Private Autobahn von Holland quer durchs Emsland und den Kreis Cloppenburg zur A 1?
77 Kilometer lange E 233 ist Bundesstraße, wird als F-Modell angedacht und soll „bemautet“ werden
 
  
Die B 213 soll vierspurig ausgebaut werden. Damit einhergehen werden umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen, so weit die Trasse nicht tiefer gelegt wird wie jetzt bei der Umgehungsstraße Lastrup. Künftig sollen Lkw Maut zahlen, Pkw sollen weiterhin kostenlos fahren können.

Emsland/Cloppenburg.- Das Emsland rüstet sich nach der durch die Region erfolgten Vorfinanzierung der A 31 für ein weiteres Verkehrs-Vorzeigeprojekt. Zusammen mit dem Landkreis Cloppenburg sind die Vorbereitungen für einen privatfinanzierten vierstreifigen Ausbau der E 233, der einzigen Europastraße als Bundesstraße (B 402/B 213 und B 72), auf einer Länge von 75 Kilometern – ein Zehntel verfügt bereits über vier Fahrstreifen – sehr weit gediehen. Im Bundesverkehrsministerium geht es in der nächsten Woche noch um die Anschubfinanzierung.

Seit Jahren kämpfen die Kreise Cloppenburg und Emsland zusammen mit dem Städtering Zwolle-Emsland um den Ausbau der wichtigen Verkehrsachse zwischen Hoogeveen (NL) und Emstek (Kreis Cloppenburg), also zwischen der holländischen A 28 und der deutschen A 1. Damit soll die niederländische “Randstad“ (Amsterdam/Rotterdam) mit den Wirtschaftsmetropolen Bremen und Hamburg sowie mit den deutschen, polnischen, baltischen und skandinavischen Ostseeküstenraum verknüpft werden. Der vierstreifige Ausbau von der niederländischen Seite bis zur A 31 (Emsland-Autobahn) ist weitgehend abgeschlossen, aber zwischen der A 31 und der A 1 ist wenig passiert. Für die Umgehungstraße Lastrup erfolgte jetzt der erste Spatenstich. Ein vierstreifiger Ausbau der gesamten Strecke steht im Verkehrswegeplan des Bundes unter „weiterer Bedarf“, das heißt, vor 2015 läuft nichts.

Jetzt will die Region durch ein neues Modell dem Straßenbau Beine machen. Eine private Finanzierung im Rahmen des F-Modells (siehe nebenstehend) ist angedacht; ein Unternehmen baut und finanziert, erhält als Gegenleistung die Maut-Einnahmen. Für einige wenige Bundesstraßen – Ausweichstrecken für Lkw zur Einsparung der Maut – ist die „Bemautung“ bereits angedacht. Auch die E 233 wird von vielen Lkw genutzt, um bemautete Autobahnen (A 30 und A 28) zu umgehen.

Es gibt bereits ein Gutachten mit einer positiven Aussage, eine Prüfung der Finanzierungsmöglichkeit durch eine internationale Bank und auch das Speditionsgewerbe und die Region stehen den Plänen wohlwollend gegenüber. Auch Niedersachsen teilt diese Einschätzung. „Ich sehe diese Optionen durchaus positiv“, meint Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Walter Hirche (FDP). „Wenn das in der Region positiv gesehen wird, werden wir das unterstützen“. Aber der Bund müsse sich engagieren.

Vom Bundesverkehrsministerium muss die Anschubfinanzierung kommen. „Diese Gespräche haben wir Anfang April“, verriet jetzt Cloppenburgs Landrat Hans Eveslage. Ob nun die nach dem Gesetz erlaubte Höchstgrenze der Anschubfinanzierung mit 20 Prozent überschritten wird, hängt auch von den Mauteinnahmen ab. „Das F-Modell folgt dem Projekt“, meinen die Fachleute.

  
Ein Nadelöhr ist nördlich von Herzlake entstanden. Zwischen dem ständig erweiternden Unternehmen Brüggen und die nördlich der Umgehungsstraße verlegten Bahnlinie der Emsländischen Eisenbahn ist kein Platz mehr für eine vierstreifige Bundesstraße.

F-Modell: E 233 wäre die erste deutsche Bundesstraße als Betreibermodell

Das F-Modell ist ein Public Private Partnership-Modell für Straßen nach dem deutschen Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz. Der Betreiber übernimmt die Funktionen "Ausführungsplanung", "Bau", "Finanzierung", "Unterhaltung", "privater Betrieb", "Übernahme des Verkehrsmengenrisikos" und "Mautverwaltung". Aus diesem Grund wird dieses Modell zur Kategorie der Betreibermodelle (BOT) gezählt. BOT steht hierbei für Build, Operate, Transfer.

Autobahnen werden nicht von der Verwaltung gebaut, sondern in Ausschreibungsverfahren privat vergeben (Marktpreise). Durchschnittlich verursacht ein Autobahnkilometer beim Neubau ungefähr elf Mio. Euro. „Das sind Zahlen fürs Ruhrgebiet“, meinen Experten. Für die E 233 – rund 77 Kilometer lang - rechnet ein Ingenieurbüro mit 3,2 Mio. Euro Baukosten je Kilometer; sie dürften aber zwischen beiden Beträgen liegen. Die Unterhaltung und der Betrieb einer Bundesautobahn kosten durchschnittlich bis zu 100.000 Euro pro km und Jahr.

Die Finanzierung erfolgt über eine Maut, die der Konzessionär für die Benutzung erhebt, und eine Anschubfinanzierung des Staates.

Der Konzessionär erwirbt das Recht, für die Nutzung des von ihm gebauten Bauwerks von Nutzern Maut zu fordern. Nach einer gewissen Zeitspanne (meist 30 Jahre) fällt die Konzession an den Staat zurück.

Die Einnahmen des Konzessionärs stützen sich auf Mauteinnahmen (Pkw und Lkw – bei der E 233 wohl nur LKW, darauf haben die Landräte Wert gelegt) und eine bis zu 20prozentigen staatlichen Anschubfinanzierung. „Das ist aber verhandelbar“. Wegen der hohen Bedeutung der Maut sind belastbare Verkehrsmengenprognosen sehr wichtig. Wie sich allerdings in der Vergangenheit und im Ausland gezeigt hat, werden Verkehrsmengen oft zu hoch eingeschätzt. Hinzu kommt, dass in diesem Fall eines Tages die A 28 und danach die Küstenautobahn (A 22) manchen Verkehr aus den Niederlanden aufnehmen können.

Um das Risiko der Verkehrsmenge für den Konzessionär zu verringern, wäre es aber denkbar, ein Konzessionsmodell mit variabler Laufzeit zu nutzen. Dann würde der Konzessionär bei geringem Verkehrsaufkommen die Konzession länger behalten, und wäre so in der Lage, zumindest seine Verluste zu begrenzen.

Kritiker werfen dem F-Modell vor, dass es zu Lasten der Straßennutzer konzipiert wurde. Letztlich können alle Kosten auf die Nutzer umgelegt werden, solange die Kosten unterhalb des Nutzens bleiben. Dies kann zu "goldenen Leitplanken" führen (cost-push).

Nach dem F-Modell sind der Warnowtunnel bei Rostock 2003 und der Herrentunnel in Lübeck 2005 in Betrieb gegangen. Die Stralsund-Querung war zunächst als F-Modell gedacht gewesen. Sie wird nach vielen Rückschlägen und der Aufhebung der Ausschreibung 2003, bei der es dem Bund an verwertbaren Angeboten fehlte, nun doch "konventionell" gebaut. Die E 233 wäre die erste Straße, die nach dem F-Modell finanziert wird.

http://www.marktplatz-emsland.de

23.02.2007