Lehrstuhl für Niederdeutsch an der Universität Göttingen gestrichen | Leserbrief in der Ems-Zeitung vom 22. Juli 2005 |
"Streichung
des Lehrstuhls kulturelles Armutszeugnis"
Betrifft: Pflege der niederdeutschen Sprache:
Die niederdeutsche Sprache ist in Niedersachsen besonders weit verbreitet. So ist es
nicht verwunderlich, dass sich immer wieder auch Politiker damit schmückten, dass sie
Plattdeutsch sprechen können, dies gelegentlich auch bei öffentlichen Auftritten
werbewirksam taten (gerne auch in Wahlkampfzeiten). Plattdeutsch wurde zeitweilig sogar im
Landtag hoffähig... Es gibt sogar einen vor 50 Jahren gegründeten Lehrstuhl für
Niederdeutsch an der Universität Göttingen.
Das heißt: Es gab ihn. Denn dieser Lehrstuhl fiel gerade dem Rotstift der Landesregierung
zum Opfer mit Ablauf des Sommersemesters. Und niemand von den 1,8 Millionen Plattdeutsch
Sprechenden in Niedersachsen scheint's so recht bemerkt zu haben... Lehrstuhlinhaber Prof.
Stellmacher ist emeritiert worden. Das zehnbändige Niederdeutsche Wörterbuch ist zwar
noch nicht fertig, aber das könne ja, so einige Sparfüchse in der Landesregierung, auch
ehrenamtlich auf Rentnerbasis gemacht werden.
Leise Proteste gab es, ja: vom Niedersächsischen Heimatbund, vom Bundesrat für
Niederdeutsch, von der Uni natürlich. Aber die Heimatvereine, die sich die Pflege der
Plattdeutschen Sprache auf ihre Fahnen geschrieben haben, von Lokalpolitikern, die sich
sonst gerne mit Plattdeutsch schmücken, wenn sie eine Wahlrede im Dorf halten? Die
scheinen alle nichts gemerkt zu haben zumindest war deren Protest recht leise, vermutlich
nur geflüstert.
Die Streichung des Niederdeutschen Lehrstuhls ist ein kulturelles Armutszeugnis in einer
angeblichen Kulturnation, die sich seltsamerweise immer noch ,das Volk der Dichter und
Denker` nennt. Ohne die Förderung und wissenschaftliche Erforschung dieser uralten
Kultursprache wird ein großer Teil von ihr unwiderruflich verloren gehen.
Die wissenschaftliche Erforschung der Niederdeutschen Sprache ist übrigens über 250
Jahre alt, wird seit 1751 auf den Orientalisten und Theologen Michaelis (Göttingen)
zurückgeführt. Der Rotstift kurzsichtiger Sparpolitik beendet eine lange
Tradition."
Heinz Thien
Mühlenstraße 3
Sögel
jdm/Ems-Zeitung vom 22.07.2005