehalten. Da haben die französische Revolution und die demokratischen Bewegungen in Deutschland wohl nichts ausrichten können.

Bei dem Vorgehen gegen die Gastwirte, die sich nicht an die Regeln gehalten haben: Hier gilt erstens der Verweis auf die dumme Terminierung der Verfügung auf Mitternacht. Zweitens fehlt mir in der Öffentlichkeit jede Empathie für die Kneipiers, die die Pleite vor Augen, ihre Gäste nicht um Punkt 24 Uhr herausgeschmissen haben. Dass die Hygienekonzepte mangelhaft waren bzw. nicht eingehalten wurden, darf ruhig gemaßregelt werden; aber hier sollte doch etwas Maß gehalten werden.

Wir sollten endlich aufhören, jede Kritik an Corona-Schutzmaßnahmen zu tabuisieren und sofort mit der hohen moralischen Keule des Lebensschützers zu erschlagen. Der Schutz vor dem Coronavirus ist wichtig und wir haben die derzeitige gute Lage in Deutschland sicher zum Teil diesen Maßnahmen zu verdanken. Aber eine ebenso bedeutende Rolle spielt die Nachverfolgung von Infektionsherden und die Quarantäne für Erkrankte. Diese Arbeit wird von den Gesundheitsämtern erledigt. Polizisten, die ja schon jetzt überlastet sein sollen, in Scharmützel mit Partygängern zu schicken, ist eine falsche Verwendung von staatlichen Ressourcen. Besser wäre es, die richtigen Corona-Bekämpfer im Gesundheitswesen zu fördern. Wer vom Coronavirus (eventuell) infiziert ist, hat in der Regel kein Problem mit der individuellen Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit. [jdm]