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    des Krieges in Afghanistan | 

 
Chronik des Krieges gegen Afghanistan
Dezember 2001
  - 1. Dezember: Inzwischen häufen sich die Berichte von fehlgeleiteten US-Bombenangriffen
    auf afghanische Ziele mit Hunderten von zivilen Opfern. So seien am 1. Dezember bei
    Angriffen auf das Dorf Kama Ado mehr als 25 Bomben abgeworfen worden. Dabei seien alle 30
    Häuser zerstört und bis zu 200 Menschen getötet worden. Bei einem weiteren Angriff auf
    das Dorf Chan-e-Muiradschuddin in der Nacht zum 1. Dezember seien mindestens 50 Bewohner
    getötet worden. Das Pentagon dementierte die Berichte.
 Am 1. Dezember haben sich die Vertreter der Nordallinz am Petersberg bei Bonn bereit
    erklärt, ihre Macht an eine gemeinsame Übergangsregierung aller Parteien abzugeben. Die
    Gespräche der vier afghanischen Gruppen konzentrieren sich nach Angaben aus
    Konferenzkreisen nun um die Zusammensetzung der Übergangsregierung. Das Kabinett soll
    etwa 20 Personen umfassen und der jetzige nominelle Präsident Burhanuddin Rabbani soll
    nicht Regierungschef werden.
- Am 2. Dezember wurde weiter um die Zusammensetzung der Übergangsregierung gerungen. Der
    Sprecher der Vereinten Nationen, Achmed Fawsi, teilte mit, es gebe noch keine Einigung
    zwischen der Nordallianz und den anderen drei afghanischen Gruppen, die auf dem Petersberg
    verhandeln. Als möglicher Regierungschef kam Hamid Karzei ins Gespräch. Der
    Paschtunen-Anführer Karzei kämpft gegenwärtig gegen die Taliban bei Kandahar. Seine
    Truppen wollen offenbar verhindern, dass Kandahar von der Nordallianz eingenommen wird.
    Als Kandidat gilt auch der Enkel des Ex-Königs, Mustafa Sahir.
 US-Offiziere auf der US-Militärbasis bei Kandahar haben davon gesprochen, dass auch
    deutsche Verbindungsoffiziere in Süd-Afghanistan im Einsatz seien. Der Bericht wurde vom
    Bundesverteidigungsministerium nicht bestätigt.
 Am 2. Dezember beschossen US-Streitkräfte das Hauptquartier der Anti-Taliban-Einheiten in
    Agom und töteten mehrere Menschen. Hierzu gab es aus Washington keine Stellungnahme.
    Zuvor hatten Überlebende von Angriffen auf mehrere Bergdörfer der Region berichtet, bei
    denen es Hunderte von Toten gegeben haben soll. Bei einem US-Angriff auf einen Kleinbus in
    der Nähe von Kandahar, den die US-Kampfjets offenbar für ein Militärfahrzeug gehalten
    haben, wurden 15 Zivilisten, darunter neun Kinder getötet.
- Am 3. Dezember wurde der Ring um Kandahar enger gezogen. US-Kampfbomber vom Typ B-52
    griffen die Stadt in mehreren Angriffswellen an. Verteidigungsminister Rumsfeld sprach von
    einer "sehr gefährlichen Phase" des Krieges. Es stehe eine "schmutzige und
    unangenehme" Aufgabe bevor. Der Paschtunenführer Hamid Karzei sagte, seine Truppen
    hätten sich vom Norden her der Stadt bis auf 30 Kilometer genähert. Das Rückgrat der
    Verteidigung Kandahars bildeten ausländische Kämpfer des Al-Qaida-Netzwerks von Osama
    bin Laden. Einer pakistianischen Agentur zufolge habe Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar
    selbst die Verteidigung übernommen. 
 Amnesty international und die US-Organisation Human Rights Watch berichteten, die Taliban
    würden immer häufiger Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" missbrauchen.
    So stellten sie z.B. Flugzeuge in der Nähe von Wohngebieten ab oder flüchtteten sich in
    Moscheen, wo viele Einwohner Schutz vor den Luftangriffen suchten. Mit dem Vormarsch der
    Nordallianz werde es fast unmöglich, Taliban-Kämpfer von Zivilisten zu unterscheiden,
    sagte ein HRW-Sprecher in Pakistan.
- Am 4. Dezember zeichnet sich auf dem Petersberg eine Einigung über ein Rahmenabkommen
    und über die Zusammensetzung der Übergangsregierung an. Das Abkommen sieht einen
    sechsmonatigen Interims-Exekutivrat und eine 18-monatige Übergangsregierung vor. Noch
    unklar war, wer dieser Regierung vorstehen sollte. Im Gespräch sind nach wie vor der
    Paschtunenführer Hamid Karzai sowie der Verhandlungsführer der Gruppe um den ehemaligen
    König, Abdul Sattar Sirat. Die Delegierten haben aus 150 Namen eine 29-köpfige Regierung
    zusammenzustellen.
 In einem Anhang zum Rahmenabkommen wird festgelegt, dass eine von der UNO entsandte
    Friedenstruppe den Übergangsprozess der nächsten zwei Jahre begeliten soll. Die Truppe,
    über deren Zusammensetzung noch Unklarheit besteht, soll in Kabul stationiert werden. Die
    Truppen der Nordallianz sollen sich demgegenüber aus dem Raum Kabul zurückziehen. Da die
    UN-Truppe sehr schnell einsatzbereit sein muss, ist in diplomatischen Kreisen davon die
    Rede, dass wohl vor allem britische Truppen in Frage kommen. Für später seien aber auch
    deutsche Kontingente erwünscht.
 Unterdessen gehen die Kämpfe um Kandahar unvermindert weiter. Dabei werden auch wieder
    zivile Opfer gemeldet. So sei bei einem US-Bombardement zwischen Kandahar und der
    pakistanischen Grenze ein Flüchtlingstreck getroffen worden. Ein Flüchtling berichtete
    von zahlreichen Toten. Die US-Luftwaffe konzentriert ihre Angriffe auf die Bergregion um
    Tora Bora, wo Osama bin Laden vermutet wird. Berichte, nach denen bei diesen Angriffen
    versehentlich auch Dörfer getroffen worden seien, wies Konteradmiral John Stufflebeem
    zurück. "Mir ligen nur Berichte vor, wonach alle unsere Waffen ihre Ziele getroffen
    haben", sagte er.
 Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bereiutet sich auf größere Flüchtlingsströme aus
    Somalia vor. Die Organisation halte Notpläne vor für den Fall, dass Somalia Ziel des
    "Krieges gegen den Terror" werden sollte, sagte die stellvertretende
    UNHCR-Kommissarin Mary Ann Wyrsch in der keinainischen Hauptstadt Nairobi. Nach Beichten
    westlicher Diplomaten sind in den letzten Tagen US-Kriegsschiffe vor der somalischen
    Küste gesehen worden. Eine deutsche Militärdelegation suche außerdem einen
    Militärstützpunkt im benachbarten Dschibuti, berichtete der dortige staatliche Rundfunk
    am 3. Dezember.
- Am 5. Dezember haben bei einem Bombenangriff nördlich von Kandahar Bomben der eigenen
    Luftwaffe drei US-Soldaten getötet. Weitere zwanzig wurden schwer verletzt. B-52-Bomber
    hätten ihr Ziel verfehlt und dabei die eigenen Leute sowie afghanische
    Anti-Taliban-Kämpfer getroffen, hieß es offiziellen Angaben zufolge. Auch unter den
    Anti-Taliban-Kämpfern gab es Tote und Verwundete. Auch der designierte
    Interims-Präsident Hamid Karzai ist von umher fliegenden Splittern verletzt worden (von
    "Schrammen" und "Prellungen" ist die Rede)
 Am 5. Dezember ging auch die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn zu Ende.
    Mit einem "Erfolg", wie aus Kreisen der Konferenz und aus dem Mund des
    Bundeskanzlers zu vernehmen war. Zunächst hatten sich die Delegierten schon am späten
    Abend des 4. Dezember auf den neuen Regierungschef Hamid Karzai geeinigt. Die
    Regierungsämter wurden dann im Laufe der Nacht nach etnischem Proporz vergeben, wenn das
    auch kaum zufriedenstellend möglich sei, wie der UN-Beauftragte für Afghanistan, Lakhdar
    Brahimi, einschränkte. Wie man hört, sollen elf Paschtunen vertreten sein, acht
    Tadschiken, fünf Hasara, und drei Usbeken. Die für sechs Monate "gewählte"
    provisorische Regierung besteht aus einem 29-köpfigen Ministergremium, dessen Posten bis
    zum Abschluss der Konferenz noch nicht vollständig vergeben waren. Die
    Übergangsregierung hat einen Vorsitzenden, den Regierungschef Hamid Karzai sowie fünf
    Stellvertreter und eine Stellvertreterin.
- Am 6. Dezember boten die in Kandahar eingeschlossenen Taliban Übergabeverhandlungen an.
    Die Übergabe soll an einen Paschtunen-Kommandeur vorgenommen werden. Der künftige Chef
    der Übergangsregierung Hamid Karzai versprach den afghanischen Taliban-Kämpfern eine
    Amnestie. Taliban-Führer Omar müsse sich aber öffentlich vom Terrorismus distanzieren.
    Ansonsten befände er sich "nicht in Sicherheit", sagte Karzai. Die arabischen
    Taliban-Kämpfer würden aber als Kriminelle behandelt.
 Die USA verstärkten ihre Angriffe auf die Bergfestung Tora Bora, wo sie bin Laden
    vermuten. Nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" wurden bei den Angriffen auf
    Tora Bora in den letzten Tagen über 80 Menschen getötet, darunter viele Frauen und
    Kinder.
 Nicht alle afghanischen Stammesführer und Kriegsherren finden sich mit dem Ergebnis der
    Petersberger Konferenz ab. Usbekenführer Dostam erklärte z.B., er werde das Abkommen
    boykottieren. Auch der gemäßigte Paschtunenführer Sayed Ahmad Gailani bezeichnet die
    Vereinbarung als ungerecht. Die Zusammensetzung der Interimsregierung sei "nicht sehr
    ausgewogen".
- Am 7. Dezember rückten Verbände der Anti-Taliban-Front in Kandahar ein, nachdem sich
    die eingeschlossenen Taliban-Kämpfer ergeben hatten. Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar
    scheint indessen die Flucht geglückt zu sein. Über den Einmarsch der Taliban-Gegner gibt
    es unterschiedliche Berichte: Da ist einerseits von jubelnden Menschen die Rede, die die
    Truppen mit Bildern des Ex-Königs empfangen und Fahnen schwenken, da ist aber auch die
    Rede von Plünderungen und Straßenkämpfen. Auch soll auf flüchtende Taliban-Kämpfer
    geschossen worden sein. Nach Angaben aus Taliban-Kreisen sollen bei den Angriffen auf
    Kandahar mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein. 
 Nachdem die USA klargestellt hatten, dass es für Taliban-Führer keine Amnestie geben
    dürfe, hat der designierte Interimspräsident Karzai seine Ankündigung relativiert. Auch
    Taliban-Führer Omar müsse in Afghanistan vor Gericht kommen, sagte Karzais Sprecher.
 Die Taliban gaben auch eitere Provinzen auf: Helmand und Sabol. In die Stadt Spin Boldk
    marschierten rivalisierende Clans-Kämpfer ein. In der Provinz Paktia sei es zu Kämpfen
    zwischen zerstrittenen Clans gekommen sein.
 Ununterbrochen gehen die Angriffe auf die Bergfestung Tora Bora weiter. Am 7. Dezember
    hieß es, der Höhlenkomplex sei inzwischen fast vollständig von Anti-Taliban-Kämpfern
    erobert worden. Es fehle aber nach wie vor jede Spur von Osama bin Laden. CNN Berichten
    zufolge sei bin Laden schon längst ins Ausland geflohen.
 In der Nähe der Stadt Kundus sollen die ersten Hungertoten registriert worden seien. Ein
    Sprecher der Internationalen Organisation für Migration berichtete, 177 Menschen,
    darunter viele Kinder, seien vor Hunger und Erschöpfung gestorben.
- 8. Dezember: Nach Informationen der Nordallianz hat sich der meistgesuchte Terrorist der
    Welt, Osama bin Laden, mit tausend Gefährten nahe der Bergfestung Tora Bora in
    Ostafghanistan verschanzt. Unter seinen Beschützern seien viele arabische Kämpfer der
    El-Qaida- Terrororgansation. US-Flugzeuge flogen auch am 8. Dezember massive
    Bombeneinsätze in dem Gebiet. Panzer der Anti-Taliban-Truppen beschossen
    El-Qaida-Stellungen bei Tora Bora. CNN berichtete, die El-Qaida-Einheiten leisteten
    erbitterten Widerstand.
 Aus Kandahar wird indessen berichtet, in der Stadt herrsche "gespannte Ruhe". Um
    die Kontrolle der Stadt streiten sich rivalisierende Clan-Milizen.
 Bei einem Helikopter-Absturz nahe der Stadt Farchar in der Provinz Tachar sind 18
    Anti-Taliban-Kämpfer ums Leben gekommen. Unter den Toten sollen die beiden
    Paschtunen-Führer Arbab Mohammed Haschim und Mirsa Ghulam Nasiri sein. Laut der
    pakistanischen Nachrichtenagentur AIP wurde auch Mohammed Mustafa, ein Kommandeur der
    Leibwache des früheren Nordallianz-Militärchefs Achmed Schah Massud, getötet. Anhänger
    Haschims hätten der Nordallianz vorgeworfen, den Absturz absichtlich verursacht zu haben,
    um sich der Paschtunenführer zu entledigen. Die Nordallianz sprach dagegen von einem
    Unfall.
- Am 9. Dezember, so wird berichtet, wird der größte Teil Kandahars von Anhängern Aghas
    kontrolliert. Die Paschtunen Mullah Nakibullah und Gul Agha hatten ihren Streit während
    des Kampfes gegen die Taliban zurückgestellt und gemeinsam deren Kapitulation erreicht.
    Die Bemühungen des designierten afghanischen Regierungschefs Hamid Karzai um einen
    Ausschuss der Stämme zur Verwaltung Kandahars schlugen aber bislang fehl. Die explosive
    Lage in der Stadt behindert auch die Arbeit von Hilfsorganisationen. Das Rote Kreuz
    berichtete, es habe nicht einmal Tote von den Straßen bergen können. Auch in der
    Hauptstadt der Provinz Helmand, Laschkargah, kam es nach Berichten der afghanischen
    Nachrichtenagentur AIP zu Gefechten zwischen rivalisierenden Stämmen. 
- Am 10. Dezember verstärken die USA ihre Luftangriffe auf die Gegend um die Bergfestung
    Tora Bora. Nach einem Bericht von BBC gab es die bisher heftigsten Kämpfe. Ein Vertreter
    der Nordallinz gab sich "zu 100 Prozent sicher", dass sich Osama bin Laden in
    der Region versteckt halte. 
 In Kandahar blieb die Situation gespannt. Zwar habe es am Abend des 9. Dezember unter
    Vermittlung des designierten Interimspräsidenten Karzai eine Einigung zwischen
    rivalisierenden Milizen gegeben, doch sei in der Nacht zum 10. Dezember wieder
    Maschinengewehrfeuer zu hören gewesen.
 Die USA haben weitere Truppen, Kampfhubschrauber, Panzer und Eliteeinheiten, aus dem Camp
    Rhino in die Nähe der Stadt Kandahar verlegt. Im Stützpunkt Camp Rhino selbst, etwa 110
    Kilometer südwestlich von Kandahar, haben US-Marines ein provisorisches
    Kriegsgefangenenlager errichtet. In US-Regierungskreisen rechnet man mit einem
    möglicherweise Jahre dauernden militärischen Engagement in Afghanistan.
 Das US-Hauptquartier für den Afghanistan-Krieg ist inzwischen von Fort McPherson (im
    US-Staat Georgia) nach Kuwait verlegt worden.
 Verschiedenen Presseberichten zufolge ist Großbritannien offenbar bereit, bei der
    Entsendung einer UN-Truppe nach Aghanistan eine führende Rolle einzunehmen. Für die
    deutsche Bundesregierung gehe es jetzt darum zu entscheiden, ob die Bundeswehr an einer
    solchen Truppe zu beteiligen ist. Die SPD-Fraktion scheint dazu bereit zu sein, die
    Grünen wollen diese Frage offenbar zum Anlass nehmen, um auf eine Reform der Bundeswehr
    und deren Ausrüstung zu drängen.
 Die EU-Außenminister haben den Deutschen Klaus-Peter Klaiber zum EU-Beauftragten für
    Afghanistan benannt. Seine Aufgabe soll darin bestehen, die Einsetzung der
    Interimsregierung zu unterstützen.
 Prof Marc W. Harold (Universität New Hampshire) veröffentlicht eine Studie, in der
    akribisch nachgewiesen wird, dass im Zweimonatszeitraum 7. Oktober bis 6. Dezember infolge
    der US-Bombardierungen mehr als 3.500 Zivilpersonen ums Leben gekommen sind.
- Nach tagelangen erbitterten Gefechten konnten afghanische Milizen die vorwiegend
    arabischen Kämpfer Bin Ladens am 11. Dezember aus vielen Höhlen von Tora Bora
    vertreiben. Möglich wurde dies durch pausenlose US-Luftangriffe, nächtliche Vorstöße
    amerikanischer Spezialeinheiten und dem Dauerbeschuss aus Panzern. Der Militärchef der
    afghanischen Milizen bei Tora Bora, Mohammed Saman, rief einen Waffenstillstand aus. Zuvor
    hatten sich einige Al-Qaida-Kämpfer bereit erklärt, über eine Kapitulation zu
    verhandeln. Saman sagte, die Kämpfer müssten sich bedingungslos ergeben. Ein Kommandeur
    der Anti-Taliban-Truppen, Hasrat Ali, berichtete, viele Al-Qaida-Kämpfer seien nach der
    Vertreibung aus der Festung auf der Flucht nach Pakistan. "Sie rennen weg. Wir werden
    versuchen, ihnen von der anderen Seite den Weg abzuschneiden." Von Bin Laden und
    Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar fehlte aber weiter jede Spur. 
 Während der Uno-Gesandte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, zu Gesprächen über die
    Zukunft des Landes in Kabul eintraf, hält die Kritik an der auf dem Petersberg bei Bonn
    ausgehandelten Regierungszusammensetzung an. Kritisiert wird vor allem, dass die drei
    wichtigen Ministerien für Inneres, Verteidigung und Äußeres alle von der Partei des
    früheren Präsidenten Burhanuddin Rabbani geleitet werden. Alle drei Minister stammen
    zudem aus dem Pandschirtal, der Hochburg des ermordeten Militärführers der Nordallianz,
    Ahmed Schah Massud. Gegen die Regierung ausgesprochen haben sich der usbekische
    Milizführer Abdul Raschid Dostam, der das Gebiet um Masar-i-Scharif beherrscht.
    Unangemessen vertreten fühlen sich auch die Schiiten in Afghanistan sowie der
    Milizführer Ismail Khan, der fünf Provinzen im Westen Afghanistans beherrscht.
- 12. Dezember: Die meist arabischen al-Qaida-Terroristen verlangten, die Vereinten
    Nationen und Diplomaten aus ihren arabischen Heimatländern müssten ihre Kapitulation
    überwachen. Später hätten sie nur noch die Anwesenheit von Uno-Vertretern gefordert,
    berichtete die in Pakistan ansässige Nachrichtenagentur AIP. Zuvor war ein Ultimatum des
    paschtunischen Milizenführers Hadschi Saman an die etwa tausend Al-Qaida-Terroristen und
    Taliban-Kämpfer abgelaufen, die sich in Tora Bora versteckt haben. Nach Angaben von AIP
    stammen die Al-Qaida-Kämpfer aus Saudi-Arabien, Libyen, Ägypten, Sudan, den Vereinigten
    Arabischen Emiraten, Kuweit, Jemen, Tschetschenien und dem Irak.
 Am 12. Dezember haben die eingeschlossenen Taliban-Kämpfer in der Bergfestung Tora Bora
    ein neues Ultimatum erhalten. Anti-Taliban-Kommandeur Hasrat Ali sagte dem Sender BBC,
    dass er die Frist zur Kapitulation um 24 Stunden verlängert habe. Das Ultimatum laufe nun
    am Donnerstag, den 13. Dezember, um 4:30 Uhr MEZ ab. Er habe den Taliban-Kämpfern freien
    Abzug angeboten, wenn sie ihre wichtigsten Führer auslieferten. Kommandeur Ali habe
    außerdem vorgeschlagen, dass nur die 22 Personen ausgeliefert werden sollen, die auf der
    FBI-Liste der meistgesuchten Terroristen stünden. Ob die USA auf diesen Vorschlag Alis
    eingehen wollen, sei nach Angaben der BBC jedoch nicht sicher. Statt dessen kündigten die
    USA die Dauerbombardierung der Gebirgsregion im Osten Afghanistans an. Die Luftwaffe werde
    alle Ziele angreifen, die sich ihr böten, sagte Pentagon-Sprecherin Victoria Clarke in
    Washington nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP. Schon während der Verhandlungen
    setzten die USA ihre Luftangriffe fort. Die Bombardements waren noch im von Tora Bora 40
    Kilometer entfernten Dschalalabad zu hören, meldete AIP. Ein Reporter des britischen
    Senders BBC berichtete von einem Dutzend B-52-Angriffen.
- 13. Dezember: Über Ultimatum der Anti-Taliban-Einheiten und Kapitulation der
    Al-Qaida-Kämpfer in Tora Bora gibt es widersprüchliche Meldungen. Zunächst hatte es
    geheißen, die etwa 1.000 eingekesselten Al-Qaida-Kämpfer hätten am 13. Dezember das
    zweite Ultimatum verstreichen lassen, wonach sie bei einer Auslieferung Osama Bin Ladens
    und 21 weiterer Anführer frei abziehen hätten dürfen. Sie wollten eine
    Entscheidungsschlacht um Tora Bora suchen. Jetzt gibt es Informationen, wonach die
    Al-Qaida-Kämpfer einer Kapitulation zugestimmt hätten, diese jedoch von den USA
    abgelehnt worden sein soll. Amerikanische Militärberater hätten die
    Anti-Taliban-Kämpfer zu weiteren Angriffen aufgefordert. Die "Washington Post"
    zitiert den Sicherheitschef für das östliche Afghanistan, den paschtunischen
    Milizenführer Hasrat Ali: "Die Amerikaner wollen die Kapitulation nicht annehmen.
    Sie wollen sie töten." Ali erklärte, die zumeist arabischstämmigen Kämpfer wären
    bereit, sich "uns oder den Vereinten Nationen" zu ergeben. Diese Bedingung sei
    jedoch für die Amerikaner nicht annehmbar. - Den ganzen Tag über wurde das Gebiet der
    Bergfestung Tora Bora bombardiert. 
- Am 14. Dezember landeten die Anti-Taliban-Kämpfer mit Unterstützung massiver
    US-Luftangriffe weitere Erfolge bei ihrem Vordringen in die Bergregion Tora Bora. 50
    Kämpfer der Al-Qaida haben sich nach Berichten des Pentagon ergeben. Sie wurden sofort
    von US-Militärs verhört. US-General Tommy Franks konnte aber noch nicht sagen, ob unter
    den Gefangenen auch Führungsmitglieder von Al-Qaida seien. Nach Schätzungen der
    amerikanischen Militärführung halten sich in Tora Bora zwischen 300 und 1.000
    Al-Qaida-Kämpfer auf.
 US-Verteidigungsminister Rumsfeld sagte, amerikanische und afghanische Soldaten hätten
    mit der Durchsuchung einiger Höhlen in Tora Bora begonnen. Die Bodentruppen seien aus der
    Luft von Kampfflugzeugen unterstützt worden, die am 14. Dezember mehr als 180 Bomben auf
    das Höhlen- und Tunnelsystem abgeworfen hätten.
 Afghanische Anti-Taliban-Kämpfer entdeckten am 14. Dezember nach eigenen Angaben eine
    Höhle in Tora Bora, in der sich womöglich der Extremistenführer Osama bin Laden
    aufhalten soll. Der Militärchef der Ostallianz, Hasrat Ali, erklärte, es gebe einen Ort
    in der Höhle, an dem sich Bin Laden seiner Ansicht nach versteckt halte. Seine Kämpfer
    hätten die Höhle umstellt. Rumsfeld erklärte dagegen, er sei nicht sicher, wo genau
    sich Bin Laden aufhalte. Er werde in Tora Bora vermutet, könne jedoch auch geflüchtet
    sein.
 Am 14. Dezember ist es zu Kämpfen zwischen verfeindeten Truppen der Nordallianz gekommen.
    Truppen einer islamischen Miliz unter Führung von Sajed Dschafer Naderi hätten die
    Provinzhauptstadt Pul-e-Chumri angegriffen. Die Stadt wird von Truppen des nominellen
    Präsidenten Rabbani gehalten. Pul-e-Chumri liegt etwa 250 Kilometer nördlich von Kabul.
    Der Angriff sei nach Angaben der Nordallianz zurückgeschlagen worden. Rabbanis Truppen
    sind dabei von den USA unterstützt worden, die gegen die Angreifer Luftangriffe geflogen
    haben. Der Milizenführer Naderi gilt als Verbündeter des Nordallianz-Generals Abdul
    Raschid Dostam, der sich gegen die Vereinbarung vom Petersberg ausgesprochen hatte.
- 15. Dezember: Während die Angriffe auf Tora Bora pausenlos weiter gehen, kündigt sich
    in Kandahar ein Krankenhausdrama an. Neun verwundete Anhänger von Osama bin Laden wollen
    um jeden Preis eine Festnahme verhindern. Sie drohen damit, das Krankenhaus, in dem sie
    behandelt werden, in die Luft zu jagen. Die nur leicht verletzten Araber - es handelt sich
    um Kämpfer aus Saudi-Arabien - waren vor etwa 10 Tagen vom Roten Kreuz eingeliefert
    worden. Sie besäßen Handgranaten und Handfeuerwaffen, sagte der Chirurg Daud Farhad. Die
    Ärzte hofften nun auf Hilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Die
    Wächter, die das Krankenhaus bewachen und niemanden zu den Al-Qaida-Kämpfern hinein
    lassen, unterstehen dem Oberbefehl Mullah Nakibullahs, der die Kapitulation der Taliban in
    Kandahar in der vergangenen Woche entgegen genommen hatte. 
- Am 16. Dezember hat die mit den USA verbündete Ostallianz nach eigenen Angaben die
    letzten Al-Qaida-Stellungen um die Bergfestung Tora Bora erobert. Dabei sollen 25
    Al-Qaida-Mitglieder festgenommen worden sein. Mehr als 200 seien getötet worden. Der
    Militärchef der Ostallianz, Mohammed Saman, erklärte: "Dies ist der letzte Tag von
    al-Qaida" in Afghanistan. Es gebe möglicherweise mehrere hundert
    El-Kaida-Mitglieder, die in Richtung der pakistanischen Grenze flüchteten, so Saman.
 Osama bin Laden ist nach den Worten Samans aus der Bergregion geflohen. Am Morgen des 16.
    Dezember hatte die Ostallianz einen Großangrif auf Tora Bora begonnen. Die Zeit für eine
    Kapitulation sei für die Gegenseite abgelaufen, sagte ein Kommandeur der Allianz, Hasrat
    Ali. Geplant war, in zwei parallel gelegene Täler vorzurücken und die Bergfestung von
    beiden Seiten anzugreifen. Der Al-Qaida bliebe dann nur ein Rückzug durch ein Waldgebiet,
    über dem aber US-Kampfflugzeuge zahlreiche Brandbomben ("Daisy Cutter")
    abwarfen. Am Sonntag wurde außerdem eine schwer bewachte Höhle bombardiert, in der sich
    nach Ansicht der afghanischen Kommandeure der gesuchte Anführer Osama bin Laden befinden
    könnte.
 US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte am 16. Dezember, US-Truppen hätten in
    einem verlassenen Ausbildungslager der Al-Qaida im Süden Afghanistans Proben genommen,
    die auf Spuren chemischer oder biologischer Kampfstoffe untersucht würden. Der
    Stützpunkt, den die USA "Tarnak Farms" nennen, sei "interessant"
    gewesen, sagte Rumsfeld. Die Truppen hätten "ziemlich viel Material, Papiere und
    Gegenstände" gefunden. Die Kämpfe bei Tora Bora am Samstag beschrieb Rumsfeld als
    "heftige Schlacht". US-Truppen hätten allein mehr als 200 Bomben abgeworfen.
 Bin Laden hält sich nach Erkenntnissen der USA noch immer in der umkämpften Bergfestung
    Tora Bora auf. Seine Stimme sei in Funksprüchen in der Region identifiziert worden,
    verlautete aus Regierungskreisen in Washington.
- Am 17. Dezember gehen die Luftangriffe auf die Region von Tora Bora weiter. Dabei sollen
    nach Angaben örtlicher Kommandeure auch Anti-Taliban-Kämpfer verletzt worden sein. Von
    Osama bin Laden fehlt aber nach wie vor jede Spur. Am Abend verkündete der Sprecher des
    Pentagon in Washington, die Luftangriffe würden aus Rücksicht auf die
    Anti-Taliban-Kämpfer eingestellt.
 US-Außenminister Powell räumte ein, die Suche nach Bin Laden könne noch Jahre dauern.
    Einen Tag vorher hatte er noch vom Sieg des US-Militärs und von der Zerstörung des
    Al-Qaida-Netzwerks gesprochen. Donald Rumsfeld hat ihm daraufhin widersprochen und laut
    Frankfurter Rundschau erklärt: "Die erste Regel des Krieges ist, dass Präsidenten
    entscheiden, wann etwas erreicht wurde."
- Am 18. Dezember trafen sich die NATO-Verteidigungsminister in Brüssel.
    US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat
    dabei die europäischen Nato-Staaten vor der drohenden Gefahr neuer Terroranschläge
    gewarnt. Nach New York und Washington könnten London, Paris, Berlin und andere Städte
    Ziel von Anschlägen werden, die über die vom 11. September hinaus gehen könnten.
    "Wenn wir uns die Zerstörung ansehen, die sie in den USA verursacht haben, können
    wir uns ausmalen, was sie in New York oder London oder Paris oder Berlin mit nuklearen,
    chemischen oder biologischen Waffen anrichten können", sagte Rumsfeld. "Wir
    müssen uns der Realität stellen, dass die Anschläge vom 11. September - schrecklich wie
    sie waren - einen düsteren Ausblick auf das geben, was kommen kann, wenn wir uns nicht
    schon heute darauf vorbereiten, unsere Bevölkerung vor Gegnern mit immer mächtigeren
    Waffen zu schützen".
 Der am Vorabend angeordnete Bombenstopp hielt nur wenige Stunden. Am 18. Dezember wurden
    die Bombenangriffe wieder aufgenommen. Neben der Bergregion Tora Bora sei die Region
    südlich von Kandahar unter Beschuss genommen worden.
 Möglicherweise steht der krieg unmittelbar vor einer Ausweitung auf andere Länder.
    Spezialeinheiten der jemenitischen Armee haben nach Informationen des arabischen
    TV-Senders al-Dschasira am 18. Dezember ein Dorf in der Provinz Marib unter Beschuss
    genommen. In dem Ort sollen sich angeblich Anhänger des Terroristenanführers Osama Bin
    Laden aufhalten. Die Familie Bin Laden hat ihre Wurzeln im Jemen. Die USA hatten
    Präsident Ali Abdullah Salih nach den Terroranschlägen vom 11. September aufgefordert,
    konsequenter als bisher gegen islamistische Extremisten im Land vorzugehen. Seit Tagen
    kursieren Gerüchte, wonach neben Somalia und Irak der Jemen auf der Liste möglicher
    neuer Ziele für den US-amerikanischen "Krieg gegen den Terror" stehen soll.
 Unter zunehmendem Zeitdruck sind am 18. Dezember in Kabul die Verhandlungen über die
    internationale Friedenstruppe fortgesetzt worden, die die Arbeit der afghanischen
    Übergangsregierung ab dem 22. Dezember absichern soll. Der designierte Innenminister
    Junis Kanuni sagte nach Gesprächen mit den Kriegsalliierten USA und Großbritannien in
    Kabul, man habe sich auf die Truppe geeinigt, jedoch nicht auf ihre Stärke. Deutschland
    wird sich dem spanischen Verteidigungsminister Federico Trillo zufolge neben mindestens
    vier anderen Ländern der EU mit einem Bataillon mit etwa 700 Soldaten an der Schutztruppe
    für Afghanistan (ISAF) beteiligen. Eine Führungsrolle der Bundeswehr lehnte
    Verteidigungsminister Rudolf Scharping ab. Großbritannien hat sich hingegen zur Führung
    der Truppe bereit erklärt. Erst wenn die wichtigen Details geklärt sind, kann der
    UNO-Sicherheitsrat in New York das Mandat zur Entsendung einer internationalen
    Friedenstruppe erteilen, das auf der Afghanistan-Konferenz bei Bonn Anfang des Monats
    gefordert worden war. Das Mandat ist auch Voraussetzung für einen Entsende-Beschluss des
    Bundeskabinetts, den der Bundestag billigen müsste. Auf die Frage, ob Deutschland bereit
    sei, die Führung der UNO-Schutztruppe zu übernehmen, sagte Scharping am Rande des
    NATO-Verteidigungsministertreffens in Brüssel: "Nein." Die Bundesregierung
    bestehe weiter auf einer klaren Trennung zwischen dem Mandat einer UNO-Truppe und der in
    Afghanistan laufenden Operation der USA im Kampf gegen den Terrorismus.
- Am 19. Dezember haben nach einem Bericht des iranischen Staatsfernsehens amerikanische
    Soldaten im Persischen Golf einen unter iranischer Flagge fahrenden Öltanker aus
    Saudi-Arabien angegriffen. Zwei Menschen seien dabei verletzt worden. Der iranische
    Außenminister habe daraufhin dem Schweizer Botschafter, der die Interessen der USA im
    Iran vertritt, aufgetragen, der US-Regierung den "scharfen Protest" seines
    Landes zu übermitteln. Der Schweizer Botschafter soll dem iranischen Außenministeriums
    gesagt haben, die Schiffe der US-Marine hätten den Tanker für ein irakisches Schiff
    gehalten, das Öl schmuggele. 
 Die Suche nach Bin Laden verlief auch an diesem Tag ergebnislos. In Afghanistan werden
    immer mehr Stimmen laut, die sagen, der gesuchteste Mann der Welt habe sich bereits aus
    Afghanistan abgesetzt.
 Inzwischen verdichten sich die Gerüchte, wonach die USA als nächstes Land in ihrem
    Kampfe gegen den Terror Somalia im Visier haben. Nach verschiedenen Meldungen aus
    Mogadischu liege auch eine "Einladung" des Premierminister der somalischen
    Übergangsregierung, Hassan Abshir Farah, vor. "Wir haben einen Brief an die
    Bush-Regierung geschickt. Darin laden wir sie ein, hierher zu kommen und selbst zu sehen,
    was hier ist. Wir sind bereit, gegen den Terrorismus zu kämpfen", sagte Abshir Farah
    in einem somalischen Rundfunksender. Auch sollen die somalischen Nachbarländer Äthiopien
    und Kenia haben ihre Unterstützung zugesagt haben.
- Am 20. Dezember einigte sich der UN-Sicherheitsrat auf die Entsendung einer Schutztruppe
    nach Afghanistan. Die Truppe soll 5.000 Soldaten umfassen und zunächst für sechs Monate
    in Kabul stationiert werden. Ihr Name: International Security Assistance Force-Isaf). In
    den ersten drei Monaten wird Großbritannien das Kommando übernehmen. Die Truppe ist
    formal von den in Afghanistan weiter operierenden US-Streikräften getrennt. Im
    Konfliktfall wird Isaf dem Oberbefehl der USA unterstellt. Die UN-Truppe soll über ein
    "robustes" Mandat verfügen, d.h. sie darf ihre Waffen nicht nur zur
    Selbstverteidigung, sondern auch zum Schutz anderer einsetzen. - In Afghanistan sind die
    Meinungen zur UN-Schutztruppe geteilt. Vor allem die siegreiche Nordallianz fürchtet um
    ihren Einfluss. 
- Am 21. Dezember hat das Bundeskabinett eine Beteiligung der Bundeswehr an der
    UNO-Schutztruppe für Afghanistan mit bis zu 1.200 Soldaten beschlossen.
    Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) sagte nach der Kabinetts-Sondersitzung
    weiter, das UNO-Mandat habe die Erwartungen der Bundesregierung erfüllt, da es ein so
    genanntes robustes Mandat sei und den Einsatz von Gewalt erlaube. Gemeinsam mit den
    Niederlanden und Dänemark stelle Deutschland ein Teilkontingent von 1.450 Soldaten. -
    Zwar steht in dem Entwurf kein Datum für den Beginn des deutschen Einsatzes, doch wird
    davon ausgegangen, dass dieser so schnell wie möglich beginnen soll. Im Bundestag wird
    mit einer breiten Mehrheit für den Einsatz gerechnet. Noch sind allerdings einige Punkte
    zu klären. So müsse die genaue Anforderung, welches Land wie viele Truppen schicke,
    verhandelt werden, hieß es. Laut einem Papier, das "Spiegel-Online" am 21.
    Dezember zitiert, werden zu dem Kontingent Infanterie- und Hubschrauberkräfte,
    Kommunikationsingenieure, Pioniere, Feldjäger und Sanitäter gehören. Außerdem sollen
    Luft-Transportkräfte nach Afghanistan verlegt werden. 
 Bei Bombenangriffen in Afghanistan sollen am 21. Dezember mindestens 15 Stammesälteste
    getötet worden sein. Ein Geschoss habe ein falsches Ziel getroffen, berichtet der
    britische Nachrichtensender BBC unter Berufung auf einen Regierungsvertreter des
    Lokalparlaments. Die afghanische Nachrichtenagentur AIP sprach von bis zu 65 Toten. Bei
    dem Angriff in der Provinz Paktia wurde den Berichten zufolge möglicherweise ein Konvoi
    mit Stammesältesten getroffen. Sie seien auf dem Weg nach Kabul gewesen, so AIP. Sie
    hätten dort an der Einführung der afghanischen Übergangsregierung teilnehmen wollen.
    US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte zuvor vor Journalisten gesagt, man habe
    einen großen Konvoi mit Al-Qaeda-Kämpfern getroffen.
- Am 22. Dezember beschloss der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit die
    Entsendung von 1.200 Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan im Rahmen einer UN-mandatierten
    "Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe" (ISAF). Die Truppe soll dem
    Schutz der Übergangsregierung in Kabul dienen und wird in den ersten drei Monaten von
    Großbritannien angeführt. Das Mandat gilt für sechs Monate.
 In Kabul nahm am 22. Dezember die Übergangsregierung unter Hamid Karzai ihre Arbeit
    offiziell auf. Karzai sprach nach der ersten Kabinettssitzung von einer ausgezeichneten
    Gesprächsatmosphäre.
 Hamid Karzai hat zugesagt, dass ausländische Soldaten solange in Afghanistan bleiben
    können, bis der Kampf gegen den Terror beendet sei.
 Nicht mitgeteilt wurde, welche Wirkung die Bombardierung des Fahrzeugkonvois einen Tag
    zuvor (siehe Chronik 21.12.) auf die Interimsregierung hatte. Ostafghanische
    Stammesführer haben indessen eine Untersuchung des US-Luftangriffs verlangt. Das Pentagon
    beharrt weiter auf der Meinung, in dem Konvoi hätten sich führende Taliban-Kämpfer bzw.
    Al-Qaida-Mitglieder befunden. Außerdem habe der Konvoi mit Flugabwehrraketen das Feuer
    eröffnet. Demgegenüber sagte ein Überlebender des Angriffs, bei dem 65 Menschen ums
    Leben kamen, Hadschi Jakub Chan Tainawal, alle im Konvoi seien Anhänger der Regierung
    Karzai gewesen. Auch sei aus dem Konvoi kein einziger Schuss abgegeben worden. Für den
    Fall, dass sich ein solcher Vorfall wiederholen sollte, kündigten ostafghanische
    Stammesführer einen Aufstand gegen Karzai an.
 In Somalia sind neun Ausländer unter dem Verdacht des Terrorismus verhaftet worden. Bei
    den Männern handelt es sich um sieben Iraker, einen Palästinenser und einen Kurden.
- Am 23. Dezember legen britische Kriegsschiffe in der kenianischen Hafenstadt Mombasa an.
    Mutmaßungen, dass die Verlegung aus dem Indischen Ozean nach Mombasa mit bevorstehenden
    Militäroperationen in Somalia, an das Kenia angrenzt, zu tun haben könnte, dementierte
    ein britischer Diplomat in Nairobi. Die Soldaten sollten nur ihren Weihnachtsurlaub an
    Land verbringen können. Fakt ist aber, dass Großbritannien schon vor zwei Wochen vom
    kenianischen Präsidenten Daniel arap Moi die Zusage erhalten hatte, Kenia als Stützpunkt
    für den Kampf gegen den Terrorismus nutzen zu können.
 Offenbar bereiten die USA den Einsatz einer neuartigen Waffe vor, die vor zehn Tagen (14.
    Dezember) erstmals getestet wurde. Es ist eine thermobarische Bombe vom Typ BLU-118b, die
    speziell für den Höhlenkampf in Afghanistan entwickelt wurde. Die Bombe ist explosiver
    als herkömmliche Bomben und arbeitet mit Druckwellen.
- Am 24. Dezember berichtete die afghanische Nachrichtenagentur AIP, dass
    US-Spezialkräfte in der vergangenen Woche einen hohen Geheimdienstoffizier des
    gestürzten Taliban-Regimes gefasst haben. Abdul Hak Wasik, stellvertretender
    Geheimdienstchef der Taliban, sei in der Stadt Makaur in der Provinz Ghasni unterwegs
    gewesen, als Spezialkräfte mit Hubschraubern auf ihn niederstießen. Den genauen Tag der
    Festnahme sowie weitere Details konnte AIP nicht nennen.
 Die USA suchen immer noch nach Taliban-Führer Mullah Omar sowie Extremisten-Führer Osama
    bin Laden. Alle gefangenen Taliban-Kämpfer sollen verhört werden, um Hinweise auf den
    Aufenthaltsort von bin Laden zu bekommen. Rund 7.000 Taliban-Kämpfer und Al
    Qaeda-Mitglieder sollen mittlerweile gefasst worden sein. Zwei ranghohe Talibanführer
    werden zurzeit auf einem US-Kriegsschiff im Arabischen Meer verhört. Wie die
    pakistanische Tageszeitung «The News» berichtete, handele es sich dabei um den
    Ex-Gouverneur Mullah Omar Fasil und Kommandeur Mullah Nurullah Nuri. Die beiden Führer
    hatten die Kapitulation der Taliban-Truppen in Kundus ausgehandelt und im Gegenzug eines
    Amnestie versprochen bekommen.
 Am 24. Dezember wird bekannt, dass der neue afghanische Regierungschef Karzai einen Tag
    nach seinem Amtsantritt den usbekischen General Dostum zum stellvertretenden
    Verteidigungsminister ernannt hat. Er habe die Ernennung bei einem Treffen mit Ressortchef
    Fahim und Dostum in Kabul vereinbart, sagte Karzai am 24. Dezember vor Journalisten.
    Bereits am 22. Dezember hatte der General an der Zeremonie zur Amtseinführung der
    Übergangsregierung teilgenommen. Dostum, der in der nördlichen Stadt Masar-i Sharif eine
    einflussreiche Miliz kommandiert, hatte die Beschlüsse der Afghanistan-Konferenz bei Bonn
    in der Vergangenheit kritisiert, weil seiner Meinung nach die usbekische Minderheit in der
    Übergangsregierung nicht ausreichend vertreten sei.
- Am 25. Dezember haben die USA wieder massive Luftangriffe auf Ziele nördlich von
    Kandahar geflogen. Ziele der B-52-Bomber sollen Höhlen und Waffenlager der Taliban und
    der Terrorgruppe Al-Qaida gewesen sein.
 Dagegen sind die Bombardement bei Tora Bora eingestellt worden. Laut dem Militär sollen
    nun Einheiten der Marines in weitere Höhlen vordringen. Man wisse nicht, wo Osama bin
    Laden sei, heißt es in Washington. Man wisse auch nicht, ob er noch lebe oder tot sei.
    Die "Jagd" ginge aber in jedem Fall weiter.
 Die pakistanische Zeitung «Observer» berichtete am 25. Dezember, dass bin Laden ganz
    sicher tot sei. Sie zitierte einen Talibanführer: "Sie werden ihr Lieblingsziel,
    Osama tot oder lebendig zu kriegen, niemals erreichen." Bin Laden sei bereits Mitte
    Dezember in der Nähe von Tora Bora gestorben, und zwar an einer Lungenerkrankung. Der
    namentlich nicht bekannte Mann sei sei bei der Beerdigung selbst dabei gewesen, zusammen
    mit ungefähr 30 Al-Qaida-Kämpfern und Freunden. Mit militärischen Ehren habe man Osama
    beigesetzt und - in Übereinstimmung mit dessen Glauben - anschließend sein Grab
    eingeebnet.
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jdm