Tagesspiegel (online), 09.03.2007

Allparteien-Bündnis gegen neues Kohlekraftwerk

Nach Grünen und CDU gehen auch Linke, FDP und SPD auf Distanz Umweltschützer fordern von Vattenfall klimafreundlichere Energieerzeugung

Gegen die Pläne des Vattenfall-Konzerns für ein neues Berliner Steinkohlekraftwerk formiert sich eine ganz große Koalition: In die Front der Gegner reihten sich gestern neben Grünen und CDU auch SPD, Linkspartei und FDP ein.

Die Liberalen und die Grünen forderten im Abgeordnetenhaus vom Senat, sich gegen die Pläne zu stellen. Als Hauptargument führen die Gegner die Klimabelastung durch den stärkeren Kohlendioxid- Ausstoß (CO2) an. Deshalb will auch die Arbeitsgruppe Umwelt in der Linkspartei den Senat und das Bezirksamt Lichtenberg auffordern, dem voraussichtlich in dem Bezirk geplanten Kraftwerk für jährlich 800 Megawatt Strom und etwa 600 Megawatt Wärme die Genehmigung zu verweigern. In der Parlamentsdebatte waren auch von den Sozialdemokraten kritischere Töne als zuvor zu hören. Das Kraftwerk auf Steinkohlebasis sei ein „absolut falsches Signal“, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz. Er warb dafür, Vattenfall dazu zu bewegen, die geplante Investition von einer Milliarde Euro für eine umweltfreundlichere und effizientere Anlage zur Strom- und Wärmeerzeugung auszugeben.

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Der Vattenfall-Konzern, der von den jährlich in Berlin verbrauchten 14 Milliarden Kilowattstunden nach eigenen Angaben etwa acht Milliarden in seinen zehn Berliner Heizkraftwerken erzeugt, hatte tags zuvor mitgeteilt, dass die neuen Pläne in einem zu frühen Stadium seien, um über Details zu reden. Ziel sei aber eine umweltfreundliche Lösung.

Der sind klare Grenzen gesetzt. Während unmittelbar giftige Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid und Schwermetalle weitgehend aus dem Kraftwerksrauch herausgefiltert werden können, lässt sich der CO2-Ausstoß bisher nicht verhindern. Die Menge des Klimakillers hängt vom Verbrauch an fossilen Brennstoffen ab. Versuche, das CO2 in den Boden zu leiten statt es in die Luft abzugeben, stecken im Frühstadium. Selbst wenn die Technik – wie Optimisten hoffen – in 15 Jahren serienreif sein sollte, müssen riesige Speicherkapazitäten erschlossen werden. Rund 750 Gramm CO2 entstehen pro Kilowattstunde Energie aus Steinkohle. Braunkohle schneidet mit 950 Gramm schlechter ab, Gas mit etwa 360 Gramm dagegen wesentlich besser.

Das ist ein Grund, weshalb der Grünen-Energieexperte Michael Schäfer – wie andere Kritiker – ein Gaskraftwerk favorisiert. Einen weiteren Vorteil sieht er darin, dass sich das fossile Erdgas später durch klimafreundliches Biogas ersetzen ließe. Bei einem Kohlekraftwerk entfiele diese Alternative. An die Notwendigkeit, das veraltete Vattenfall-Kraftwerk Klingenberg zu ersetzen, glaubt auch Schäfer. Allerdings sei der Neubau eines Kohlekraftwerks sogar besonders teuer, sagt er. Die Anlage lohne sich deshalb erst, wenn sie möglichst lange mit der – relativ billigen – Steinkohle befeuert werde.

Fürs Klima wäre das fatal: Zwei Millionen Tonnen verbrannte Steinkohle pro Jahr würden fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid freisetzen – 20 Prozent aller Berliner Emissionen. Würde die EU die diskutierte CO2-Reduzierung um 80 Prozent bis zum Jahr 2050 beschließen, wäre das Berliner CO2-Kontingent allein durch dieses eine Kraftwerk ausgeschöpft.