Kampf der Hafenarbeiter Europas gegen Port Package| UZ vom 06.01.2006
Dann beginnt erst der Tanz
Kampf der Hafenarbeiter Europas gegen Port Package

Bernt KaminInterview mit Bernt Kamin, Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter in Hamburg und stellvertretender Bundesvorsitzender für den Bereich Verkehr in ver.di und 2003 Koordinator der Aktivitäten der europäischen Hafenarbeitergewerkschaften in der Europäischen Transportarbeiterförderation (ETF).

UZ: Erfolgreich haben die Hafenarbeiter die EU-Richtlinie "Port Package", die drohende Deregulierung der Hafenarbeit, 2003/2004 mit ihren europaweiten Aktionen verhindert. Wie kommt es, dass nun dieses Port Package wieder aufgelegt wird und wer steckt dahinter?

Bernt Kamin: Vor der letzten Europawahl hat die alte Kommission mit der Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, zwei oder drei Wochen vor Amtsende, noch einmal die gleiche Richtlinie in leicht verschärfter Form vorgelegt. Das wirft ein Licht auf das Demokratieverständnis der Kommission, die ja damit im Grunde nicht anderes sagt als: Liebes Parlament, ihr habt es nicht begriffen, noch einmal.

Das ist ziemlich unverschämt. Wenn man das ökonomische Kräfteverhältnis betrachtet ist deutlich, dass das produzierende Gewerbe und die Schiffseigner, die Reeder, gesteigertes Interesse haben diesen Teil der Transportkette ebenfalls zu deregulieren. Wenn man sich die weltweiten Verkehrsströme anschaut, kann man feststellen, dass überall mit "Erfolg" dereguliert worden ist, egal ob es die Flughäfen, der Luftverkehr, der Straßenverkehr, der Schienenverkehr, die Schifffahrt sind. Die einzige Bastion, die es noch gibt, sind im Grunde die Häfen, die nach wie vor ökonomisch sehr erfolgreich und sozial stabil sind. Die Ideologie, die dahinter steckt, heißt im Kern: Seht zu dass der Transport noch billiger wird und in dem Maße wie der Transport von Waren billiger wird, können noch mehr Waren in den internationalen Austausch gebracht werden.

UZ: Gibt es Unterschiede zu Port Package I und welchen Zusammenhang gibt es mit der sogenannten Bolkestein-Richtlinie?

Bernt Kamin: Man kann sagen, sie ist noch drastischer, noch konsequenter formuliert, in der Form, dass den Hafenbetreibern, den sogenannten Terminal Operators, vorgeschrieben werden soll, dass sie in relativ kurzen Abständen ihre Dienstleistung neu ausschreiben müssen. Wenn man sich das Investitionsvolumen solcher Anlagen anschaut, dann redet man immer gleich über mehrer hundert Millionen, sodass es mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen wird, dass die Terminal Operators nicht mehr in dem Maße investieren würden, weil sie überhaupt keine Chance sehen, dass sich ihr Kapital amortisiert. Das ist auch der Grund, warum sie von "kalter Enteignung" sprechen und warum sie vehement gegen Port Package sind.

Die Bolkestein-Richtlinie hat just den selben Ansatz. Wenn man sich die Beschlüsse von Lissabon ansieht, dann ist ja die Botschaft ziemlich einfach: Dereguliere alles, was heute noch in Staatseigentum ist, wie z. B. in Hamburg die Hafen und Logistik AG, und führe es den Kapitalverwertungsmechanismen zu, und damit hoffen sie aus der Krise zu kommen. Diese etwas platte Ideologie wiederholen sie wie die Papageien, ohne dabei darauf zu achten ob es überhaupt Sinn macht. Das ist insbesondere in den Häfen deutlich, weil die Häfen eine absolute Erfolgsstory sind. Es gibt kaum einen Bereich der über so einen langen Zeitraum so große Zuwachsraten hat. Die Arbeitsbedingungen sind vergleichsweise gut. Es werden Arbeitsplätze geschaffen, wir stellen in hohem Umfang ein und das ist beileibe kein deutsches Phänomen, das passiert auch in den anderen Häfen. Und dann kommen die Deregulierungsfanatiker und sagen es muss alles anders werden, was natürlich vollkommener Schwachsinn ist. Es macht überhaupt keinen Sinn dieses System zu zerstören, weil es für alle Beteiligten erfolgreich ist. Dass wir als Hafenarbeiter dabei nicht von den normalen Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Kapital ausgenommen sind ist klar.

UZ: Welche Auswirkungen würde das Port Package II auf die Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen in den Häfen haben?

Bernt Kamin: Angenommen die Kommission wäre erfolgreich, dann befürchten wir, dass so was ähnliches passiert wie in der Seeschifffahrt. Dort haben wir ja erlebt, wie eine gut ausgebildete deutsche Seeflotte in den Ruhestand geschickt wurde und ersetzt wurde durch Billigarbeitskräfte. Sicherlich ist es in den Häfen nicht so einfach wie in der Schifffahrt, dass man aus anderen Ländern die Arbeiter holt, aber der Mechanismus wäre ein ähnlicher. Man versucht eine Reihe von Tätigkeiten, die heute gut qualifiziert zu sicheren Bedingungen ausgeführt werden - man darf ja nicht vergessen, das zig Millionen Tonnen gefährlicher Güter umgeschlagen werden, mitten in den Städten - dass das ersetzt wird durch billige Arbeitskräfte, mit dem Ziel, dass der Umschlag billiger wird.

Andererseits, wie eben schon gesagt, werden dann die heutigen Kapitalgeber überlegen ob sie investieren, wenn die Ausschreibungszeiten verkürzt würden. Die Folge wäre dann, und das kann man ihn Antwerpen und Rotterdam mittlerweile sehen, dass die großen Global-Player wie Hutchinson oder PSA (Port of Singapore Authority) ganze Hafenstandorte aufkaufen. Und das ist schon eine andere Nummer, ob ich auf einen ortsgebundenen Arbeitgeber treffe, der sich in öffentlicher Hand befindet, wie die Hamburger HHLA, den ich politisch beeinflussen kann, dessen Entwicklungspolitik ich bei Wahlen zur Disposition stellen kann oder ob Entscheidungen zukünftig in Hongkong oder sonstwo getroffen werden. Es gibt einige große Global-Player, die ganze Hafenplätze aufkaufen und so versuchen die Transportketten der Welt in ihren Einflussbereich zu bekommen. Dann werden Entscheidungen nach völlig anderen Gesichtspunkten getroffen und dann ist es viel schwieriger Infrastrukturpolitik politisch zu beeinflussen. Dann kann es denn auch schon mal sein, dass aus grundsätzlichen Überlegungen ganze Standorte verlegt werden. Das ist dann für alle Beteiligten nicht mehr witzig.

UZ: Am 11. 1. finden von den Hafenarbeitern Protestaktionen gegen Port Package statt. Was ist geplant?

Bernt Kamin: Wir haben, wie eingangs erwähnt, 2003 mit großem Erfolg grenzüberschreitende politische Arbeitskämpfe und Demonstrationen durchgeführt. Das werden wir wieder tun und zwar in verschärfter Form. Wir werden in der Plenarwoche (16. 1.), in der über das Port Package abgestimmt werden soll, in Straßburg mit Hafenarbeitern aus ganz Europa demonstrieren und wir werden voraussichtlich die wichtigsten europäischen Häfen für 24 Stunden dichtmachen, um zu verdeutlichen, dass wir es ernst meinen. Wir haben in den vergangenen Wochen, als im Verkehrsausschuss beraten worden ist, zeitgleich während der Arbeitszeit unsere Kollegen informiert. Wir nehmen uns das Recht in den Betrieben zu diskutieren, wenn über unsere Zukunft entschieden werden soll.

Es ist geplant, dass die großen Westhäfen am 11. 1. koordiniert dichtgemacht werden, natürlich immer unter Berücksichtigung der jeweiligen nationalen Gesetzgebungen, die sehr unterschiedlich sind. Man kann also davon ausgehen, dass in dem Zeitraum um die Entscheidung am 16. 1. sichtbar wird, dass die Hafenarbeiter Europas in keinster Weise Willens sind, sich Entscheidungen zu fügen, die gegen sie gerichtet sind. Die Botschaft wird klar sein, selbst wenn sie sich gegen uns entscheiden würden, dann heißt das nicht, dass wir uns hinlegen, sondern dann beginnt der Tanz erst. Wir machen gute Arbeit, haben ein Anrecht darauf, vernünftig bezahlt zu werden und weiterhin gute soziale Bedingungen vorzufinden und wir werden es nicht zulassen, dass irgendwelche Überzeugungstäter das kaputtmachen, nur damit das produzierende Gewerbe und die Reeder noch mehr Profit machen. Wenn sie gegen uns entscheiden, werden wir geeignete Maßnahmen grenzüberschreitend entwickeln. Nicht nur demonstrieren, sondern ökonomischen Druck erzeugen und den kann man nun mal nur erzeugen indem man die Klamotten hinschmeißt und das wird passieren.

UZ: Port Package II, die Bolkestein-Richtlinie, Agenda 2010: Haben die Gewerkschaften eine Gegenstrategie oder stirbt jeder für sich allein?

Bernt Kamin: Ich finde es gut und richtig, wenn Gewerkschaften wie ver.di, der DGB und der Europäische Gewerkschaftsbund zu Demonstrationen aufrufen und Kolleginnen und Kollegen nach Brüssel oder Straßburg mobilisieren. Ich glaube nur nicht daran, dass dies ausreicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Aktivitäten kombiniert sein müssen mit Aktionen in den Betrieben. Nun sind aber leider die Kräfteverhältnisse und die Traditionen nicht so ausgeprägt, dass man sich wie in den Häfen das Recht nimmt die Klamotten hin zu schmeißen.

Was es gibt, ist der Versuch die Bevölkerung einzubeziehen, dass an den Wochenenden die Gewerkschaften auf die Straße gehen und Infostände machen, um die Leute darüber zu informieren was da auf sie zukommt und was es bedeutet, wenn bisher öffentliches Eigentum verscherbelt und den Kapitalverwertungsbedingungen zu geführt wird. Insoweit ist das schon eine Strategie und koordiniert, aber ich finde es müsste noch einen Schritt weiter gehen. Die Auseinandersetzungen müssten in die Betriebe getragen werden. Wir haben bei den Flughäfen erlebt, dass es nicht gereicht hat, dass wir gegen die Privatisierung demonstrierten, sondern die Arbeitsbedingungen haben sich dramatisch verschlechtert. Ich erlebe das im Öffentlichen Personennahverkehr, wo es seit Jahren immer nur darum geht die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten zu verschlechtern, weil deren Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen und nur immer der billigste den Zuschlag erhält. Insofern habe ich die Sorge, dass die Strategie zu kurz greift.

Die Fragen für die UZ stellte
Wolfgang Teuber

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