|  Chronik
    des Krieges in Afghanistan | 

 
Chronik des Krieges gegen Afghanistan
Oktober 2001
  - Seit Sonntagabend (7. Oktober), 18.15 Uhr MEZ befinden sich die USA und Großbritannien
    im Krieg gegen Afghanistan. 
- Am 8. Oktober wiederholt Bundeskanzler Schröder seine "uneingeschränkte
    Solidarität" mit den USA und sichert der US-Regierung seine Unterstützung für
    deren Krieg "ohne Vorbehalt" zu. 
- Am 9. Oktober werden bei den Angriffen vier zivile UN-Mitarbeiter in Kabul, die mit
    Aufgaben der Minenräumung befasst waren, getötet. Das US-Verteidigungsministerium sprach
    von einer verirrten Rakete, die vom ursprünglichen - militärischen - Ziel abgewichen
    wäre.
 Ebenfalls am 9. Oktober billigt der UN-Sicherheitsrat die Militärschläge der USA gegen
    Afghanistan.
- Am 8./9./10. Oktober protestieren Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne
    Grenzen", terre des hommes, das UN-Flüchtlingswerk oder das UN-Kinderhilfswerk
    UNICEF gegen den Abwurf von Lebensmittelrationen über Afghanistan durch die US-Luftwaffe.
    Diese Aktion sei reine Propaganda und ein "Tropfen auf den heißen Stein".
    Gleichzeitig seien die Hilfsorganisationen daran gehindert, ihre wesentlich
    wirkungsvollere und umfassendere Hilfe der notleidenden Bevölkerung zukommen zu lassen. 
- Am 11. Oktober setzen die USA erstmals in diesem Krieg die berüchtigten
    "Streubomben" ein. Die Angriffe werden immer massiver. Die getöteten Zivilisten
    gehen möglicherweise schon in die Hunderte.
 Am 11. Oktober bekennt sich Kanzler Schröder in seiner Regierungserklärung zu einer
    neuen Verantwortung Deutschlands auch an weltweiten Militäreinsätzen. Schröder erhält
    enthusiastischen Beifall auch von der CDU/CSU-Opposition.
- Am 12. und 13. Oktober intensivieren die USA und Großbritannien ihre Angriffe.
    Gleichzeitig eskalieren die Proteste insbesondere in asiatischen Ländern (Pakistan,
    Malaysia, Indonesien). 
- Am 13. Oktober kommt es zu Demonstrationen in aller Welt gegen die Angriffe auf
    Afghanistan und gegen die Pläne der USA zur Militarisierung des Weltraums. In Deutschland
    demonstrieren rund 80.000 Menschen (50.000 in Berlin, 30.000 in Stuttgart) gegen den
    Krieg. 
- Am Wochenende (13./14. Okt.) nehmen in den USA die Milzbrandfälle zu.
    US-Gesundheitsminister Thommy Thompson sagte: "Die Versendung von Milzbrandbakterien
    mit der Post ist sicherlich eine terroristische Tat." 
- Am 14. Oktober geben die USA mindestens drei "Fehltreffer" zu, bei denen
    Zivilisten zu Schaden gekommen seien. Nach afghanischen Angaben geht die Zahl der
    getöteten Zivipersonen bereits in die Hunderte. 
- Am 15. Oktober gehen die Grünen auf Distanz zum Krieg und fordern eine
    "Feuerpause". Dabei berufen sie sich auf die UN-Menschenrechtskommissarin Mary
    Robinson, die sich für eine Unterbrechung der Luftangriffe ausgesprochen hatte, um Hilfe
    für die notleidende Bevölkerung zu organisieren.
 Am 15. Oktober legt Bundesinnenminister Schily ein zweites Paket zur
    Terrorismusbekämpfung vor. Der Entwurf zum "Gesetz zur Bekämpfung des
    internationalen Terrorimsus" ist 110 Seiten stark und geht noch weit über das
    hinaus, was bislang in der rot-grünen Koalition geplant war. Schwerpunkte sind die
    Sammlung personenbezogener Informationen, die Ausweitung der Überprüfungen von Personen
    auf ihre "Zuverlässigkeit" durch den Verfassungsschutz, die Festlegung von
    besonders überwachungssensiblen öffentlichen und privaten Betrieben sowie
    Verschärfungen im Ausländerrecht.
- Am 16. Oktober gab das amerikanische Verteidigungsministerium zu, dass US-Bomben ein
    Lagerhaus des Roten Kreuzes bei Kabul getroffen haben. 1000-Pfund-Bomben, die von einem
    Kampfflieger abgeworfen wurden, hätten ein oder mehrere Lagerhäuser getroffen. Die
    Lagerhäuser seien als Ziel ausgewählt worden, weil die Taliban darin Militärausrüstung
    lagerten, heißt es in der Mitteilung. Die USA hätten nicht gewusst, dass die Gebäude
    auch vom Roten Kreuz genutzt wurden. Nach Angaben des Roten Kreuzes in Genf sei bei den
    Angriffen ein Mitarbeiter verletzt worden. Nahrungsmittel, Medikamente und Decken seien
    zerstört worden.
 Am 16. Oktober rückte die Fraktionsspitze der Grünen von ihrem Parteiratsbeschluss vom
    Vortag ab. Rezzo Schlauch und Kerstin Müller sagten, die Partei plädiere nicht für eine
    "Feuerpause", sondern nur dafür, "eine Feuerpause zu prüfen".
 Beim Besuch des US-Außenministers Powell in Pakistan wurden dem Land wirtschaftliche
    Hilfen versprochen. Im Gegenzug stimmte Präsident Musharaff einer Beteiligung der
    Nordallianz an einer zu gründenden Nach-Taliban-Regierung in Kabul zu. Gleichzeitig hieß
    es, Musharaff und Powell strebten eine "multiethnische Regierung auf breiter
    Grundlage ohne ausländische Einmischung" an.
- Am 16. und 17. Oktober verdichten sich die Anzeichen, dass ein Einsatz von Bodentruppen
    in Afghanistan unmittelbar bevorstünde. Dies geht u.a. daraus hervor, dass die USA
    erstmals auch Propeller-Flugzeuge vom Typ AC-130 einsetzten, die als besonders treffsicher
    gelten und in niedriger Flughöhe zur Unterstützung von kleinen Spezialeinheiten dienen.
    Die langsam fliegende Maschine verfügt je nach Modell über 40-oder
    105-Millimeter-Kanonen und 25-Millimeter-Geschütze; sie kann pro Minute bis zu 1.800 Mal
    feuern. Das heißt, Ziele können mit einem "Teppich" von Geschossen belegt
    werden. 
- Am 17. Oktober haben die USA bei ihren Luftangriffen eine afghanische Schule
    bombardiert. Ein Sprecher der Vereinten Nationen bestätigte in Islamabad, dass eine
    US-Bombe in eine Jungenschule in der Hauptstadt Kabul einschlug. Glücklicherweise
    detonierte sie jedoch nicht. Afghanische Sprengstoffexperten bemühten sich, die Bombe zu
    entschärfen. 
- Am 18. Oktober griffen die US-Streitkräfte den zwölften Tag in Folge Ziele in
    Afghanistan an. Beschossen wurden Kabul, Kandahar und Dschalalabad. Nach einem Bericht der
    privaten afghanischen Nachrichtenagentur AIP kamen bei den Angriffen am Donnerstag acht
    Bewohner Kabuls ums Leben. 
 Der britische Premierminister Tony Blair deutete am Donnerstag den baldigen Beginn einer
    neuen Phase des Kriegs gegen den Terrorismus an. Er sprach von einer Zeit größter
    Prüfungen in den nächsten Wochen. Zu Beginn oder Umfang eines möglichen Bodenkriegs
    wollte sich Blair nicht äußern. Er sagte aber, die Anti-Terror-Koalition habe nie daran
    gedacht, dass die Ziele allein mit Luftangriffen erreicht werden könnten.
 Der Militärkommandeur von Bin Ladens Terrornetzwerk al-Qaida, Mohammed Atif, drohte per
    e-mail damit, dass getötete amerikanische Soldaten durch die Straßen Afghanistans
    geschleift würden, wie dies bereits 1993 in Somalia der Fall gewesen war.
 In einer von der PDS-Fraktion beantragten aktuellen Stunde im Bundestag forderte deren
    außenpolitischer Sprecher Wolfgang Gehrcke einen Stopp der Bombenangriffe. Alle anderen
    Parteien lehnten so etwas kategorisch ab.
- Am 19. Oktober sind nach Angaben aus dem Pentagon erstmals auch US-Bodentruppen in
    Afghanistan gelandet. Es soll sich um eine kleinere Spezialeinheit handeln, die im Süden
    des Landes eingesetzt werde, um Bemühungen der CIA zu unterstützen, einen Keil zwischen
    die Taliban und die Führer der Volksgruppe der Paschtunen zu treiben und die Paschtungen
    zum Überlaufen zu bewegen. Unterstützt wird dieser Versuch durch Radioprogramme, die von
    US-Flugzeugen ausgestrahlt werden.
 Bei den Luftangriffen auf Kandahar am 19. Oktober wurden nach Angaben der afghanischen
    Nachrichtnagentur AIP mindestens sieben Zivilisten getötet und 15 verletzt. Damit habe
    sich die Zahl der zivilen Todesopfer auf über 470 erhöht.
- Am 20. Oktober sollen nach Angaben aus US-Regiertungskreisen rund 100 US-Soldaten eine
    Kaserne bei Kandahar angegriffen haben. Die Soldaten wurden per Hubschrauber ein- und
    wieder ausgeflogen. Bei dem Angriff sollen 25 afghanische Kämpfer getötet worden sein.
    Beim Rückflug sei ein US-Hubschrauber auf pakistanischem Gebiet abgestürtzt, wobei zwei
    US-Soldaten ums Leben kamen. US-Präsident sagte, die beiden seien "für eine
    gerechte und richtige Sache" gestorben. - Entgegen dieser Unfallversion erklärte ein
    Sprecher der Taliban-Botschaft in Islamabad, der Hubschrauber sei von der afghanischen
    Flugabwehr getroffen worden und dann knapp hinter der pakistanischen Grenze abgestürzt. 
- Am 21. Oktober sollen US-Kampfjets Frontstellungen der Taliban im Norden des Landes
    angegriffen haben. Die Taliban hätten die Attacken auf ihre Stellungen nahe der Stadt
    Dara Souf in der Provinz Samangan bestätigt, meldete AIP. Dara Souf gilt als strategisch
    wichtig. Von dort aus könnte oppositionelle Nordallianz auf die Stadt Mazar-i-Sharif
    vorrücken. 
 In der Nacht vom 20. auf. den 21. Oktober sind laut AIP die Hauptstadt Kabul, die
    südliche Taliban-Hochburg Kandahar sowie Dschalalabad im Osten bombardiert worden. Nach
    Angaben eines Reportes der Nachrichtenagentur AP sind in Kabul acht Menschen von einer
    Bombe getötet worden. Das Geschoss habe zwei Wohnhäuser im Wohnviertel Chair Chana
    getroffen. Fünf der Toten  drei Frauen und zwei Kinder  habe er selbst
    gesehen, so der Reporter. In dem Wohnviertel befinden sich nach Agenturangaben keine
    bekannten Stützpunkte der Taliban-Miliz; eine Kaserne und andere Einrichtungen sind
    mehrere Kilometer entfernt. "Dieser Pilot muss wohl blind gewesen sein", wird
    ein Nachbar der Getöteten zitiert. (Spiegel-online, 21.10.2001) In Kandahar sollen drei
    Zivilisten bei den Angriffen ums Leben gekommen sein.
- Am 22. Oktober flogen die US-Streitkräfte die ersten massiven Angriffe auf die
    Frontlinien der Taliban im Norden des Landes (nördlich von Kabul und um die Stadt
    Masar-i-Scharif). Damit wollen sie die Rebellen der Nordallianz in ihrem Kampf gegen das
    radikal-islamische Regime unterstützen. Nach Augenzeugenberichten sollen die Amerikaner
    versehentlich aber auch Posten der Nordallianz bombardiert haben. Amerikanische
    Journalisten berichteten vom ehemaligen sowjetischen Stützpunkt Bagram nördlich von
    Kabul aus über den Einsatz von mindestens zwei amerikanischen F/A-10 Kampfjets. Der
    Stützpunkt ist in den Händen der gegen die Taliban kämpfenden Nordallianz.
    (Spiegel-online, 22.10.2001)
 Am 22. Oktober warf der Taliban-Botschafter in Pakistan, Mullah Abd al-Salim Saif, den
    Amerikanern "Völkermord" vor. Seit Beginn der Angriffe am 7. Oktober seien mehr
    als tausend Zivilisten getötet worden, sagte er. Bei einer der jüngsten Attacken sind
    nach Angaben Saifs allein 100 Menschen beim Beschuss einer Klinik in der westlichen Stadt
    Herat ums Leben gekommen. Eine unabhängige Bestätigung dieser Zahlen gibt es nicht.
    Pentagon-Sprecher Bryan Whitman sagte, er habe keine spezifischen Informationen zu einem
    Angriff auf ein Krankenhaus.
 Einen Tag später, am 23. Oktober, räumte ein Mitarbeiter des amerikanischen
    Verteidigungsministeriums ein, am 22. Oktober sei möglicherweise ein Altenheim nahe der
    Stadt Herat getroffen hätten. "Wir untersuchen (den Vorfall). Wir haben keine
    Informationen über Opferzahlen", sagte der Mitarbeiter. CNN brichtete dagegen, eine
    Bombe hätte ihr eigentliches Ziel verfehlt und sei auf einem Feld nahe einer
    militärischen Einrichtung explodiert. Dabei seien auch umstehende Gebäude zerstört
    worden. Diese könnten auch als Militärhospital oder Altenheim benutzt worden sein. Die
    Vereinten Nationen hatten zuvor mitgeteilt, ein Militärhospital in Herat sei getroffen
    und zerstört worden.
- Am 23. Oktober wurde Kabul erneut von Explosionen erschüttert. Augenzeugen zufolge
    zielten die Angriffe auf Gebiete, in denen Taliban-Truppen vermutet werden. Nach Angaben
    der Taliban wurden bei Angriffen südlich von Kabul 25 Menschen getötet. In der
    westafghanischen Stadt Herat seien bei Angriffen 15 Bewohner getötet und 25 verletzt
    worden. 
- 24. Oktober: Mehr als zwei Drittel der Deutschen fordern nach einer Forsa-Umfrage eine
    Feuerpause in Afghanistan. Wie das Meinungsforschungsinstitut für die Zeitung "Die
    Woche" ermittelte, unterstützen 69 Prozent der Befragten die Forderung von Grünen
    und Hilfsorganisationen, die Angriffe gegen das Taliban-Regime und die Terrorgruppe von
    Osama Bin Laden zu unterbrechen, um Flüchtlinge und Hungernde zu versorgen. 60 Prozent
    sind dagegen, dass sich deutsche Soldaten an einem Bodenkrieg in Afghanistan beteiligen. 
 Unterdessen gingen auch am 24. Oktober die Luftangriffe unvermindert weiter. US-Stellen
    stellten auch klar, dass sie nicht daran dächten, die Angriffe zu Beginn des Ramadan (des
    Fastenmonats der Muslime), der am 17 November beginnt, einzustellen.
- Am 25. Oktober erklärte der US-amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld, der Krieg
    gegen die Taliban würde möglicherweise auch während des Fastenmonats Ramadan
    fortgeführt. Er rechne vorher nicht mit einer erfolgreichen Beendigung des Krieges. Auch
    Bundeskanzler Schröder sprach sich in Paris gegen eine Unterbrechung der Angriffe aus. -
    Inzwischen häufen sich aber die kritischen Stimmen in Deutschland. Ottmar Schreiner
    (MdB-SPD) sprach von einem "wachsenden Unbehagen" innerhalb der Fraktion über
    die Bombenangriffe. Der CDU-Abgeordnete Willy Wimmer sagte in einem Interview mit
    Spiegel-online: "Man kann den Terror gegen die USA nicht damit beantworten, dass nun
    in Afghanistan Unschuldige ihr Leben lassen müssen." 
- Am 26. Oktober haben nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK)
    US-Flugzeuge erneut zwei Warenlager der Hilfsorganisation in Kabul bombardiert und einen
    Teil der Hilfsgüter zerstört. Es seien mindestens zwei Bomben auf die IKRK-Lager
    abgeworfen worden. Die Hilfsorganisation protestierte gegen diese "schwere
    Menschenrechtsverletzung". "Wir sind umso wütender, als dies bereits das zweite
    Mal ist. Wir bezweifeln, dass es zwei Unfälle waren", sagte IKRK-Sprecher Kim
    Gordon-Bates in Genf. Wegen der US-Bombardierungen werde ein Programm, im Zuge dessen rund
    50.000 Behinderte in Kabul Hilfe erhalten hätten, nicht weitergeführt, sagte
    Gordon-Bates. - Bereits am 16. Oktober waren Warenlager des IKRK zerstört worden. Die USA
    hatten sich daraufhin entschuldigt. 
 Ebenfalls am 26. Oktober wurde bekannt, dass Großbritannien die US-Angriffe auf die
    Taliban in Afghanistan mit zusätzlichen 200 Elitesoldaten unterstützen will. Die
    Spezialtruppe wird auf dem Kriegsschiff "HMS Fearless" stationiert. Die
    Verstärkung der Armeeeinheiten stellt eine "große Verantwortung" dar, sagte
    Premierminister Tony Blair. "Dies ist ein Kampf, der danach strebt, zivile Werte zu
    verteidigen, für eine freie Welt." Neben den 200 Elitesoldaten werden sich nach
    Angaben des britischen Verteidigungsstaatssekretärs, Adam Ingram, der Flugzeugträger
    "HMS Illustrious", ein U-Boot mit Tomahawk-Raketen, ein Zerstörer und eine
    Fregatte weiter in der Region befinden. Insgesamt werden damit 4.200 britische Soldaten in
    der Region im Einsatz sein. Die 200 Elitesoldaten sollen auch für mögliche Einsätze in
    den Bergregionen im Winter in Frage kommen.
- Am 27. Oktober, nach drei Wochen Krieg, verstärken die USA abermals ihre Luftangriffe.
    Den ganzen Tag über bombardierten US-Flugzeuge in mehreren Angriffswellen Stellungen der
    Taliban. Bereits in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober waren Ziele in Kabul und in der
    Nähe des Flughafens von Kabul bombardiert worden. Konteradmiral John Stufflebeem
    erklärte, das Pentagon sei zwar "zufrieden mit dem Verlauf des Feldzugs", doch
    die Militäroperation sei die "schwierigste Aufgabe, die sich uns seit dem Zweiten
    Weltkrieg gestellt hat". Er fügte hinzu: "Wir werden alle unsere Kräfte und
    alle Arten der Kriegsführung außer Massenvernichtungsmittel zum Einsatz bringen."
 Am selben Tag wurde über arabische TV-Sender bekannt, dass sich Tausende von Pakistanis
    über die Grenze nach Afghanmistan begeben hätten um sich den Taliban in ihrem Kampof
    gegen die USA anzuschließen.
- Am 28. Oktober verlautete aus Bagdad, dass dem Irak Informationen vorlägen, wonach die
    USA und Großbritannien Angriffe "auf 300 Ziele mit 1.000 Raketen" gegen den
    Irak planten. Der irakische Außenminister Asis in einem warnte in einem Interview der
    Londoner Zeitung "Sunday Telegraph", ein amerikanisch-britischer Angriff auf den
    Irak könnte die von den USA angestrebte Koalition gegen den Terrorismus sprengen, in die
    auch islamische Länder eingebunden seien. Asis sagte weiter, die irakischen Streitkräfte
    hätten sich von ihrer Niederlage im Golfkrieg vor zehn Jahren erholt und seien
    "fähig und in der Lage, das Land zu verteidigen". Wenig später erfolgte ein
    Dementi aus London. Der britische Außenminister Jack Straw sagte im US-Fernsehsender ABC:
    "Irak wurde nicht als Ziel ausersehen." "Eine Militäraktion gibt es nur,
    wenn eindeutige Schuldbeweise vorliegen und die Militäraktion als letzte Option
    übrigbleibt", fügte er hinzu. Für eine Beteiligung von Irak an den Anschlägen vom
    11. September in den USA gebe es keine Beweise.
 Kabul erlebte in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober die schwersten Angriffe seit Beginn
    der Bombardements vor drei Wochen. Während elf Stunden fielen 35 Bomben auf die
    Hauptstadt. Außerdem wurde Kandahar bombardiert.
 Nach einem Gespräch mit pakistanischen Staatschef Pervez Musharraf in Islamabad erklärte
    Bundeskanzler Schröder am 28. Oktober, die US-Angriffe auf Afghanistan dürften nicht
    unterbrochen werden. Musharraf hatte zuvor verlangt, die Attacken müssten kurz und
    zielgerichtet sein und die USA sollten während des Mitte November beginnenden
    Fastenmonats Ramadan die Waffen ruhen lassen. Nach Ansicht von Schröder würde eine
    vorübergehende Einstellung der Angriffe eine humanitäre und politische Lösung für
    Afghanistan erschweren.
- Einen Tag später, am 29. Oktober, kam Schröders Kabinettskollegin, die
    Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul, die ebenfalls in Islamabad mit Musharaf
    gesprochen hatte, zu einer anderen Schlussfolgerung. Sie gab öffentlich zu bedenken, ob
    angesichts der prekären Situation für die Menschen in Afghanistan nicht ein Stopp der
    Luftangriffe geboten sei.
 US-Kampfflugzeuge haben am 29. Oktober weit verzweigte Tunnelsysteme in Ost-Afghanistan
    angegriffen. Sie gelten als Versteck von Osama Bin Laden. Die Angriffe zielten auf
    Stellungen der al-Qaida-Organisation und der Taliban, zu denen auch Höhlen und Tunnel
    gehörten, sagte eine Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums. Wie die
    Nachrichtenagentur AIP meldete, hätten US-Kampfflugzeuge mindestens zwei Bomben auf Gora
    Tangi im Grenzgebiet zu Pakistan abgeworfen. Dort soll Osama bin Laden während seiner
    Beteiligung im Kampf gegen die sowjetische Besetzung in den achtziger Jahren ein
    Tunnel-Netz errichtet haben. Diese Höhlen und Tunnel könnten ihm nun als Unterschlupf
    dienen. - US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gestand mittlerweile ein, dass bislang
    keine mutmaßlichen Topterroristen getötet worden seien. Zwar seien die Truppen der
    Taliban und das Terrornetzwerk al-Qaida empfindlich getroffen worden und Terrorführer der
    mittleren Ebene den Angriffen zum Opfer gefallen, doch sei darunter keiner der zehn
    ranghöchsten Führer, sagte Rumsfeld.
 Unterdessen kündigen sich erste Widersprüche zwischen Großbritannien und den USA an.
    Der britische Außenministers Jack Straw kündigte an, die USA und Großbritannien
    erwägten nun doch, die Angriffe auf Afghanistan für den islamischen Fastenmonat Ramadan
    zu unterbrechen. In einem BBC-Interview sagte Straw, eine Feuerpause sei denkbar, aber
    noch keineswegs beschlossen. Auch Verteidigungsminister Geoff Hoon erklärte, eine Pause
    während des Ramadans werde erwogen. US-Verteidigungsminister Rumsfeld kündigte dagegen
    an, dass die US-Angriffe nicht wegen des moslemischen Fastenmonats unterbrochen würden.
- 30. Oktober: Während die US-amerikanischen Luftangriffe fast pausenlos weitergehen,
    kündigte die Nordallianz ihren Vormarsch in Richtung Kabul an. Nach eigenen Angaben zogen
    sie weitere Truppen an der Front etwa 50 km nördlich von Kabul zusammen. Etwa 1.000
    Kämpfer der so genannten Sarbati-Truppe seien in Stellung gebracht worden und würden nur
    noch auf ihren Einsatzbefehl warten.
 Die Angriffe der US-Kampfflugzeuge konzentrierten sich auf zwei Bezirke in der Provinz
    Balch, die Front nördlich von Kabul und bei Talokan, auf die Taliban-Hochburg Kandahar,
    auf die Umgebung von Masar-e-Scharif sowie auf Dschalalabad. Die Nachrichtenagentur der
    Taliban, Bachtar, meldete darüber hinaus Angriffe auf ein Wasserversorgungssystem
    südlich von Kabul, das von internationalen Hilfsorganisationen aufgebaut worden sei. Bei
    den Angriffen auf Kandahar sollen nach Angaben der Taliban eine Klinik des Roten
    Halbmondes und ein Wohnhaus getroffen worden sein. Dabei seien 13 Zivilisten ums Leben
    gekommen. Dieser Darstellung widersprach einen Tag später der Sprecher des
    US-Verteidigungsministers, Bryan Whitman. Es sei ein "legitimes terroristisches
    Ziel" getroffen worden, das besagte Krankenhaus habe 200 Meter vom Ziel entfernt
    gelegen.
 Beunruhigt zeigte sich UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers über die Ausweitung der
    Luftangriffe. Nach einem Treffen mit dem pakistanischen Präsidenten Musharaf monierte er,
    dass es bislang keinerlei politische Fortschritte gegeben habe. An die Adresse der USA
    gewandt sagte er: "Ich hoffe, die Militärplaner verstehen, dass sich die Angriffe
    gegen Terroristen und die Beschützer von Terroristen richten müssen. Es kann kein Krieg
    gegen die Afghanen werden." (Zit. n. Frankfurter Rundschau, 31.10.2001)
 Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF gab bekannt, dass 100.000 afghanische Kinder vom Hungertod
    bedroht seien, wenn die Hilfslieferungen nicht wieder aufgenommen würden. Dies könnten
    sie aber nicht, solange die Bombardierungen weiter gingen.
- 31. Oktober: Bei seinem China-Besuch wurde Bundeskanzler Schröder von zwei für ihn
    unliebsamen Einwänden überrascht. Einmal forderte Ministerpräsident Zhu Rongji, die
    Bemühungen der USA im Kampf gegen den Terrorismus müssten "schneller und
    zielgerichteter" sein und bei den Militäraktionen müssten "zivile Ziele"
    vermieden werden. Peking hoffe auf ein baldiges Ende der Kämpfe. Zum anderen fiel dem
    Kanzler auch noch ein hoher Gewerkschaftsfunktionär, der sich im Tross der
    Reisedelegation befindet, in den Rücken. Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel forderte
    einen sofortigen Stopp der Luftangriffe. Das muss gesessen haben, denn Schröder reagierte
    barsch auf diese abweichende Meinung in seinem Gefolge. Die Gewerkschaftsführung, so wird
    Schröder zitiert, soll sich lieber um die Lebensbedingungen ihrer Mitglieder kümmern,
    als solche Beschlüsse zu fassen. Er könne den Gewerkschaften nur raten: "Lasst die
    Finger von der Außenpolitik." (Wir dokumentieren den Beschluss der IG Metall vom 31. Oktober im Wortlaut.)
 Zwickel steht aber längst nicht mehr allein. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan
    bekräftigte am 31. Oktober seinen Wunsch nach einem Ende des Bombenkriegs. In New York
    erklärte er: "Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Operation so schnell wie
    möglich endet, damit wir unseren humanitären Einsatz verstärken und möglichst viele
    Lebensmittel für den Winter ins Land bringen können."
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jdm