CETA streichen

In der Auseinandersetzung um das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt ein wichtiges, aber leider enttäuschendes Urteil gefällt. Auf Bitte der belgischen Regierung hatte der EuGH geprüft, ob die Regelungen zum Investitionsschutz in CETA mit europäischem Recht vereinbar sind. Diese ermöglichen es kanadischen Investoren, europäische Regierungen auf Schadensersatz zu verklagen, wenn deren politische Entscheidungen die Gewinne der Investoren schmälern.

Der EuGH kam nun zu dem Urteil, dass der Investitionsschutz nicht im Widerspruch zu den europäischen Verträgen steht. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass Unternehmen zwar Schadensersatz verlangen, nicht aber europäisches Recht oder Gesetze der Mitgliedstaaten in Frage stellen könnten. Das berichtete am Freitag das Umweltinstitut München.

Es ist jedoch zu befürchten, dass der Investitionsschutz dennoch Einfluss auf die Gesetzgebung in der EU und ihren Mitgliedstaaten haben wird. Denn wenn PolitikerInnen beispielsweise mit Ausgleichsforderungen wegen bestimmter Umweltauflagen rechnen müssen, könnte das dazu führen, dass sie diese erst gar nicht beschließen. Der Investitionsschutz droht deshalb die demokratische Entscheidungsfindung zu beeinträchtigen. Dies war und ist einer der zentralen Gründe, warum wir den Vertrag mit Kanada ablehnen.

Das Gutachten des EuGH ist verbindlich und kann nicht juristisch angefochten werden. Nach dieser Entscheidung kann die EU-Kommission mit ihrer Handelspolitik wie bisher weitermachen. Doch nicht alles, was legal ist, ist auch gut.

Die Handelspolitik der Europäischen Union setzt darauf, mit immer mehr Freihandelsabkommen die Position europäischer Konzerne im globalen Handel zu stärken. Diese Politik hat zerstörerische Nebenwirkungen auf die Umwelt, die Menschen und demokratische Institutionen. Am Beispiel von CETA lässt sich das sehr gut nachvollziehen:

Das Abkommen hat effektive Durchsetzungsmechanismen für die Rechte von InvestorInnen und die Vereinbarungen über Handelshemmnisse und Marktzugänge. Verstößt Kanada, die EU oder ein Mitgliedstaat dagegen, kann das schnell teuer werden. Ausgenommen sind die drei Kapitel über Arbeitnehmerrechte, Umwelt und Auswirkungen auf ärmere Länder. Wird gegen die Regeln in diesen Kapiteln verstoßen, gibt es keine Sanktionen.

Schon während der Verhandlungen übte Kanada Druck auf Umweltschutzregeln in der EU aus. Die Treibstoffqualitätsrichtlinie hätte den Import von Erdölprodukten aus kanadischen Teersanden verhindern können. Dabei handelt es sich um die dreckigsten fossilen Rohstoffe überhaupt; ihr Abbau hinterlässt riesige Mondlandschaften. Die kanadische Regierung vertrat während und nach den Verhandlungen die Interessen der kanadischen Bergbauindustrie stets offensiv.

CETA öffnet den Markt für landwirtschaftliche Produkte in beide Richtungen weiter. Es wird mehr Milch und Käse von Europa nach Kanada, mehr Schweine- und Rindfleisch von Kanada in die EU importiert werden. Das widerspricht Bekenntnissen für die regionale, bäuerliche Landwirtschaft und sorgt für immer mehr globalen Wettbewerb.

Wer den Ausstoß von Treibhausgasen verringern will, muss weniger interkontinentalen Handel zu betreiben und die Wirtschaft ökologisieren und zu regionalisieren. Ein Abkommen wie CETA, das vor allem für mehr Handel sorgen soll, ist deshalb ein Schritt in die falsche Richtung.

CETA verschiebt politische Debatten in intransparente Gremien, die ein Paradies für LobbyistInnen sind und gibt international tätigen Konzernen die Möglichkeit, Staaten wegen demokratisch beschlossener Regeln zum Schutz der Umwelt auf horrenden Schadensersatz zu verklagen. Wir verlieren durch solche Abkommen schleichend an Demokratie, weil die Veränderungen von Gesetzen für unsere gewählten Abgeordneten in den Parlamenten immer schwieriger wird.

Dass CETA verhandelt wurde, vorläufig in Kraft treten konnte und teilweise bereits ratifiziert ist, ist aber nicht die Schuld des Europäischen Gerichtshofs. Es ist eine Folge von politischen Entscheidungen. Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben das Verhandlungsmandat und Verhandlungsergebnis einstimmig angenommen. Das Europäische Parlament hat in vollen Wissen um die Inhalte des Abkommens und großer öffentlicher Beobachtung mit Mehrheit für die Ratifizierung gestimmt.

Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit die Vereinbarkeit von CETA mit dem deutschen Grundgesetz. Rund 125.000 BürgerInnen hatten sich einer Verfassungsbeschwerde der KollegInnen von Mehr Demokratie, Campact und Foodwatch angeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht das Gutachten des EuGH abgewartet hat und nun sein Urteil ausarbeitet.

Sollte das Bundesverfassungsgericht urteilen, dass CETA auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist, folgt eine politische Entscheidung mit der Ratifizierung des Abkommens im Bundestag und Bundesrat. Lehnt eines dieser beiden Gremien das Abkommen ab, ist es gescheitert. Das Verfahren beginnt, wenn die Bundesregierung ein Ratifizierungsgesetz in den Bundestag einbringt. Dann ist der richtige Zeitpunkt, aktiv zu werden. [Umweltinstituit München/ jdm]