Weniger Geld für gleiche Arbeit

Unternehmen drücken Löhne durch Gründung eigener Leihfirmen

 

Wenn die Bundesagentur für Arbeit an diesem Donnerstag ihren Monatsbericht für Juni vorlegt, wird sie voraussichtlich erneut mitteilen können, dass die Zahl der Beschäftigten weiter zugenommen hat. Die Gewerkschaften betrachten den derzeitigen Aufschwung jedoch mit gemischten Gefühlen – und zwar           deshalb, weil jeder dritte der neuen Jobs in der Leiharbeitsbranche entsteht.

Dort aber wird schlechter bezahlt als in der regulären Arbeitswelt. Eine unveröffentlichte Umfrage der Gewerkschaft Verdi, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, offenbart nun, mit welchen Tricks Unternehmen versuchen, festangestellte Mitarbeiter durch Leiharbeiter zu ersetzen. Vor allem entdecken Personalmanager derzeit die Methode, hauseigene Leiharbeiterfirmen zu gründen ‑ und deren Beschäftigte sodann im eigenen Unternehmen einzusetzen.

 

Bei der Erhebung handelt es sich nicht um eine Studie im wissenschaftlichen Sinn. Die Gewerkschaft hat bundesweit Fragebögen an Betriebsräte sowie an ihre Sekretäre am Ort verschickt. Die 122 Fragebögen, die ausgefüllt zurückkamen, sollen weder einen repräsentativen Überblick über die Druck‑, Krankenhaus‑ oder Flughafenbranche noch über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern insgesamt geben. Aber sie zeigen doch, wie die Leiharbeit beginnt, die Ar=beitswelt zu verändern. Und wie wenig Gewerkschaften dem wahrscheinlich entgegenzusetzen haben.

 

Nach der Umfrage wird die Methode der hauseigenen Leiharbeiterfirma vor allem in der Krankenhausbranche, aber auch bei den Medien, entdeckt. Dabei existiert die neue Tochterfirma de facto nur auf dem Papier, gibt dem Mutterunternehmen aber zum Beispiel die Chance, die Zahl der eigenen Mitarbeiter seit dem Jahr 2003 um 80 Beschäftigte zu reduzieren, und die Zahl der Leiharbeiter im selben Zeitraum um 80 Personen zu erhöhen. Aus Kliniken wurde berichtet, dass alle Mitarbeiter außer Ärzten sowie Führungskräften in der Verwaltung nur noch bei der eigenen Leihfirma eingestellt werden, und aus Zeitungshäusern, dass neue Redakteure nur noch auf Leihbasis einen Job bekommen.

 

Eine öffentlich‑rechtliche Rundfunkanstalt wiederum verleiht Beleuchter und Tontechniker an andere, in einem anderen Unternehmen wurden 18 Mitarbeiter in die Leihfirma ausgelagert und dann wieder zurückgeliehen ‑ um so den Tarifvertrag der Branche zu unterlaufen. Namen von Firmen werden in dem internen Manuskript nicht genannt; es geht Verdi derzeit um die Ermittlung neuer Usancen, nicht um die Konfrontation mit bestimmten Firmen.

 

Möglich ist die Tariftrickserei seit dem Jahr 2004: Damals strich die rot‑grüne Koalition die Gesetzesvorschrift, dass `, ein Leiharbeiter maximal zwölf Monate in einem Unternehmen beschäftigt werden darf. Erleichtert wurde sie dadurch, ` dass der in Deutschland ansonsten unbedeutende „Christliche Gewerkschaftsbund" (CGB) damals einen Billig‑Tarifvertrag mit einem Arbeitgeberverband der Leihbranche abschloss. Dieser sieht Stundenlöhne von 6,80 Euro vor. Der DGB, der zur selben Zeit mit zwei ande~' ren Arbeitgeberverbänden verhandelte, :;;.kalkulierte intern bereits damit, 8,40 1Euro zu erreichen ‑aber nachdem der kleine CGB die Messlatte nach unten verlegt hatte, musste sich der DGB mit 7,38 ..Euro zufrieden geben. Und so entdeckt „"nun ein Personalchef nach dem anderen, ~"=:welche Möglichkeiten er da hat. Mit jedem Leiharbeiter spart er zwischen 20 und 40 Prozent ein.          Detlef Esslinger

 

Süddeutsche Zeitung vom 28.Juni 2007