Diskussion mit Landtagskandidaten| EL am Sonntag vom 09.12.2007

EL-Kurier vom 09.12.2007

„In Dörpen gibt es keinen Befürworter mehr"

Kraftwerk: Landtagskandidaten fordern Bürgerentscheid

Dörpen (gs) _ Im Streit um den geplanten Bau eines Steinkohlekraftwerkes in Dörpen haben nach der Bürgerinitiative „Saubere Energie" (Bl) auch emsländische Landtagskandidaten eine Bürgerbefragung gefordert.

Vor mehr als 200 Zuhörern in der Gaststätte Westhus traten am Freitagabend erstmals alle sechs Bewerber aus dem Wahlkreis 82 Papenburg für die Wahlen zum niedersächsischen Landtag am 2 7. Januar 2008 gemeinsam öffentlich auf. Ihre Positionen zu den Kraftwerksplänen waren unterschiedlich. Neue Argumente zum Für und Wider für das Milliardenprojekt wurden hingegen nicht ausgetauscht.

„Schwarzgoldgräberstimmung in Dörpen - Braucht das Emsland ein Kohlekraftwerk?" Unter dieser Fragestellung hatte die Bl die Landtagskandidaten Bernd Busemann (CDU), Klaus Fleer (SPD), Heinrich Ganseforth (FDP), Hermann Bookjans (UWG), Nikolaus Schütte zur Wick (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Wolfgang Huwig (Die Linke) aufs Podium gebeten.

Foto aus Ems-Zeitung vom 08.12.2007Die Rollen waren klar verteilt. Während Schütte zur Wick für den Dörpener Busemann zwar von der Papierform her ein „Heimspiel" ausmachte, witterte der Grünen-Politiker für sich selbst ein „Heimspiel der Herzen". Der Papen-burger, selbst Bl-Mitglied, sollte Recht behalten.

Aber auch die Stellungnahmen der Kohlekraftwerkskritiker Fleer, Bookjans und Huwig wurden von den Zuhörern, darunter überwiegend Gegner des Vorhabens, wohlwollend registriert. Diese Vier waren es denn auch, die ihre Forderung nach einem Bürgerentscheid untermauerten. Zwar sehe die Niedersächsische Gemeindeordnung ein solches Verfahren nicht vor, wie Klaus Fleer ausführte. „Aber der Rat könnte durchaus die Bürger befragen und deren Meinungsbild in seinen Entscheidungsprozess einfließen lassen", fügte Hermann Bookjans hinzu.

In diesem Zusammenhang verwies Diskussionsleiter und Bl-Vorstandsmitglied Jan Deters-Meissner (Wippingen) auf das Beispiel der saarländischen Gemeinde Ensdorf. In dem 6700-Seelen-Ort hatte eine entsprechende Einwohnerbefragung die Kraftwerkspläne des Energieriesen RWE zu Fall gebracht.

Der Ensdorfer Bürgermeister Thomas Hartz (CDU) hatte sich für den Bau eingesetzt, aber die Zustimmung der Einwohner zur Bedingung gemacht. „In Dörpen wurde in dieser Frage bislang bewusst gegen die Interessen der Bürger entschieden", betonte Huwig. Der Papenburger forderte eine Bürgerbefragung aber nicht nur für Dörpen, sondern für die ganze Region. „Das Kraftwerk betrifft uns alle", so Huwig. Fleer sprach sich für eine Befragung auf Samtgemeindeebene aus.

Auch Schütte zur Wick hält einen Bürgerentscheid für „ein wichtiges Signal." Die Bl habe inzwischen „zigtausende Unterschriften" von Kraftwerksgegnern gesammelt. „Hier handelt es sich keineswegs um eine gefühlte Ablehnung. In der Dörpener Bevölkerung gibt es für das Projekt keinen Befürworter mehr", behauptete der Papenburger. Bernd Busemann wies die Forderung nach einem Volksentscheid unterdessen zurück.

Ebenfalls dagegen sprach sich Heinrich Ganseforth aus. Zur Erläuterung lenkte Busemann einen Blick auf die Geschichte der Region. Vor 50 Jahren sei das Emsland „das Armenhaus der Nation" gewesen. Ob Nordland Papier, Meyer Werft, ATP oder Transrapid - „wo wären wir heute, hätte es über die Entwicklung dieser Betriebe jeweils Volksentscheide gegeben?" Unabhängig davon stellte der CDU-Politiker mit Blick auf den derzeitigen Stand der Planungen fest, dass „die letzte Messe noch lange nicht gelesen" sei.

Darüber hinaus brach Busemann eine Lanze für Rat und Verwaltung seiner Heimatgemeinde. Den Bürgern riet er, Vertrauen in die von ihnen gewählten Volksvertreter zu investieren. Aberauch der Bl, deren Existenz er für ebenso legitim wie notwendig erachtet, empfahl der Minister, „an der Sache dranzubleiben".Gleichwohl hält Busemann den Bau eines modernen Kraftwerks im Kontext mit einem Mix aus alternativen Energien für vertretbar.

Fleer dagegen will sich weiter für regenerative Energien (insbesondere Blockheizkraftwerke) einsetzen und auch in Zukunft „versuchen, neue Kohlekraftwerke zu verhindern". Nach Angaben von Nikolaus Schütte zur Wick planen die Investoren derweil inzwischen zweigleisig. So will der Grünen-Politiker bei einer Stippvisite bei den Berner Kraftwerken (BKW) in der Schweiz erfahren haben, dass das Unternehmen auch einen Kraftwerksbau in Nordenham in Betracht zieht. Definitiv würden die BKW am Endeaber lediglich an einem Standort in Deutschland ein Steinkohlekraftwerk errichten, erklärte Schütte zur Wick. Die bisherigen Pläne der BKW FMB EnergieAG und Co-Investor Advanced Power AG für Dörpen sehen den Baubeginn fürdasJahr 2009 vor. Ab 2013 könnte die Anlage ans Stromnetz gehen. Die Investitionssumme für das Kraftwerk liegt bei rund 1,2 Milliarden Euro.

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