Ems-Zeitung vom 22.01.2003
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Hubert Brand: In Dersum stinkt es zum Himmel

Dersum (WS)

Mit großen Interesse verfolgten zirka 150 Bürger die Diskussion um die Geflügelmastställe in Dersum. Die Interessengemeinschaft "Contra Geflügelmast" hatte die Bevölkerung und die Vertreter der verschiedenen Parteien zum politischen Frühschoppen in den Saal Ganseforth in Dersum eingeladen.

Grund der Versammlung war der nach Meinung der Bürgerinitiative und vieler Bürger ausufernde Bau von Geflügelmastställen in Dersum. Trotz des brisanten Themas verlief die Versammlung Dank der souveränen Moderation der Diplom-Ökonomin Ulrike Friebel sachlich und ruhig. Sie stellte die Frage in den Raum: "Ist das landwirtschaftliche Baugesetz noch vereinbar mit der Massentierhaltung?" In Dersum gibt es zurzeit 29 Geflügelmastställe mit rund einer Million Plätzen und weitere elf Ställe sind geplant. Damit würde die Zahl der Mastplätze auf über 1,5 Millionen ansteigen.

Um das zu verhindern, hat sich in Dersum eine Interessengemeinschaft gebildet, der nach eigenen Angaben mittlerweile 50 Mitglieder angehören. Sie fordern einen Genehmigungsstopp für Mastställe bis ein neuer Flächennutzungsplan mit der Ausweisung von Vorranggebieten erstellt ist. Es sollten Grenzwerte für die Vieheinheiten festgeschrieben werden und nur einheimische Landwirte dürften im Rahmen von notwendigen Betriebserweiterungen eine Genehmigung erhalten.

Die Moderatorin berichtete, dass man in Holland die Problematik der Besatzdichte in der Tiermasthaltung relativ früh erkannt habe und keine Massentierhaltungsanlagen mehr genehmigt würden. Die Folge davon sei, dass die holländischen Futtermittelkonzerne auf den deutschen Markt drängten. Es bestehe daher der begründete Verdacht, dass holländische aber auch deutsche Futtermittelhersteller hinter den Planungen der Mastställe im deutschen Grenzbereich stünden. Diese großen Firmen betrieben einen ruinösen Wettbewerb zu Lasten der einheimischen konventionellen Landwirtschaft. Hierzu bemerkte Hubert Brand von der Bürgerinitiative: "Es kann nicht sein, dass sich die konventionelle Landwirtschaft nicht erweitern kann, weil die Grenzwerte wegen der Mastställe erreicht ist". Nicht nur die Geruchsbelästigung sondern auch die gesundheitlichen Gefährdungen für die Menschen, die durch die Emissionen der Mastställe entstünden, sei ein wichtiger Aspekt für deren Ablehnung.

Auch die Politiker waren einhellig der Meinung, dass der derzeitige Weg in die Sackgasse führe und die politischen Rahmenbedingungen dringend geändert werden müssten. Da dies jedoch nur auf Bundesebene möglich sei, könne man kurz- bis mittelfristig keine Hilfe erwarten.

Aus der Versammlung musste sich der Dersumer Gemeinderat den Vorwurf gefallen lassen, die Kommunalpolitiker versteckten sich hinter dem Bundesbaugesetz und besäßen nicht den Mut, die Anträge abzulehnen. Bürgermeister Hermann Schwarte verwahrte sich gegen diese Anschuldigung und erwiderte: "Die Landwirtschaft ist im Umbruch, aber so wie es in den letzten Jahren läuft, kann es nicht weitergehen, hier müssen Riegel vorgeschoben werden. Uns als Gemeinde fehlt dafür aber die Rechtsgrundlage, uns sind die Hände gebunden. Im Falle einer Ablehnung können wir persönlich haftbar gemacht werden". Er merkte weiter an, dass ein neuer Flächennutzungsplan in Bearbeitung sei, aber die Umsetzung benötige noch etwas Zeit.

Um kurzfristige Verbesserungen zu erreichen, unterbreitete ein Teilnehmer aus der Versammlung den Vorschlag, mit dem Einbau technischer Einrichtungen die Emissionen der Mastställe wenigstens zu reduzieren.

FDP-Landtagskandidat Hermann-Josef Averdung sagte: "Die Landwirte sind freie Unternehmer, doch sie sollten überlegen, ob sie sich mit den Massenställen einen Gefallen tun, sonst beherrscht sie bald das Großkapital der Konzerne, und das ist tödlich für die Landwirtschaft".

Ekkehard Domning, Landtagskandidat von Bündnis90/Die Grünen ergänzte: "Wir müssen aus der Sackgasse der Massentierhaltung herauskommen und hin zu artgerechter Tierhaltung". Der SPD Kreistagsabgeordnete Heinz Dirksen bemerkte unter anderem: "Es kann nicht sein, dass zwei bis drei Landwirte die gesamte Entwicklung in einer Gemeinde beeinflussen können".

Auf die Frage an die Vertreter der Bürgerinitiative, warum sie nicht früher aktiv geworden sei, antwortete Hermann Coßmann: "Wir waren am Anfang vielleicht ein bisschen zu naiv und haben das Problem unterschätzt". Hubert Brand fügte hinzu: "Wir sind nicht eher eingeschritten, weil wir Rücksicht auf die Landwirte genommen haben, doch wenn man heute durch Dersum geht, stinkt es zum Himmel." Silvia Timmer fügte hinzu: "Wir sind nicht gegen die Landwirtschaft, aber auch wir Anwohner müssen damit leben können".


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