Weltaidstag 1.12.2004

Aids verbreitet sich schneller als jemals zuvor

Weltaidstag: Immer mehr Frauen von Epidemie betroffen

Rote Schleife


Brüssel - Die Aidsepidemie hat einen neuen traurigen Höchststand erreicht. Weltweit sind fast 40 Millionen Menschen HIV-infiziert, so viele wie noch nie.

Rasant gestiegen ist der Anteil der Frauen: Lag er vor sechs Jahren noch bei 41 Prozent der erwachsenen Infizierten, sind es mittlerweile 50 Prozent.


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Aufklärung in Südafrika
Aufklärung tut Not - und sei es mittels naiver Mauermalerei wie hier in Südafrika.



Brüssel/London - Das Aidsvirus hat im Jahr 2004 mehr Menschen getötet und sich schneller verbreitet als jemals zuvor. Die Zahl der Aidstoten wird im laufenden Jahr auf 3,1 Millionen steigen, wie aus dem jüngsten Weltaidsbericht hervorgeht, der am Dienstag in Brüssel und London veröffentlicht wurde. Weltweit haben sich 4,9 Millionen Menschen neu infiziert, rund 100 000 mehr als im vergangenen Jahr. Zum Jahresende werden fast 40 Millionen Menschen auf der Erde mit dem Aidserreger leben, so viele wie noch nie.
«Auf allen Kontinenten steigt die Zahl der Neuinfektionen», betonte der Direktor des Aidsbekämpfungsprogramms der Vereinten Nationen (UNAIDS), Peter Piot. Die Zahl der infizierten Frauen steigt dabei dem Bericht zufolge noch schneller als die der Männer. Während vor sechs Jahren 41 Prozent der erwachsenen HIV-Infizierten Frauen waren, sind es heute bereits 50 Prozent. Frauen seien deutlich anfälliger für eine Infektion als Männer, erläuterte Piot. So sei das Risiko, dass ein infizierter Mann beim Sex eine Frau anstecke, doppelt so hoch wie im umgekehrten Fall.

Die meisten Frauen infizierten sich, weil sie keine Kontrolle über ihre sehr risikobereiten Partner haben, berichtete UNAIDS. So vertraten in dem südafrikanischen Land Sambia bei einer Studie nur elf Prozent der befragten Frauen die Meinung, sie hätten das Recht, ihren Mann zum Tragen eines Kondoms aufzufordern - selbst wenn er HIV-positiv war. Im südlichen Afrika, der am stärksten betroffenen Region der Welt, sind bereits 60 Prozent der Infizierten Frauen. Unter den 15- bis 24-Jährigen sind es 75 Prozent.

Um Frauen und Kinder zu schützen, müssten ihre Rechte schnell und nachhaltig gestärkt werden, forderte Piot. «Wenn wir eine realistische Chance gegen die Epidemie haben wollten, müssen wir die Gleichberechtigung der Geschlechter schaffen.»

In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl der Infektionen vor allem in Asien und Osteuropa stark gestiegen. Allein in Ostasien nahm die Zahl der Infizierten binnen zweier Jahre um 50 Prozent zu: von 760 000 auf 1,1 Millionen. Hauptursache dafür ist die schnell wachsende Epidemie in China, heißt es bei UNAIDS. Die «wiederauflebende» Epidemie in der Ukraine und die Zuwächse in Russland seien der treibende Faktor dafür, dass in Osteuropa und Zentralasien nun 40 Prozent mehr Infizierte lebten als 2002 (1,4 Millionen statt 1 Million).

Die mit Abstand am schlimmsten betroffene Region bleibt aber Afrika südlich der Sahara: Hier leben mit 25,4 Millionen HIV- Infizierten zwei Drittel aller Betroffenen. In Deutschland ist die Zahl der jährlichen Neuinfektionen dagegen mit etwa 2000 Fällen weitgehend konstant. Bundesweit leben nach Daten des Robert Koch- Instituts rund 44 000 HIV-Infizierte, mehr als drei Viertel davon Männer. Aidsexperten beklagen jedoch eine zunehmende Sorglosigkeit in Deutschland.

UNAIDS hatte im Jahr 2003 die statistische Grundlage für die weltweiten Aidszahlen geändert, da die Zahlen in den Jahren davor leicht überschätzt worden waren.

Dem UN-Aidsbekämpfungsprogramm zufolge bekamen im Juni 2004 nur etwa 440 000 Menschen in den armen Ländern Medikamente - «das bedeutet, dass neun von zehn Menschen, die die Behandlung benötigen, sie nicht bekommen», heißt es in dem Bericht. Wenn dies so bleibe, würden binnen der nächsten zwei Jahre 5 bis 6 Millionen Menschen an Aids sterben. Seit ihrer Entdeckung 1981 hat die unheilbare Immunschwäche schätzungsweise 25 Millionen Menschen getötet. «Wir haben keinen Impfstoff, wissen aber, dass Vorbeugung und Behandlung funktionieren», betonte der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Jong Wook Lee.

Die weltweiten Ausgaben zur Bekämpfung der Immunschwäche haben sich seit 2001 auf jährlich 4,7 Milliarden Euro verdreifacht. «Es ist aber offensichtlich, dass wir künftig noch mehr Geld benötigen», sagte Piot. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte Aids im vergangenen Jahr als eine «wirkliche Massenvernichtungswaffe» bezeichnet. Im Kampf dagegen seien die meisten Regierungen lange nicht so engagiert wie etwa bei der Verfolgung von Terroristen: «Das deutet doch auf eine unglaubliche Abgebrühtheit in», sagte Annan.

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